Schach-Computer wegen Plagiats disqualifiziert.

Betrug, Plagiate und kein Ende: nachdem schon mehrere Politiker wegen Plagiaten zurückgetreten sind, nachdem letzten Monat bei den Deutschen Schachmeisterschaften der sächsische Champion wegen Computer-, genauer: Smartphone-Betrugs, disqualifiziert wurde, hat es nun auch den 4-maligen Computerschach-Weltmeister Rybka erwischt: er wurde unbegrenzt gesperrt und seine Titel wurden ihm aberkannt

i-b67e2372322547feb37432b49ad25675-rybka_4_pc.jpg

Nicht weil er heimlich einen Schachcomputer benutzt hätte (haha), sondern weil sein Programmierer Vasik Rajlich Teile anderer Programme verwendet haben soll ohne dies in den Fußnoten zu kennzeichnen. So steht es jedenfalls in der am Mittwoch veröffentlichten einstimmigen Entscheidung der ICGA:

[…] Vasik Rajlich is guilty of plagiarizing the programs Crafty and Fruit, and has violated the ICGA’s tournament rules with respect to the World Computer Chess Championships in the years 2006, 2007, 2008, 2009 and 2010. Specifically, Vasik Rajlich, on all five occasions, violated Tournament Rule 2 which requires that:

Each program must be the original work of the entering developers. Programming teams whose code is derived from or including game-playing code written by others must name all other authors, or the source of such code, in their submission details. Programs which are discovered to be close derivatives of others (e.g., by playing nearly all moves the same), may be declared invalid by the Tournament Director after seeking expert advice. For this purpose a listing of all game-related code running on the system must be available on demand to the Tournament Director.

By claiming other programmers’ work as his own, and failing to comply with the abovementioned rule, Vasik Rajlich has unfairly been awarded one shared 2nd-3rd place (in 2006) and four World Computer Chess Championship titles (in 2007, 2008, 2009 and 2010). Furthermore, it seems to the ICGA that Vasik Rajlich clearly knew that he was in the wrong in doing so, since he has repeatedly denied plagiarizing the work of other programmers.

The ICGA regards Vasik Rajlich’s violation of the abovementioned rule as the most serious offence that a chess programmer and ICGA member can commit with respect to his peers and to the ICGA. During the course of the investigation and upon presentation of the Secretariat’s report Vasik Rajlich did not offer, despite repeated invitations from the ICGA to do so, any kind of defence to the allegations, or to the evidence, or to the Secretariat’s report, other than to claim in an e-mail to myself on May 13th 2011 that:

”’Rybka has does not “include game-playing code written by others”, aside from standard exceptions which wouldn’t count as ‘game-playing’.
The vague phrase “derived from game-playing code written by others” also does not in my view apply to Rybka.”’

The ICGA is of the view that such a serious offence deserves to be met with correspondingly serious sanctions against the perpetrator. In deciding on appropriate sanctions the ICGA has borne in mind the approach of the International Olympic Committee for dealing with the most serious cases of the violations of its rules.
[…]

Nicht mitgeteilt wurde, ob Rybka in Zukunft auch bei Betrugsversuchen nicht mehr eingesetzt werden darf 🙂

Offenbar überziehen sich inzwischen verschiedene Programmierer gegenseitig mit Plagiatsvorwürfen. Bei Wikipedia wird es so zusammengefaßt:

Es gibt Vorwürfe, dass die erste Version von Rybka auf dem Programmcode von Fruit beruht. Fruit 2.1 erschien im Juni 2005 unter der GNU General Public License, sechs Monate später veröffentlichte Rajlich die Betaversion von Rybka. Die Bewertungsfunktionen der beiden Programme weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. Rajlich erklärte, er habe zwar Ideen von Fruit übernommen, seinen Programmcode jedoch eigenständig geschrieben. Im Juni 2011 wurde Rybka von künftigen Turnieren der International Computer Games Association ausgeschlossen.

Rajlich beschuldigte seinerseits mehrere Programmierer, ihre Programme basierten auf dekompilierten Versionen von Rybka 3.

Seit 2010 gilt das Programm “Houdini” als noch stärker als Rybka. Houdini ist allerdings umstritten, da es angeblich auf gestohlenem Sourcecode von Rybka aufbauen soll. Es wurde aus diesem Grund in verschiedenen Ranglisten nicht als legitimes Schachprogramm angesehen und zeitweilig nicht gelistet, obwohl es kostenlos erhältlich ist.

So langsam verliert man den Überblick …

i-2ddc71a935bbf2013edee33309ff3e19-rybka03.jpg

www.chessbase.com/newsdetail.asp?newsid=4772

Kommentare (5)

  1. #1 Nele
    2. Juli 2011

    Plagiate in der Informatik? “Super Mario Bros.” und “Great Giana Sisters” natürlich!

    🙂

  2. #2 Karl Mistelberger
    2. Juli 2011

    Hauptsache, RYBKA4 gewinnt (4x Weltmeister). Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Programmierer abgeschrieben hat 🙂

  3. #3 Henry
    2. Juli 2011

    Was ist denn geklauter Code?
    Wenn ich eine for-Schleife in meinem Programm benutze um Menüpunkte aufzulisten, klaue ich dann von allen Programmen, die auch diese Schleife haben?
    Wenn ein Problem auf eine gewisse Weise am optimalsten gelöst werden kann, ist dann ein Plagiat, wenn mehrere Programme diesen Algorithmus benutzen?

    Natürlich ist es nicht gut wenn die Ideen und Konzepte von anderen geklaut werden, aber bei der Umsetzung gibts doch meisten nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten. Da sind Ähnlichkeiten zwischen Programmen doch nicht nur wahrscheinlich, sondern nicht zu verhindern.

  4. #4 Christoph
    3. Juli 2011

    Also, um etwas Licht in das Wirrwarr zu bringen.

    Als Houdini herauskam, hat Rajlich die Entwickler beschuldigt, dass sie von ihm abgekupfert hätten. Diese zeigten sich verblüfft und meinten: “Unser Programm basiert auf Fruit(ganz offiziell!), wir haben nicht bei dir abgeschrieben!”

    Als nächstes haben sie den Programmierer von Fruit um einen Kommentar gebeten, der hat sich dann die Sache mal angesehen. Und musste feststellen, dass Rybka wesentliche Teile seines Codes enthält! Daher auch die Ähnlichkeit.

    Die Diskussion über diese Geschichte gärt in der Schachszene nun schon seit einigen Monaten…

    Der genannte Codeklau hat übrigens damals sein extrem mittelmäßiges Programm unter die sehr, sehr guten Programme katapultiert(300 Punkte Elosteigerung!!). Man kann natürlich meinen, dass das nur zum Erfolg beigetragen hat. Man kann aber genauso zu Doping argumentieren. Es hat auch nur beigetragen, die Leistung hat der Sportler selbst erbracht.

    In jedem Fall bleibt es unehrlich!

    Das Pikante daran ist IMHO aber vor allem, dass Rajlich selbst die ganze Zeit mit Plagiatsvorwürfen gegen andere um sich geworfen hat. Hätte er nicht behauptet, Houdini wäre von ihm abgeschrieben, wäre die ganze Geschichte wohl nicht ins Rollen gekommen. KEIN Mitleid.

    Was mir schon lange sauer aufstößt, ist dass Houdini bei den “Randinformationen” wie berechnetete Knoten pro Sekunde, Tiefe usw. falsche Zahlen ausgibt, das hat immer irgendwie komisch gerochen.

    Und was den letzten Block aus der Wikipedia angeht: Es gibt zur Zeit keine Kontroverse um Houdini! Der einzige, der mit Schlamm darauf geworfen hat war Rajlich.

  5. #5 Kallewirsch
    6. Juli 2011

    Was ist denn geklauter Code?
    Wenn ich eine for-Schleife in meinem Programm benutze um Menüpunkte aufzulisten, klaue ich dann von allen Programmen, die auch diese Schleife haben?

    natürlich nicht

    Wenn ein Problem auf eine gewisse Weise am optimalsten gelöst werden kann, ist dann ein Plagiat, wenn mehrere Programme diesen Algorithmus benutzen?

    Die Sache ist die, dass es gerade bei derartigen Spielen, keine ‘optimale Lösung’ gibt. So wie ich die verlinkten Artikel verstanden habe, ist ein Hauptpunkt der Kritik die Bewertungsfunktion. In dieser Bewertungsfunktion soll eine gegebene Stellung auf dem Brett mit einer Zahl bewertet werden. Da gibt es naturgrmäss viele Möglichkeiten. Die einen vergeben für einen Springer am Brettrand einen Abschlag, aber nur dann, wenn er nicht zufällig gleichzeitig eine Dame bedroht, die anderen haben diese Bewertung eventuell nicht. Die einen werten die zentralen 4 Felder als das Spielfeldzentrum, die anderen die zentralen 9 Felder, etc. etc.
    Natürlich wird es da zufällige Übereinstimmungen geben, aber wenn viele Punkte mehr oder weniger 1:1 übereinstimmen, dann ist es eher wahrscheinlich, dass der Code geklaut wurde.

    Schon alleine dein Menüsystem, kann auf unterschiedliche Arten gelöst werden, die zwar alle die for-Schleife gemeinsam haben aber abgesehen davon, komplett anders funktionieren. Deine Datenstrukturen, in denen du das Menü beschreibst, werden anders aussehen als meine. Kurz und gut: Es gibt, abgesehen von trivialen Programmen, immer jede Menge Freiraum wie man ein Programm aufbaut. Das geht soweit, dass ich von Code aus unserer Gruppe ziemlich zuverlässig sagen kann, wer ihn geschrieben hat. Jeder Programmierer hat seine Handschrift, so wie jeder Maler seinen eigenen Stil hat obwohl alle auch nur Leinwand und Farbe benutzen.

    aber bei der Umsetzung gibts doch meisten nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten. Da sind Ähnlichkeiten zwischen Programmen doch nicht nur wahrscheinlich, sondern nicht zu verhindern.

    Selbst bei einfachen Programmen ist das schon nicht mehr so. Alles was dann eine gewisse Komplexitätsgrenze überschreitet, ist mehr oder weniger praktisch immer ein Unikat, welches sich eindeutig zuordnen lässt.