Vektorfelder und Multiplikationen. Komplexe Zahlen, Quaternionen und Oktaven – was gibt es noch?
Jedes Vektorfeld auf der (2-dimensionalen) Sphäre muß an mindestens einer Stelle 0 sein. Das ist der sogenannte Satz vom gekämmten Igel, der viele Anwendungen1 (und Veranschaulichungen) hat und auch viele Zusammenhänge mit anderen Konzepten der Flächen-Topologie. (Man kann allgemein zeigen, daß eine Fläche dann und nur dann ein Vektorfeld ohne Nullstellen hat, wenn die Euler-Charakteristik 0 ist. Deshalb gibt es ein Vektorfeld ohne Nullstellen zwar auf dem Torus, aber eben nicht auf der 2-dimensionalen Sphäre.)
Dieses Thema, Vektorfelder auf Flächen und speziell die verschiedenen Beweise des Igelsatzes, werden wir hier auch noch mal bei passender Gelegenheit besprechen. Heute soll es aber (im Anschluß an den Beitrag über die Hopf-Faserung letzte Woche) um eine andere Verallgemeinerung des Igelsatzes gehen, nämlich die Frage, auf welcher n-dimensionalen Sphäre es n linear unabhängige Vektorfelder gibt. (Die Antwort wird sein: nur für n=1,3,7.)
Komplexe, Quaternionen, Oktaven
Man kann mit relativ elementaren Methoden untersuchen, auf welchen Flächen es Vektorfelder ohne Nullstellen gibt (nämlich nur auf dem Torus). Das werden wir bei andere Gelegenheit noch diskutieren. Man kann auch noch mit etwas Topologie beweisen, daß es allgemein auf Mannigfaltigkeiten nur dann ein Vektorfeld ohne Nullstellen gibt, wenn die Euler-Charakteristik 0 ist.
Wesentlich schwieriger ist die Frage, auf welcher n-dimensionalen Sphäre es n linear unabhängige Vektorfelder gibt. Für n=1,3,7 geht es, indem man die Multiplikation auf den komplexen Zahlen bzw. Quaternionen bzw. Cayley-Zahlen (Oktaven) nutzt:
zum Beispiel der Kreis S1 ist ja der Einheitskreis in der komplexen Ebene, jedes z aus S1 läßt sich natürlich schreiben als Produkt aus z und 1, die Links-Multiplikation mit z ist eine differenzierbare Abbildung, die also 1 auf z abbildet. Man nimmt jetzt einen Tangentialvektor in 1 und bildet ihn mit (dem Differential) der Linksmultiplikation mit z auf einen Tangentialvektor in z ab. Das tut man für jedes z und bekommt also ein Vektorfeld, dessen Vektoren alle dieselbe Länge haben, insbesondere nicht 0 sind.
Dasselbe kann man für S3, die Einheitssphäre der Quaternionen, machen: man nimmt sich 3 linear unabhängige Tangentialvektoren in 1 und transportiert sie mit (dem Differential) der Linksmultipliaktion mit h in jeden Punkt h.
Entsprechend für S7, die Einheitssphäre der Oktaven.
Vektorfelder und Multiplikationen
Allgemein, wenn man auf einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit eine Multiplikation hat, es sich also um eine Lie-Gruppe handelt, kann man n linear unabhängige Vektorfelder konstruieren, indem man eine Basis des Tangentialraums in einem Punkt nimmt und dann mit der Gruppenmultiplikation diese Basis in jeden anderen Punkt transportiert.
Das funktioniert auch noch allgemeiner für sogenannte H-Räume, in denen man nur eine ‘bis auf Homotopie’ definierte Multiplikation hat. Aber die meisten Mannigfaltigkeiten sind natürlich keine Lie-Gruppen und auch keine H-Räume.
Man kennt schon lange die komplexen Zahlen, Quaternionen und Cayley-Zahlen, und damit nullteilerfreie Multiplikationen auf R2, R4, R8. Läßt sich das weiter fortsetzen, gibt es nullteilerfreie Multiplikationen auf weiteren Rn‘s? Die Antwort ist negativ und sie ist ein Korollar zur Nicht-Existenz linear unabhängiger Vektorfelder auf Sphären und damit letztlich zur Nicht-Existenz von Abbildungen mit Hopf-Invariante 1. Nämlich, wenn man eine nullteilerfreie Multiplikation auf Rn, also eine Multiplikation auf Rn-{0} hat, dann benutzt man die Homotopieäquivalenz Sn-1 ~ Rn-{0}, um eine “Multiplikation bis auf Homotopie” (eine sogenannte H-Raum-Struktur) auf Sn-1 zu bekommen. Damit kann man dann aber n-1 linear unabhängige Vektorfelder auf Sn-1 konstruieren (und das geht eben nur für n=1,2,4,8, wie sich herausstellt).
Also: wenn man die Nichtexistenz von n-1 linear unabhängigen Vektorfeldern auf der n-1-Sphäre beweist, dann hat man auch die Unmöglichkeit einer nullteilerfreien Multiplikation (und sogar einer H-Raum-Struktur) auf Rn bewiesen.
Der historisch erste Beweis der Unmöglichkeit einer nullteilerfreien Multiplikation (außer für n=2,4,8), den 1958 Milnor und Kervaire unabhängig fanden, benutzte übrigens zwar auch Topologie, aber noch nicht die später von Adams bewiesene allgemeine Formel für die Anzahl linear unabhängiger vektorfelder, sondern den 1 Jahr zuvor bewiesenen Periodizitätssatz von Raoul Bott.
Kommentare (1)