Flächen um Sphären wickeln.

Letzte Woche hatten wir uns mit der Klassifikation (bis auf Homotopie) der Abbildungen f:S2–>S2 befaßt:

Jeder solchen Abbildung konnte man ihren Abbildungsgrad deg(f) zuordnen, dieser war eine ganze Zahl und homotope Abbildungen hatten denselben Abbildungsgrad. Umgekehrt (das ist ein nicht-trivialer Satz von Hopf) gilt auch, daß Abbildungen homotop sein müssen, wenn sie denselben Abbldungsgrad haben. Man hat also eine 1:1-Entsprechung zwischen den Homotopieklassen von Abbildungen f:S2–>S2 und ihren Abbildungsgraden.

Man kann auch zu jeder ganzen Zahl d eine Abbildung f:S2–>S2 mit deg(f)=d konstruieren. Einfachstes Beispiel ist die in Kugelkordinaten durch f(r,φ,θ)=(r,dφ,θ) gegebene Abbildung:

i-9408737c432af34bf06bedfbf973abbf-Sphere_wrapped_round_itself.png

f(r,φ,θ)=(r,2φ,θ)

Man hat also schlußendlich eine durch den Abbildungsgrad vermittelte 1:1-Entsprechung zwischen den Homotopieklassen von Abbildungen f:S2–>S2 und den ganzen Zahlen Z.

Eine andere Konstruktion einer Abbildung f:S2–>S2 zu vorgegebenem Abbildungsgrad d geht wie folgt. Man nimmt sich d Punkte in (der ersten) S2 und zu diesen jeweils Kreis-Umgebungen. (Die d Kreisscheiben wählt man klein genug, so daß sie alle disjunkt sind.)
Sei NP der Nordpol in (der zweiten) S2, dann ist S2-NP, also die Sphäre ohne den Nordpol, homöomorph zu einer Kreisscheibe, wie man mit stereographischer Projektion (Bild unten, vgl. TvF 110 oder TvF 159) sehen kann. Also kann man f definieren, indem man die d Kreisscheiben mittels Homöomorphismen auf S2-NP und alle restlichen Punkte der (ersten) S2 auf den Nordpol abbildet. Die so definierte Abbildung hat offensichtlich Abbildungsgrad d. (Der Nordpol ist kein regulärer Wert. Alle anderen Bildpunkte sind reguläre Werte und haben genau d Urbilder.)

i-4369cd6583b558c9981cbe32c6073406-Stereographic_projection_in_3D.png

Der Vorteil dieser zweiten Konstruktion ist, daß sie analog für beliebige Flächen funktioniert:
Sei F irgendeine Fläche, was ist die Menge [F,S2] von Homotopieklassen von Abbildungen f:F–>S2?
Mit wörtlich demselben Beweis wie letzte Woche für F=S2 hat man, daß homotope Abbildungen F–>S2 denselben Abbildungsgrad haben. Auch die Umkehrung läßt sich beweisen: Abbildungen mit demselben Abbildungsgrad sind homotop. (Das ist ein Spezialfall des wesentlich allgemeineren Pontrjagin-Thom-Theorems, dazu nächste Woche.) Und man kann auch genauso wie eben zu jeder ganzen Zahl d eine Abbildung f:F–>S2 mit deg(f)=d konstruieren – fast wörtlich genauso wie oben:
Man nimmt sich d Punkte in F und zu diesen jeweils Kreis-Umgebungen. (Die d Kreisscheiben wählt man klein genug, so daß sie alle disjunkt sind.) Sei NP der Nordpol in S2, dann ist S2-NP, also die Sphäre ohne den Nordpol, homöomorph zu einer Kreisscheibe. Also kann man f definieren, indem man die d Kreisscheiben mittels Homöomorphismen auf S2-NP und alle restlichen Punkte von F auf den Nordpol abbildet. Die so definierte Abbildung hat offensichtlich Abbildungsgrad d. (Der Nordpol ist kein regulärer Wert. Alle anderen Bildpunkte sind reguläre Werte und haben genau d Urbilder.)

Komplizierter wird es freilich, wenn man sich allgemeiner, für zwei Flächen Fg, Fh von höherem Geschlecht g bzw. h, fragt, was die Menge [Fg, Fh] der Homotopieklassen von Abbildungen f:Fg–>Fh ist.
Für g < h ist es einfach so, daß alle Abbildungen homotop zur konstanten Abbildung sind (insbesondere Abbildungsgrad 0 haben), also [Fg, Fh] = 0. Das sieht man zum Beispiel mit der Formel vol(Fg)=4(g-1) für das hyperbolische Volumen und der offensichtlichen Tatsache, daß es eine Abbildung mit deg(f)=d nur geben kann, wenn vol(Fg)≥d.vol(Fh) ist.
Komplizierter wird es aber für g≥h. Wir hatten uns in dieser Reihe ziemlich lange (TvF 140 bis TvF 157) den Abbildungsklassengruppen von Flächen gewidmet, also den (orientierungs-erhaltenden) Homöomorphismen modulo Homotopie. (Orientierungserhaltende Homöomorphismen haben offensichtlich Abbildungsgrad 1. Im Fall der Sphäre hat man als Abbildungsklassengruppe einfach die triviale Gruppe, weil es nur eine Homotopieklasse mit Abbildungsgrad 1 gibt.) Schon in diesem sehr speziellen Fall erhielt man für g≥2 schwer zu beschreibende Gruppen von Homotopieklassen. (Insbesondere sind für g≥1 nicht alle Abbildungen mit Abbildungsgrad 1 zueinander homotop.)


Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7 , Teil 8, Teil 9 , Teil 10 ,Teil 11, Teil 12, Teil 13, Teil 14, Teil 15, Teil 16, Teil 17, Teil 18, Teil 19, Teil 20, Teil 21, Teil 22, Teil 23, Teil 24, Teil 25, Teil 26, Teil 27, Teil 28, Teil 29, Teil 30, Teil 31, Teil 32, Teil 33, Teil 34, Teil 35, Teil 36, Teil 37, Teil 38, Teil 39, Teil 40, Teil 41, Teil 42, Teil 43, Teil 44, Teil 45, Teil 46, Teil 47, Teil 48, Teil 49, Teil 50, Teil 51, Teil 52, Teil 53, Teil 54, Teil 55, Teil 56, Teil 57, Teil 58, Teil 59, Teil 60, Teil 61, Teil 62, Teil 63, Teil 64, Teil 65, Teil 66, Teil 67, Teil 68, Teil 69, Teil 70, Teil 71, Teil 72, Teil 73, Teil 74, Teil 75, Teil 76, Teil 77, Teil 78, Teil 79, Teil 80, Teil 81, Teil 82, Teil 83, Teil 84, Teil 85, Teil 86, Teil 87, Teil 88, Teil 89, Teil 90, Teil 91, Teil 92, Teil 93, Teil 94, Teil 95, Teil 96, Teil 97, Teil 98, Teil 99, Teil 100, Teil 101, Teil 102, Teil 103, Teil 104, Teil 105, Teil 106, Teil 107, Teil 108, Teil 109, Teil 110, Teil 111, Teil 112, Teil 113, Teil 114, Teil 115, Teil 116, Teil 117, Teil 118, Teil 119, Teil 120, Teil 121, Teil 122, Teil 123, Teil 124, Teil 125, Teil 126, Teil 127, Teil 128, Teil 129, Teil 130, Teil 131, Teil 132, Teil 133, Teil 134, Teil 135, Teil 136, Teil 137, Teil 138, Teil 139, Teil 140, Teil 141, Teil 142, Teil 143, Teil 144, Teil 145, Teil 146, Teil 147, Teil 148, Teil 149, Teil 150, Teil 151, Teil 152, Teil 153, Teil 154, Teil 155, Teil 156, Teil 157, Teil 158, Teil 159, Teil 160, Teil 161, Teil 162, Teil 163, Teil 164, Teil 165, Teil 166, Teil 167, Teil 168, Teil 169, Teil 170, Teil 171, Teil 172, Teil 173, Teil 174, Teil 175, Teil 176, Teil 177, Teil 178, Teil 179, Teil 180, Teil 181, Teil 182, Teil 183, Teil 184, Teil 185, Teil 186, Teil 187, Teil 188, Teil 189, Teil 190