Der Economist hat den letzte Woche von Transparency International veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex in einer Grafik gegen den von der UNDP ermittelten Human Development Index aufgetragen:

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Zwei Dinge fallen auf:
1. Im allgemeinen ist die Korruption proportional zum HDI (der im wesentlichen ein Wohlstandsindikator ist, auch wenn neben dem Pro-Kopf-Einkommen noch Lebenserwartung und Bildungsgrad berücksichtigt werden).
2. Einzelne Länder haben bei mäßigem Wohlstand trotzdem einen hohen Korruptionsindex, zum Beispiel Italien, Griechenland, Argentinien, Rußland und Venezuela.

Kommentare (16)

  1. #1 cydonia
    9. Dezember 2011

    Ich bezweifle einige Daten. Da kommen ein paar Staaten viel zu gut weg. Es dürfte auch allgemein mit einigen Schwierigkeiten verbunden sein, Korruption zu messen.
    Beispiel China: Ohne “Geschenke” läuft immer noch in manchen Bereichen gar nichts. Es wird aber von einem Großteil der Bevölkerung als normal empfunden, dass es so läuft. Die Perzeption der Korruption hat somit auch sehr viel mit Gewohnheit zu tun.
    Dass es in Italien oder Griechenland auffällt, hat sicher auch damit zu tun, dass die Menschen sich im Gegensatz zu anderen Staaten bewusst sind, dass es so nicht sein muss, weil sie durch ausreichende Information Vergleichsmöglichkeiten haben, und die Systeme halbwegs demokratisch funktionieren.

  2. #2 Tubshell
    9. Dezember 2011

    Hier muss ich widersprechen:

    1. Im allgemeinen ist die Korruption proportional zum HDI (der im wesentlichen ein Wohlstandsindikator ist, auch wenn neben dem Pro-Kopf-Einkommen noch Lebenserwartung und Bildungsgrad berücksichtigt werden).

    Das würde ich so allgemein nicht stehen lassen – immerhin haben fast alle Länder mit HDI > 0,9 einen Korruptionsindex von 9, was ein extrem guter Wert ist. (Korruptionsindex = x-Achse, 10 = am wenigsten korrupt.) In dem Bereich scheint also eher eine Antiproportionalität zu herrschen.
    Zwischen 0,8 und 0,9 erscheint mir der Grad an Korruption relativ willkürlich – zwischen 3 (Griechenland) und 9 (Singapur) ist da alles zu finden.
    Am auffallendsten finde ich aber, dass bereits bei einem HDI kleiner als 0,8 bis auf ein paar Ausnahmen fast alle Länder mäßig korrupt bis korrupt sind.
    Wenn ich hier aber einen allgemeinen Zusammenhang zwischen HDI und Korruption ausmachen würde, dann einen antiproportionalen.

    2. Einzelne Länder haben bei mäßigem Wohlstand trotzdem einen hohen Korruptionsindex, zum Beispiel Italien, Griechenland, Argentinien, Rußland und Venezuela.

    Ab hier beginne ich aber zu glauben, dass du die Graphik falsch gelesen hast – Italien und Griechenland haben ein mäßiges Wohlstandsniveau? Die haben einen HDI zwischen 0,8 und 0,9 – wie man an der Graphik sehen kann, gehört das zur Weltspitze! (HDI = y-Achse!) Auch deine anderen erwähnten Länder haben einen HDI > 0,7 – das zählt schon als hochentwickelt, und nicht nur mäßig. Alles andere würde doch auch überraschen…
    Mäßig bis stark ist hingegen die Ausprägung der Korruption – ein Wert zwischen 3 und 4 ist schon eher mies.

    @cydonia: Dein Einwand, dass dir China zu gut wegkommt, lässt mich eine ähnliche Missinterpretation der Graphik vermuten – China liegt in Sachen Korruption zwischen Italien und Griechenland, also zwischen 3 und 4. Und ohne jetzt ausgewiesener Chinakenner zu sein – dass Italien und Griechenland ähnlich korrupt sind, kann ich mir schon gut vorstellen…

    Also, um es zusammenzufassen: Wenn ich die Graphik nicht missverstehe, gelten folgende Zusammenhänge:
    1. Je weiter oben der Kringel, desto höher entwickelt ist das Land.
    2. Je weiter links der Kringel, desto korrupter ist das Land.
    3. Ungefährer Zusammenhang: Kringel weiter oben -> Kringel weiter rechts. Macht für mich als prinzipielle These auch Sinn, da ich weniger angewiesen auf Schmiergelder bin, wenn ich sowieso schon ein mehr als auskömmliches Einkommen habe. Aber da gibt es bei einem HDI unterhalb von 0,8 schon einige Ausreißer, wie weiter oben bereits erwähnt…

  3. #3 libertador
    9. Dezember 2011

    Kann es sein, dass die Grafik missverstanden wurde. Griechenland und Italien sind doch gerade entwickelt(hoher Wohlstand) und trotzdem eine hohe Korruption. Ein höherer CPI bedeutet weniger wahrgenommene Korruption.

  4. #4 Thilo
    9. Dezember 2011

    Stimmt schon, ich streiche den ersten Satz mal durch. (Hatte auf die Schnelle die Achsen verwechselt.)

  5. #5 Thilo
    9. Dezember 2011

    Beim Korruptionswahrnehmungsindex geht es wohl (wie der Name ja eigentlich auch sagt) tatsächlich um die Wahrnehmung von Korruption, nicht um die Höhe der Bestechungsgelder 🙂

  6. #6 Der Bo
    9. Dezember 2011

    @cydonia

    Es mag sein, dass ein Großteil der chinesichen Bevölkerung nicht so empflindliche Sensoren für Korruption hat, wie die westlicher Staaten. Allerdings wird ein Großteil der chinesischen Bevölkerung auch nicht gefragt. Kurzer Snip aus den FAQ von Transperency international:

    “Wessen Meinung wird in den Umfragen herangezogen?

    Im Rahmen der Untersuchungen werden Geschäftsleute und Analysten aus Industrieländern wie auch Entwicklungsländern befragt. Es handelt sich um Experten, die innerhalb und außerhalb der untersuchten Länder leben. Die Standpunkte der Experten, die in den untersuchten Ländern leben, korrelieren stark mit den Standpunkten der Experten, die außerhalb der Länder leben. ”

    Es geht also nicht um die Wahrnehmung der Bevölerung, sondern um die Wahrnehmung von Geschäftleuten und Analysten. Dass immer in- und ausländische Experten befragt werden grenzt die Auswirkung einer gewissen Gewöhnung an Korruption doch ziemlich ein. Außerdem kommt China noch immer ziemlich schlecht weg in dem Ranking mit 3,6 mit einem 90% Vertrauensintervall von 3,2-4,1. Ich glaub die Leute wissen ziemlich genau was sie tun und was ihre Daten aussagen.

    Man sollte seriös durchgeführte Studien nicht nur deshalb anzweifeln weil in der eigenen Wahrnehmung Italien und Griechenland unkorrupter als China sind.

    https://www.transparency.de/Tabellarisches-Ranking.2021.0.html

  7. #7 cydonia
    9. Dezember 2011

    @Der Bo
    Es hat mit eigener Wahrnehmung wesentlich weniger zu tun als mit Erfahrung. Und ich habe die Studie nicht als Ganzes angezweifelt, sondern nur die Ausreißer, die meiner Erfahrung widersprechen, in Frage gestellt.
    Dass Griechenland und Italien unkorrupter sind als China habe ich auch nicht im Geringsten behauptet, sondern lediglich bemerkt, dass man die Korruption eher als nicht erwünscht anprangert, und das gilt für Leute von außen genauso wie für Leute aus dem Inneren des Systems. Jeder Geschäftsmann von außen ist sich bewusst, dass er in bestimmten Ländern bestechen muss, um zu einem Abschluss zu kommen. Passiert das aber öfter in einem Land, in dem das von der allgemeinen Erfahrung und von den Gepflogenheiten her nicht zu erwarten ist, wird es eher angeprangert. entspricht es den erwartungen, wird es eher(als zur Kultur gehörend) hingenommen, unabhängig davon, wo der Bewertende herkommt.

  8. #8 Der Bo
    9. Dezember 2011

    Ich hab grad einen lustigen Gedankengang. Schreibt mich nieder wenn ihr denkt ich liege falsch, aber ich hab grad Lust ein bisschen zu debattieren.

    @cydonia

    Seh es mal so. Auf der einen Seite steht eine Organisation die in über 90 Ländern vertreten ist und mit der EU, den vereinten Nationen, der OECD, Weltbank etc… zusammenarbeitet mit einer Studie die aus 17 Quellen über Korruption in der Welt von 13 verschiedenen Institutionen einen Index erarbeitet, der es erlaubt die Wahrnehmung von Korruption zwischen Ländern zu vergleichen. Und das machen die schon seit 15 Jahren.

    Auf der anderen Seite stehst du und streitest einige Ergebnisse (deiner Meinung nach Ausreißer) der Studie an, basierend auf deiner eigenen Erfahrung mit Korruption. Als Begründung für dein Misstrauen führst du das Problem auf, dass es verschiedene Wahrnehmungsschwellen in verschiedenen Ländern gibt, ab wann etwas als Korruption zu berwerten ist. (Also quasi der Moment indem dem Menschen klar wird “Das ist Korruption!” und dies auch anprangert) So interpretier ich deine Kritik

    Daran hab ich 3 Punkte anzumerken, warum ich nicht denke, dass deine Meinung eine für die Studie ernst zu nehmende Kritik ist.

    1. Deine persönliche Erfahrung hat hier allenfalls anekdotischen Charakter. Wir haben hier das Äquivalent einer groß angelegten Meta-Studie zur Homöopathie und einem Arzt der erzählt bei seinen Patienten hätten Globuli wahre Wunder gewirkt. Nicht, dass es nicht möglich ist, dass du trotzdem recht hast (was ich bei Homöopathie ausschließe, insofern hinkt der vergleich ein bisschen), aber es steht eine einzelne Erfahrung gegenüber einer seriös durchgeführten aufwendigen Meta-Studie.

    2. Das Problem mit der Wahrnehmungsschwelle von Korruption ist so ziemlich das erste aller möglichen Probleme mit dieser Studie die einem einfallen können. Ich bin mir ziemlich sicher die Macher dieser Studie sind sich dessen bewusst und haben das berücksichtigt. Man muss sich schon ziemlich dumm anstellen um den Faktor nicht schon im Fragebogen wesentlich reduzieren zu können oder zumindest in die Fehlerrechnung mit einzubauen.

    3. Anscheinend argumentierst du einzig und allein an Hand eines Diagrammes. Man muss sich natürlich nicht die komplette Studie durchlesen. Dazu hat auch keiner normaler Mensch Zeit, der auch noch was von seiner Freizeit haben will (In diesem Fall müsste man sich sogar einzeln die verwendeten Studien anschauen). Allerdings fehlt dir dann auch die Basis der Studie zu unterstellen sie hätten nicht sauber gearbeitet.

    Fazit:
    Soweit ich beurteilen kann ist das eine ziemlich umfangreiche Studie aus seriöser Quelle und der Index ist im Rahmen seiner Möglichkeiten anerkannt und aussagekräftig. Wenn die Ergebnisse einer solchen Studie den eigenen Erfahrungen widersprechen kann das zwar Ausgangspunkt sein misstrauisch zu sein und sich näher mit der Studie auseinander zu setzen. Aber nur zu sagen “Das bezweifel ich” und sich schnell einen Grund auszudenken warum die Zweifel gerechtfertigt sein könnten ohne ihn zu überprüfen.

    Das ist zu plump.

    Kleiner Link zur Methodik (CPI 2010): https://www.transparency.org/content/download/55903/892623/CPI2010_long_methodology_En.pdf

  9. #9 cydonia
    10. Dezember 2011

    @der Bo
    Im Prinzip hast du natürlich recht. Der Gedankengang ist aber deswegen nicht ganz korrekt, weil du annimmst, dass ich die Studie an sich in Bausch und Bogen verdamme, was ich aber definitiv nicht tue. Ich habe lediglich zu bedenken gegeben, dass es schwierig sein dürfte, die Perzeption adäquat zu messen und einzuschätzen. Und ich bleibe auch dabei, nachdem ich mich etwas näher mit der Methodik befasst habe.

  10. #10 Joseph Kuhn
    10. Dezember 2011

    Ist der in der Grafik dargestellte Zusammenhang nicht trivial? In unterentwickelten Ländern ist auch das Rechtssystem unterentwickelt. In Geschäftsbeziehungen kann man daher nur bedingt auf das Rechtssystem vertrauen und vertraut lieber auf direkte soziale Verbindlichkeiten, z.B. Verwandtschaftsbeziehungen, Korruption etc.?

  11. #11 cydonia
    10. Dezember 2011

    Das mit dem Rechtssystem ist eine gute und wichtige Bemerkung. Nur kann man Unterentwicklung und fehlendes Rechstssystem nicht ganz so einfach in Verbindung bringen. “Fehlende demokratische Strukturen” fände ich besser als “Unterentwicklung”.

  12. #12 Joseph Kuhn
    10. Dezember 2011

    Nur kann man Unterentwicklung und fehlendes Rechstssystem nicht ganz so einfach in Verbindung bringen

    Dazu wäre z.B. zu prüfen:
    1. Gibt es im Sudan (in der Grafik ein Beispiel aus dem linken unteren Bereich) ein ausdifferenziertes Handels-, Gewährleistungs-, Haftungsrecht etc.?
    2. Gibt es dort ausreichend Rechtsanwälte und Gerichte, die bei Verstößen gegen Rechtsvorschriften oder Verträge helfen?
    3. Ist man es dort gewohnt, sich auf ein quasi “unsichtbares” rechtliches Regelsystem zu verlassen, oder vertraut man lieber dem, was man selbst im sozialen Nahbereich vereinbart und abgesichert hat?

    Korruption und Demokratie scheint mir noch einmal eine eigene Debatte zu sein. Fehlende demokratische Strukturen gibt es auch in entwickelten Staaten, siehe z.B. die Diktaturen auf deutschem Boden. Wäre interessant, wie die auf der Korruptionsskala abgeschnitten hätten.

  13. #13 cydonia
    11. Dezember 2011

    @Joseph Kuhn
    Genau der Gedanke, dass es fehlende Rechtssysteme eben auch in entwickelten Staaten gibt, lag meinem Gedankengang zugrunde. Und wenn ein funktionierendes Rechtssystem fehlt, hat das meistens mit den politischen Strukturen zu tun, und nicht notwendigerweise etwas mit dem Entwicklungsstand allgemein.
    Wobei auch hier zu bedenken wäre, wie sich ein politisches System auf die Entwicklung einer Gesellschaft auswirkt.
    Und ich stimme der Aussage zu, dass die dargestellten Zusammenhänge ohne vertiefende Diskussion trivial sind.

  14. #14 Joseph Kuhn
    11. Dezember 2011

    @ cydonia: Man müsste die Studie selbst mal lesen (was ich nicht getan habe). Vielleicht kommt “Korruption” im Sinne des direkten Austausches von Gefälligkeiten auch deswegen in unterentwickelten Ländern häufiger vor, weil in den entwickelten Ländern sachfremde Einflussnahmen auf öffentliche und geschäftliche Entscheidungen eher in weniger unmittelbaren Formen ablaufen, z.B. über Kartellabsprachen, Parteispenden usw. – was die Frage aufwirft, wie das ggf. methodisch in der Studie berücksichtigt wurde.

  15. #15 Sigmund
    11. Dezember 2011

    Mmh, Da wäre zu klären: Was ist korruption?
    Also, Riester, Raffelhüschen, Koch, Kohl, Kanther, Schily, Schäuble, Schlauch, Merz, Helmut Kohl usw., das ist (jedenfalls für mich) alles Korruption.
    Aber diese politische Korruption mißt TI nicht.

    Alternativ könnte man auch zynisch sagen:
    Was dort der Bakschisch, ist bei uns Provisionen für Banken und Rechtsanwaltskanzleien.

  16. #16 Christina
    12. Dezember 2011

    @Joseph Kuhn:
    Mehreres an diesem Plot finde ich etwas merkwürdig, deshalb hab ich mir mal die Sachen auf Transparency International direkt angeschaut. Als wissenschaftliche Arbeit würde das glatt durchfallen…
    Der “percieved corruption index” beruht auf Befragungen, die von 13 verschiedenen Einrichtungen gesammelt wurden (die Liste ist hier unter Punkt 5). Die gestellten Fragen waren aber sehr unterschiedlich für die jeweiligen befragten Institutionen: Manche fragen nach politischer Korruption oder dem Schutz von Leuten die Skandale aufdecken, oder nach wirtschaftlicher Korruption oder – mein Favorit – die einfache Frage “Bribing and corruption: Exist or not exist?”
    Nach Angaben von TI wurden nur solche Staaten in die Liste aufgenommen, von denen es mindestens 3 Datenpunkte (=Meinung eines Instituts) gab. Es ist aber 1. nicht gerade unerheblich, auf welchen Fragen diese 3 Datenpunkte beruhen und 2. ob ein Land die volle Liste hat oder gerade mal die 3 Datenpunkte schafft! Die Rohdaten sind aber leider für den durchschnittlichen Bürger nicht einsehbar, wenn man den links im pdf folgt, findet man daß die allermeisten hinter einer Bezahlschranke stehen.

    Übrigens, hat jemand eine Ahnung was die rote Linie in dem Plot sein soll? R^2=56% sagt mir jetzt nichts, vielleicht ist das bei Sozialwissenschaftlern üblich..? Ist das ein Mittelwert oder ein Modell für Korruption vs. Wohlstand? Es scheint ja zumindest so zu sein, dass Armut zwar meistens hohe Korruption bedeutet, aber andererseits wohlhabende Länder sehr oder überhaupt nicht korrupt sein können. Wohlstand erhöhen heißt also nicht unbedingt Korruption zu eliminieren.
    Interessant finde ich auch die Position von Spanien, da würden ich sehr gerne die Rohdaten und die Fragen interessieren. Mag sein, daß die Korruption hier nicht so wahrgenommen wird, aber was im Zuge der Eurokrise so alles herauskommt, da sollte Spanien eher irgendwo bei Italien und Griechenland sein. Vor allem politische Korruption und Ämter-/Joberschleichung, da steht Spanien Griechenland nicht viel nach. Und was in der Baubranche so alles gelaufen ist, oh weia…!