Sphären, orthogonale und unitäre Gruppen, Geodäten und Bott-Periodizität.
Letzte Woche hatten wir uns überlegt, wie für eine Fläche F der Raum ΩF aller Wege von p nach q aussieht. Als technisches Hilfsmittel, um Morse-Theorie auf dem Wege-Raum betreiben zu können, benutzte man dabei eine Riemannsche Metrik, bzgl. der p und q nicht konjugiert sind. (Durch eine kleine Störung der Metrik kann man letztere Bedingung immer erreichen.)
Mit ähnlichen Methoden kann man oft auch den Wege-Raum für konjugierte Punkte bestimmen und das hat einige spektakuläre Anwendungen in der (höher-dimensionalen) Topologie, nämlich z.B. den Freudenthalschen Suspensionssatz und den Bottschen Periodizitätssatz.
Im folgenden bezeichnet πiX die i-te Homotopiegruppe eines Raumes X, wie wir sie in TvF 192 mal definiert hatten. Um für geschlossene Mannigfaltigkeiten M,N zu beweisen, dass eine stetige Abbildung f:M—>N eine Homotopieäquivalenz ist, genügt es zu überprüfen, dass man einen Isomorphismus für alle Homotopiegruppen erhält – das folgt aus einem Satz von Whitehead.
Weiterhin bezeichnet im folgenden ΩM den Raum aller Wege von p nach q (auf einer Mannigfaltigkeit M). Wir werden benutzen, dass πiiM=πi+1ΩM – das lässt sich leicht mit der Spektralsequenz der Wegeraum-Faserung beweisen.
Der allgemeine Ansatz, um den Wege-Raum ΩM zu zwei konjugierten Punkten p und q zu untersuchen: man betrachtet den Unterraum ΩminM aller minimalen Geodäten von p nach q. Mittels Morse-Theorie kann man beweisen, dass die Inklusion ΩminM—>ΩM einen Isomorphismus der Homotopiegruppen πi für i≤λ-2 gibt. (λ ist die minimale Anzahl konjugierter Punkt für nicht-minimale Geodäten von p nach q.)
Geodäten auf der Sphäre und Freudenthal-Suspension
Seien also p und q zwei antipodale Punkte auf einer n-dimensionalen Sphäre Sn. Offensichtlich ist die Menge ΩminSn der kürzesten Geodäten dasselbe wie der Äquator Sn-1. (Jede kürzeste Verbindung schneidet den Äquator in einem Punkt.)
Für die Inklusion von ΩminSn in ΩSn (den Raum aller Wege von p nach q) kann man dann also mit Morse-Theorie zeigen, dass sie einen Isomorphismus der Homotopiegruppen πi für i≤2n-4 gibt.
Damit bekommt man πi-1Sn-1=πi-1ΩminSn= πi-1ΩSn=πiSn für i≤2n-4. Dieser isomorphismus ist der Freudenthalsche Suspensionssatz, ein grundlegender Satz in der Homotopietheorie (der natürlich auch andere, topologischere Beweise hat).
Geodäten auf U(n) und Bott-Periodizität
Mit U(n) bezeichnet man die Gruppe der unitären nxn-Matrizen. SU(n) ist die Untergruppe der unitären Matrizen mit Determinante 1.
Analog zur Sphäre kann man auch hier die Wege von I nach -I betrachten. Die Menge der minimalen Geodäten in SU(2m) ist in diesem Fall dasselbe wie die Grassmann-Mannigfaltigkeit G(m,C2m). Man bekommt (analog wie oben bei den Sphären) hier einen Isomorphismus πiG(m,C2m)=πi+1SU(2m) für i≤2m.
(Und für i≠0 ist πi+1SU(2m)=πi+1U(2m).)
Andererseits ist die Grassmann-Mannigfaltigkeit ein symmetrischer Raum G(m,C2m)=U(2m)/U(m)xU(m), woraus man (mit der langen exakten Homotopiesequenz der Faserung) πiG(m,C2m)=πi-1SU(2m) herleiten kann, letztlich also πi+1U(2m)=πi-1U(2m) für i≤2m.
Letzteres Resultat (meist formuliert als πi-1U=πi+1U, für die aufsteigende unendliche Vereinigung U aller unitären Gruppen) ist der Bottsche Periodizitätssatz. Wegen π1U=0 und π2U=Z bekommt man damit also πiU=0 für ungerade i und πiU=Z für gerade i.
Es gibt einen analogen Satz für die Gruppe O der orthogonalen Matrizen: hier kann man πi-1O=πi+7O beweisen.
(Eine andere äquivalente Formulierung ist πiBO=πi+8BO, oder dass die Zusammenhangskomponenten von Ω8BO homotopie-äquivalent zu BO sind, oder mittels der in TvF 185 definierten (reellen) K-Theorie, dass KOi(X)=KOi+8(X) für alle Räume X ist. Die letztere Äquivalenz folgt aus KOi(X)=[ΣiX,BO]=[X,ΩiBO].)
Die Originalquelle für Botts Beweis ist seine 1959 veröffentlichte Arbeit, ein einfacherer Übersichtsartikel von Bott ist hier (oder natürlich Milnors Buch über Morse-Theorie.) Es gibt noch viele andere Beweise für Bott-Periodizität, die insbesondere den Zusammenhang dieses Satzes mit vielen anderen Gebieten zeigen. Zu den Anwendungen von Bott-Periodizität, die wir hier in der Reihe schon mal besprochen hatten, gehört die Nicht-Parallelisierbarkeit der n-dimensionalen Sphären für n≠1,3,7, siehe TvF 184, aus der sich dann ergibt, dass R,C,H und O die einzigen Divisionsalgebren sind.
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