Der Abschluss eines Pro/Hauptseminars und die verpflichtende Teilnahme an einer Vorlesung sollen genügen …
Heute mal nichts Neues zu den Entwicklungen an der Frankfurter Zauberschule dem “Institut für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften”, weder zu den für 10.000 Euro gekauften in einem 10.000 Euro teuren Kurs erworbenen Mastertiteln noch zu den auf Hartmut Müller und Global Scaling beruhenden Hartmut Müller zitierenden Masterarbeiten, sondern ein nicht ganz frisches Zitat aus einem IntraG-Newsletter von Ende 2009 zur seinerzeitigen Gründung des Instituts. Dieser Newsletter ist zwar auch auf anderen Blogs schon zitiert worden, aber ich finde den Text in seiner Gesamtheit einfach so unglaublich, daß ich ihn hier einmal komplett wiedergeben möchte. (Schon um ihn für die Nachwelt zu bewahren, falls die Viadrina demnächst vielleicht die IntraG-Seiten aus dem Netz nimmt.)
Also, IntraG-Newsletter Dez.2009, Punkt 5:
5. Die Doppelpromotion von Medizinern im Spiegel der Zeit – Ein Beitrag
von Florian MildenbergerBis 1864 war für Studierende der Medizin ein Vorstudium der Philosophie obligat.
Erst dann durften sie überhaupt Humanmedizin studieren. Viele der angehenden „Doctores” nutzten diese Vorbedingung, um auch noch ein Doktoratsstudium in Philosophie, Philologie oder einem naturwissenschaftlichen Fach abzuschließen.
Nach der Streichung des philosophischen Vorstudiums blieb es gleichwohl für angehende Ärzte aus gutem Hause eine Selbstverständlichkeit, auch in einem philosophischen Fach zu promovieren. Anschließend durfte man sich stolz „Dr. med. et Dr. phil.” nennen. Dies war auch die Voraussetzung dafür, in zahlreichen Zeitschriften überhaupt als Autor akzeptiert zu werden.
Am Charakter und Wert der Doppelpromotion änderte sich bis in die 1920/1930er Jahre wenig. Dann aber wurde das Medizinstudium gestrafft und zugleich erweitert.
Die Zahl der Studierenden stieg stark an, der Konkurrenzdruck nahm zu. Nach Inflation und Wirtschaftskrise waren viele Eltern auch nicht mehr in der Lage, ihren Söhnen und Töchtern zwei Studiengänge zu finanzieren; außerdem war es während der erweiterten medizinischen Ausbildung nicht mehr möglich, parallel noch Philosophie zu studieren. Die Anzahl der Doppelpromotionen ging stark zurück.
Das einzige Fach, in dem der Besitz von zwei Doktortiteln noch als obligat angesehen wurde, war die Medizingeschichte. Die Fachvertreter erwarteten von dem wissenschaftlichen Nachwuchs, dass er sowohl das medizinische Metier, als auch die Arbeitsweise der Geisteswissenschaften beherrschte und so als Arzt, Lehrer und Forscher geeignet war. Doch auch in der Medizingeschichte änderte sich dies seit den 1960er Jahren.
Es schien, als ob der „Dr. med. et Dr. phil.” zu einem Aspekt der Geistesgeschichte werden sollte. Spätestens 1985 war er der absolute Einzelfall.
Dies änderte sich Mitte der 1990er Jahre. Dafür gab es zwei Gründe:
1. Viele ältere Ärzte/Ärztinnen gingen in Pension und wollten auf ihre alten Tage noch ein Zweitstudium anhängen.
2. Eine noch geringe, aber allmählich zunehmende Anzahl an jungen Ärzten, die am Beginn ihrer Laufbahn standen oder nach einigen Jahren in einer Sinnkrise steckten, wollten das geisteswissenschaftliche Vakuum der aktuellen ärztlichen Ausbildung für sich beheben, den eigenen Horizont erweitern.
Die zweite Gruppe umfasst Personen, die nicht in Medizingeschichte promoviert haben, weil sie ihr Dissertationsthema eher an dem Arbeitsgebiet ausgerichtet hatten, in dem sie tätig sein wollten. Diese Personengruppe hofft zumeist nicht, ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt durch die Zweitpromotion zu erhöhen, denn das Abfassen von Monographien oder der Besitz geisteswissenschaftlicher Kompetenzen zählt im biomedizinischen Bereich eher wenig.
Gleichwohl ist es äußerst zu begrüßen und unterstützenswert, dass sich eine wachsende Zahl von Männern und Frauen der geisteswissenschaftlichen Wurzeln der Medizin besinnt und hierüber oder auf verwandten Gebieten arbeiten möchte.
Daher muss an dieser Stelle betont werden, dass die Teilnehmer des philosophischen/philologischen Zweitstudiums häufig nebenher arbeiten und man an ihre Abschlussarbeiten nicht die Maßstäbe anlegen darf, die gemeinhin an geisteswissenschaftliche Doktoranden gestellt werden. Der Abschluss eines Pro/Hauptseminars und die verpflichtende Teilnahme an einer Vorlesung genügen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Wer dann noch dabei ist, will wirklich die Zweitpromotion und ist bereit dafür, nach seinen Möglichkeiten zu forschen.
Es ist zudem nicht zu befürchten, dass mit einem zusätzlichen Dr. phil. versehene Ärzte nach ihrem Abschluss in großem Stil das Publizieren anfangen und so eventuell nicht ganz so herausragende Dissertationen in Aufsatzform „unters Volk” gebracht werden und auf diese Weise der Ruf der Universität beschädigt wird. Dies verhindern einerseits die strengen peer-review-Regeln deutschsprachiger Zeitschriften und andererseits stehen dem die Arbeitszeiten voll im Berufsleben stehender Ärzte entgegen.
Die Förderung von Ärzten, die auf geisteswissenschaftlichem Gebiete eine Promotion anstreben, ist daher aufs Äußerste zu begrüßen. Dies dient auch der Hervorhebung des interdisziplinären Charakters von Studiengängen und Hochschulen.
(Die farbliche Hervorhebung des drittletzten Absatzes stammt von mir und ist im Original nicht vorhanden.)
Also, um es kurz zusammenzufassen: hier sollte für einen vermutlich nicht unerheblichen Betrag (wie gesagt, 10.000 Euro kostete schon der Master, eine Promotion sollte um einiges teurer sein) gutverdienenden Ärzten die Möglichkeiten gegeben werden, einen Doktortitel in Philosophie zu erwerben. Einzige Voraussetzungen dafür: die Teilnahme an einem Pro/Hauptseminar und die “verpflichtende” Teilnahme an einer Vorlesung.
Nun handelt es sich hier natürlich nur um Planungen oder Absichtserklärungen, die bisher nicht umgesetzt wurden und in Anbetracht der neueren Entwicklungen sicher auch nicht mehr umgesetzt werden werden.
Trotzdem lohnt es sich einmal kurz darüber nachzudenken, was sich den Universitäten da an neuen Finanzierungsmodellen eröffnet. Mathematik-Fachbereiche könnten den sich in einer Sinnkrise befindenden Anlage- und Investmentberatern eine Promotion über philosophische und ethische Aspekte der Finanz-Mathematik anbieten, sozusagen als eine Art moderner Ablaßhandel. Oder … oder … oder… Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Warum gibt der Staat eigentlich Geld für Universitäten aus, wenn diese sich doch über ihr Promotionsrecht auch selbst finanzieren können?
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