Dichtung und Wahrheit

Im Korea Herald (einer von drei englisch-sprachigen Zeitungen hier in Korea) wird heute natürlich auch ausführlich über die neuen Entwicklungen am CERN berichtet.
Ein Artikel befaßt sich dabei auch mit der Entstehung des Namens “Higgs-Boson” – dieser soll auf den koreanisch-stämmigen Physiker Whi-Soh Lee (außerhalb Koreas bekannt als Benjamin W. Lee) zurückgehen:

The Higgs boson was first proposed by six physicists including British scientist Peter Higgs in 1964.

However, it was Lee who actually named the particle Higgs boson and explained the mechanism of it, which still had been vague and unclear at that time.

Lee coined the term while presenting a paper at an international physics conference in 1972.

Die Arbeit, die hier gemeint ist, ist wohl “Renormalizable Massive Vector-Meson Theory-Perturbation Theory of the Higgs Phenomenon”, veröffentlicht 1972 in Phys. Rev. D

Paradoxerweise ist Lee heute in Korea weniger als Teilchenphysiker denn als Romanfigur bekannt. Der Schriftsteller Jin Myeong Kim hatte 1993 mit 무궁화 꽃이 피었습니다 (“Die Mugunghwa hat geblüht” – Mugunghwa ist die koreanische Nationalblume) einen Rekord-Bestseller (4,5 Millionen verkaufter Bücher in Korea, 1995 verfilmt). Das Buch gilt als dezidiert anti-japanisch, laut Wikipedia geht es im Roman um den Bau einer koreanischen Atombombe und deren Abwurf über Japan. Der Physiker, welcher im Roman die Bombe entwickelt, hat den Namen und die Biographie von Whi Soh Lee, der seitdem offenbar auch in vielen anderen mit dem Bau einer koreanischen Atombombe zusammenhängenden Verschwörungstheorien die Hauptrolle spielt. (Zum Beispiel wird sein Unfalltod mit dem CIA in Zusammenhang gebracht.)

In Wirklichkeit war Lee schon als 18-jähriger 1953 in die USA ausgewandert und blieb dort bis zu seinem Tod (1977 durch einen Verkehrsunfall). Seine einzige Verbindung zur koreanischen Wissenschaftspolitik war die zeitweilige Mitarbeit an Uni-Lehrplänen für naturwissenschaftliche Studiengänge (laut Wikipedia beendete er seine Mitarbeit aus Protest gegen die damalige Militärdiktatur) und offensichtlich haben seine Grundlagenforschungen zur Elementarteilchen-Physik keinen direkten Bezug zum Bau von Atombomben. (Quelle)

Kommentare (7)

  1. #1 Georg Hoffmann
    6. Juli 2012

    Super Story. Und haben die Suedkoreaner jetzt eigentlich auch eine oder nicht? Eher nicht, oder?

  2. #2 rolak
    6. Juli 2012

    ts-ts-ts Aber Georg, wie denn, wenn der Mann schon mit 18 das Weite gesucht hat? 😉

  3. #3 Georg Hoffmann
    6. Juli 2012

    @rolak

    Vielleicht war es ja eine ganz kleine Bombe?

  4. #4 Klaus
    7. Juli 2012

    Wenns nach Lesch geht, darf man auch ruhig Scheißteilchen sagen!

  5. #5 rank zero
    9. Juli 2012

    Der Romantitel bezieht sich übrigens nicht nur auf die Nationalblume – es ist vor allem ein Sprachspiel mit einem koreanischen Kinderspiel, bei dem man still auf der Stelle verharren muss, bis man nach einer Berührung mit der Formel “Die Mugunghwa hat geblüht” erlöst wird (s. z.B. dieses YouTube-Beispiel).

  6. #6 Joe Dramiga
    12. Juli 2012

    Wie das Boson zu seinem Namen kam: Das Boson ist nach Satyendra Nath Bose (1894-1974) benannt. Der gleiche Bose vom Bose-Einstein-Kondensat.
    Die anderen fuenf Physiker neben Higgs sind: Francois Englert, Robert Brout, Gerald Guralnik, CR Hagen und Tom Kibble.

  7. #7 Thilo
    12. Juli 2012

    Klar, die Bezeichnung “Boson” geht auf Dirac zurueck, der es 1945 nach Bose benannte. Aber das “Higgs” im Higgs-Boson hat wohl 1972 Lee als Namen eingefuehrt.