“Mathe brächte Deutschland bei Olympia auf Platz 5” titelte die Online-Ausgabe der Welt über diesem Artikel vom 17.August.
Es geht um die Rangliste der Olympischen Spiele von London:
Selbst bei simplen Fragestellungen kann es von der Methodik abhängen, zu welchem Ergebnis ein Wissenschaftler kommt. […] Ein aktuelles Beispiel aus der Welt des Sports soll illustrieren, was unterschiedliche Auswertemethoden bewirken können. Normalerweise ist es so, dass beim olympischen Ranking der Nationen die Zahl der Goldmedaillen maßgeblich ist. Erst bei Gleichstand entscheidet dann der Vergleich bei den Silbermedaillen und – falls es auch dort pari steht – schließlich bei den Bronzemedaillen.
Nach diesem Schema werden die ersten sechs Plätze der Spiele von London belegt von den USA, China, Großbritannien, Russland, Südkorea und Deutschland. […] Doch auch andere plausible Rankings sind denkbar. […] Ein naheliegender Ansatz wäre, Goldmedaillen mit drei Punkten, Silber mit zwei und Bronze mit einem Punkt zu gewichten. Addiert man dann alle Punkte auf, erhält man – in aller Regel – eine andere Nationenreihenfolge im Ranking.
[…] Zum einen würde Großbritannien von Russland überholt, das dann auf Platz drei liegen würde. Zum anderen würde Deutschland von Rang sechs auf fünf aufrücken und Südkorea hinter sich lassen.
Es wird dann auch noch ein FH-Professor zitiert (immerhin kein Mathematiker, sondern ein BWLer), der den Medaillenspiegel ungerecht findet, weil er die Goldmedaillen überbewerte.
Ja, fragt man sich da natürlich, warum ist da bisher niemand drauf gekommen und warum muß erst die Welt jetzt diese Ungerechtigkeit aufdecken?
Ich meine mich zu erinnern, dass früher (jedenfalls in der DDR-Presse) eine so berechnete Länderwertung an jedem Olympia-Tag aktualisiert in der Zeitung stand. Dabei wurden sogar nicht nur die Medaillen gezählt, sondern jeweils die 6 Erstplazierten jedes Wettbewerbs. So gab es für einen ersten Platz 6 (oder 7?), für den zweiten Platz 5,…, für den sechsten Platz 1 Punkt, daraus ergab sich dann die veröffentlichte Länderwertung.
Ich weiß jetzt nicht, ob das damals die offizielle Länderwertung war oder nur von Fernsehen und Zeitungen so berechnet wurde. (Die Wikipedia-Artikel zu den damaligen Olympiaden haben einen Medaillenspiegel nach heutiger Rechenweise.)
Jedenfalls hatte diese damalige Zählweise den offensichtlichen Effekt, daß die Länderwertungen immer fast gleich aussahen: auf Platz 1 war stets die UdSSR, auf Platz 2 die DDR, auf Platz 3 die USA und auch auf den nächsten Plätzen gab es kaum Variationen.
Und eben dies, um hier wieder zum Thema des Artikels in WELT Online zurückzukommen, ist auch der offensichtliche Grund, warum eine Wertung nach Goldmedaillen “attraktiver” (im Sinne von weniger langweilig und mehr Spannung versprechend) als eine Zählung aller Medaillen oder gar aller Sechstplazierten ist: eine Zählung nach Goldmedaillen ermöglicht es auch kleineren Ländern mit ein paar Goldmedaillen in die Top 10 vorzustoßen – bei einer Zählung aller sechs Erstplatzierten wäre dies ganz offensichtlich nahezu unmöglich.
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