Ja, ich weiß, das ist eine Uraltmeldung.
Aber jetzt beim Aufräumen (wegen des Blog-Umzugs am kommenden Dienstag) bin ich noch auf diesen Artikel gestoßen, den ich mal hatte schreiben wollen und für den ich mir damals eine Zeitungsmeldung und vor allem einige YouTube-Videos zusammengesucht hatte.
Das Thema bot sich ja auch wirklich an für den Mathlog, drängte sich geradezu auf: wohl zum ersten Mal in der deutschen Rechtsgeschichte wurde die Richtigkeit einer mathematischen Theorie vor Gericht verhandelt.
Irgendwie war die Presse-Berichterstattung zum Prozeß, der im Februar zu Ende ging, dann aber nicht so ergiebig, jedenfalls habe ich den Artikel dann damals nicht geschrieben.
Worum es ging, man kann es noch in dem alten SZ-Artikel vom Januar 2011 nachlesen, kurz zusammengefaßt:
Es geht um Übertragung von Informationen mittels Quantenverschränkung und irgendwie hat alles auch mit Logarithmen und Fraktalen zu tun, Schlagwort “Global Scaling”. Bereits Anfang der 80er-Jahre bei Studien zum sowjetischen Raumfahrtprogramm im damaligen Leningrad stieß der (laut SZ Mathematker, nach anderen Quellen Philosoph) Hartmut Müller darauf, dass die Menschheit „in einer logarithmischen Welt” lebe. (Laut einem inzwischen gelöschten YouTube-Video will er zwischen 1982 und 1984 logarithmische Skaleninvarianz in den Häufigkeitsverteilungen diverser Teilchenkerne und Atome in Abhängigkeit von ihren Massen sowie in den Häufigkeitsverteilungen der Asteroiden, Monde, Planeten und Sterne in Abhängigkeit von ihren Orbitalelementengrößen und Massen entdeckt haben.)
2001 führte Müller vor Mobilfunkkritikern im Landratsamt von Bad Tölz den elektrosmogfreien Mobilfunk vor: er telefonierte mit einem Kollegen in St. Petersburg – allerdings weder über Festnetzanschluss noch über Handy. Er nutze die im Universum vorhandenen Gravitationswellen, doch die technische Umsetzung seiner Erfindung sei noch im „archaischen Zustand”.
2004 berichtete die Tageszeitung „Junge Welt” von einer ähnlichen Veranstaltung mit angeblich verbesserter Technologie an der TU Berlin, mit zwei Laptops, die nacheinander identische Zahlenkolonnen ausspucken. Währenddessen waren andere schon dabei, „Global Scaling”-Anwendungen gewinnbringend zu vermarkten. und hatten dazu 2003 in Nordzypern eine Gesellschaft zur Datensicherung im Internet gegründet, GSDI Cyprus Ltd. Ein Leipziger Anlageberater entwickelte das dazugehörige Finanzprodukt, es wurde eine durch den Verkauf von Lizenzen zu erwirtschaftende Patentrendite von 18 % im Jahr versprochen – festverbrieft und gesichert durch einen Einlagensicherungsfonds, den es freilich nicht gab. Die GSDI behauptete auch, dass sie ihre Technologie zur Datensicherheit beim Onlinebanking zusammen mit Microsoft entwickele. Microsoft dementierte.
Laut „Finanztest” hatten Anfang 2004 bereits 2750 Anleger neun Millionen Euro investiert. („Finanztest” warnte vor der Anlage.) 2008 kamen dann die Ermittlungen in Gang.
Soweit aus dem SZ-Artikel von Januar 2011. Der Prozeß dauerte dann recht lange, weil der Hauptangeklagte “Professor” Müller die Betrugsabsicht bestritt, weshalb das Gericht sich notgedrungen mit den naturwissenschaftlichen und mathematischen Aspekten des Themas auseinandersetzen mußte. Bekanntlich ist Müller inzwischen auf der Flucht, er wurde im Februar diesen Jahres in Abwesenheit zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilt.
Außer bei Psiram (die auch die Verbindungen zur medizinischen “Forschung” beleuchten) scheint das Urteil keine größere Medienresonanz gefunden zu haben. Eigentlich schade, wenn denn schon mal Mathematik vor Gericht verhandelt wird.
Jedenfalls hatte ich letztes Jahr mal einige Original-Videos auf YouTube herausgesucht. Von denen sind die meisten inzwischen gelöscht, aber eines existiert noch und das will ich dann doch nicht vorenthalten:
Im Video wirkt der Vortragende wie ein echter Mathematiker – gerade WEGEN der unprofessionellen und einschläfernden Präsentation. Ich schätze mal, das war auch der Grund, weshalb so viele Leute auf den Betrug hereingefallen sind 🙂
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