Spiegel Online berichtet über eine Studie, derzufolge arabische und slowenische Kleinkinder ein besseres Zahlenverständnis als englische oder deutsche aufweisen, weil in den Grammatiken ihrer Sprachen nicht nur zwischen Ein- und Mehrzahl, sondern zwischen Ein-, Zwei- und Mehralszweizahl unterschieden wird. (Wobei die Pluralbildung im Arabischen ohnehin eine Wissenschaft für sich ist und die Unterscheidung zwischen Zwei und Mehralszwei nach meiner Erinnerung nicht nur im Slowenischen, sondern auch im Russischen (Nachtrag: dort wird in der Regel nach letzter Ziffer, 1, 2-4 oder mehr als 4 unterschieden, die folgenden Beispiele sind Ausnahmen von der Regel) – два водителя und трех водителей, oder две парикмахерские und три парикмахеров, etc – und mutmaßlich in weiteren slawischen Sprachen vorkommt.)
Im Koreanischen gibt es wie im Chinesischen überhaupt keinen Plural (und auch sonst keine nennenswerte Grammatik). Bei manchen Worten wie “Mensch” kann man die Endung “-deli” anhängen um zu betonen, dass es sich um viele (“Leute”) handelt, aber das kommt eher selten vor. Ob sich das, wie in der PNAS-Veröffentlichung postuliert, auf das Zahlenverständnis auswirkt, keine Ahnung 🙂
Was kann man zum koreanischen Zählsystem sonst noch sagen?
Zunächst einmal, dass (wie in anderen asiatischen Sprachen) nicht die Tausend, sondern die Zehntausend die Basis des Zahlensystems ist und man demzufolge auch nicht unser System von Millionen, Milliarden etc. hat: eine Million sind Hundert Zehntausend, Hunderttausend sind Zehn Zehntausend und 100 Millionen sind Zehntausend Zehntausend. Dem Zahlensystem entsprechend denken die Leute natürlich auch in Zehntausendern, etwa bei Geldbeträgen. (Zehntausend Won sind etwa 7 Euro.)
Eher in die Kuriositätenkiste gehört, dass es zwar kein Analog zum europäischen “Dutzend” gibt, aber den Namen “eine Schachtel Eier” für die Zahl 30. Wer zum Beispiel 35 ist, kann sagen, er sei “eine Schachtel Eier und 5 Jahre” alt.
Das für den Lernenden erstmal komplizierteste ist aber, dass es im Koreanischen zwei Zahlsysteme gibt, das “alte” koreanische und das “neue” (seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. benutzte) chinesische. Und während man im Koreanischen sonst viele aus dem Chinesischen oder Englischen übernommene Worte völlig synonym zu den koreanischen verwenden kann, liegt bei den Zahlen die Sache anders: hier muß man genau wissen, in welchem Zusammenhang die chinesischen und in welchem Zusammenhang die koreanischen Bezeichnungen verwendet werden.
Als Faustregel gilt: koreanische Zahlen sind zu verwenden, wenn etwas gezählt wird, chinesische für Zahlen als feststehende Bezeichnungen (Jahreszahlen, Hausnummern, Preise). Das klingt einfach, ist aber in der Anwendung doch recht kompliziert. Bei der Uhrzeit etwa gibt man die Stunden in chinesischen Ziffern an (feststehende Bezeichnung), die Minuten aber in koreanischen, denn die werden schließlich gezählt.
Und was das ganze dann noch komplizierter macht: wenn etwas gezählt wird, dann muss (neben dem eigentlichen Substantiv, das vor der Zahl steht) noch ein Zählwort nach der Zahl (“Stück”) folgen. Also nicht “drei Ausländer”, “zwei Großväter” oder “drei Hunde”, sondern “Ausländer drei Stück”, “Großväter zwei Stück” oder “Hunde drei Stück”. Das schwierige dabei: es gibt nicht ‘ein’ Wort für Stück, sondern viele, je nachdem was gezählt wird: Menschen (“myeong” oder “saram”), Autoritätspersonen (“pun”) oder Tiere (“mali”). Und genauso auch für alle Arten von Gegenständen: das Zählwort für dicke flache Gegenstände (z.B. Bücher) ist ein anderes als für dünne flache Gegenstände (z.B. Briefmarken), nämlich “kwon” statt “jang”, Maschinen (z.B. Autos) werden mit “dae” gezählt, Blumen mit “songi”, und man kann nicht einfach 3 Bier bestellen, sondern “Bier 3 Flaschen” (“pyeong”), während Tassen mit “jan” zu zählen sind.
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