Der rbb hat am Montag letzter Woche eine interessante Diskussionsrunde “Wissenschaft und Medien im Gespräch” ausgestrahlt, die man sich auch online anschauen kann. Das Video läßt sich hier wohl nicht direkt einbetten, auf https://www.rbb-online.de/extra/rbb-science-scanner/beitraege/studiocampus.html steht es aber noch zur Verfügung.
Eine spannende Diskussion mit vielen pointierten Beiträgen für und gegen die Entwicklungen im Wissenschaftsjournalismus. Der Moderator zitiert zu Beginn einen Kollegen von WDR 5: “Unsere Überlebenschance als Öffentlich-Rechtliche ist nur, schlaumeierischer zu werden, also, selbst wenn die Leute unser Programm nicht mehr verstehen, ihnen das Gefühl zu geben, wenn sie bei uns zugucken, dann sind sie eben automatisch dadurch Mitglied einer Gemeinschaft von Klugen”. Der Kommunikationschef des Potsdamer GeoForschungsZentrums bemüht sich zwar erst um moderate Formulierungen, schimpft dann letztlich aber doch recht leidenschaftlich über die Berichterstattung zu Problemen beim Fracken (und später über den Zusammenhang von Dürre und Hungerkatastrophen in Afrika). Eine rbb-Mitarbeiterin zitiert eine lustige (weil unverständliche) Pressemitteilung, die sie am Vortag für die Abendschau bekommen hatte, ein Journalistikprofessor hält dagegen, er habe inzwischen mehr Angst vor den zu guten (weil zu viel versprechenden) als den zu schlechten (weil unverständlichen) Pressemitteilungen, manche der von Forschungsinstituten herausgegebenen Meldungen wären fast schon ein Fall für den Presserat. Der Vorstandsvorsitzende der Charité beschwert sich verbittert über die skandalisierende Berichterstattung zu einigen Ereignissen an seinem Klinikum (eine verschwundene Babyleiche, ein fünf Tage in der Toilette gelegener Toter – imho nicht wirklich zum Thema Wissenschaftsjournalismus gehörend und auch eher etwas larmoyant wirkend).
Soweit alles sehr interessant. Die Sendung hat aber noch eine Nachgeschichte, die allerdings dazu angetan ist, manches was in der Sendung über das Problem der Boulevardisierung des Wissenschaftsjournalismus (und die Neigung zur Skandalisierung) behauptet wurde, nachträglich zu bestätigen. Wenn man sich die Reaktionen im Netz, insbesondere auf der Seite der Wissenschafts-Pressekonferenz anschaut, dann geht es dort nicht um das, was in der Sendung gesagt und diskutiert wurde, sondern fast ausschließlich um die an einer Stelle der Diskussion vom HU-Präsidenten Olbertz genannte Zahl von 10 guten deutschen Wissenschaftsjournalisten. Riesen-Aufregung, der Verbandschef schreibt einen offenen Brief, auf den Olbertz dann mit einer Quasi-Entschuldigung und Relativierung antwortet, ein anderer Vertreter erörtert sehr ernsthaft die Schwierigkeit der Qualitätsbewertung im Journalismus, dazu noch diverse Tweets und Blogbeiträge.
Dabei hatte Olbertz eigentlich nur gesagt, “dass man eine Sache durchdrungen haben muss, wenn man sie vereinfachen will, d.h. man muß wissen, worin ihre Kompliziertheit besteht, um sie dann intelligent zu reduzieren. Wie ist es denn um die journalistische Sorgfalt und Freiheit und Verantwortung bestellt, wenn sie nach Quoten und Auflagen justiert wird? Was mach ich denn mit einem prekär beschäftigten freien Mitarbeiter, der dringend die nächste Story braucht? Und ich sage Ihnen mal eines voraus: wenn die zehn wirklich renommierten und guten Wissenschaftsjournalisten, die wir in Deutschland noch haben, wenn deren Stellen frei werden, bin ich ziemlich sicher, die werden ersetzt durch freie Mitarbeiter, die dann eben frei flottierend Geschichten immer wieder aufkochen.” Warum eigentlich die Aufregung?
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