Bei ZEIT Online möchte man uns die Evolutionstheorie bzw. deren Paradoxien mit folgendem Beispiel veranschaulichen:
A sei ein unfehlbarer Schütze, der immer trifft. B habe eine Treffer-Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent, trifft also im Schnitt acht Mal bei zehn Schüssen. C habe eine Treffer-Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent.
Es wird dann dargestellt, dass für jeden der drei Schützen die “Stärkster-Gegner-Strategie” die erfolgreichversprechendste ist: man sollte natürlich auf den besseren Schützen zuerst schießen, weil von diesem die größte Gefahr ausgeht.
Das Paradoxe dabei: wenn man (unter der Annahme, dass alle diese Strategie verfolgen) die Überlebenswahrscheinlichkeiten berechnet, dann sind diese für den stärksten Schützen 29%, für den zweiten 35% und für den schwächsten Schützen 36%.
Eigentlich nicht überraschend: wenn alle auf denselben schießen, ist der auch als erster tot, selbst wenn er der beste Schütze ist.
Das ist sicher ein gutes Beispiel zur Veranschaulichung eines Nash-Gleichgewichts und es ist natürlich auch eine interessante Wahrscheinlichkeitsberechnung und ein prägnantes Beispiel dafür, dass der (nach scheinbar objektiven Kriterien) “beste” nicht zwangsläufig der im Sinne der Evolution “fiteste” sein muß.
Als Gegenbeispiel für “survival of the fittest” taugt es aber eigentlich nicht. “Survival of the fittest” (das Überleben der am besten angepasste Individuen, hier der deutsche Wikipedia-Artikel) sagt nichts darüber, wer das am besten angepasste Individuum ist, sondern sagt nur, dass die am besten angepassten Individuen (und das sind nach Definition die mit der höchsten Überlebenswahrscheinlichkeit, im Beispiel also der schlechteste Schütze) dann als Art auch am ehesten überleben werden. Oder wie es S.J.Gould mal in einem populärwissenschaftlichen Buch auf den Punkt brachte: “those with a propensity to survive have a propensity to survive”. Der jeden seine 100% wissen lassende und sich dadurch zur Zielscheibe machende beste Schütze ist eben nicht der “fitteste” im Sinne der Evolutionstheorie.
Mit der prinzipiellen Funktionsweise der Evolution hat das ZEIT-Beispiel also eher weniger zu tun, aber natürlich schon mit der Frage, wie man “fitness” eigentlich bestimmt. Wobei (was ich jetzt aber nicht nachgerechnet habe) ich vermuten würde, dass im selben Modell bei größeren Bevölkerungszahlen die Chancen der guten Schützen noch weiter sinken dürften.
Hier der Link zum Artikel.
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