Der Abelpreis (mit gut 106$ der höchstdotierte Mathematikpreis) geht dieses Jahr an Yakov Sinai.
Der Abelpreis wird jährlich von der Norwegischen Akademie der Wissenschaften vergeben. (Er gilt als eine Art Ersatz dafür, daß es keinen Nobelpreis für Mathematik gibt. Über die Gründe, warum Nobel keinen Mathematik-Nobelpreis stiftete, gibt es viele anekdotische Erklärungen, die aber nach allgemeiner Meinung alle in das Reich der Fabel gehören.)
Die Verleihung findet Ende Mai in Oslo statt.
Sinai arbeitet auf dem Gebiet der dynamischen Systeme, insbesondere im Zusammenhang mit Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie. In seinen ersten Arbeiten hatte er den aus der Wahrscheinlichkeitstheorie (und ursprünglich der Thermodynamik) bekannten Entropie-Begriff auf maßerhaltende dynamische Systeme angewandt, die heute so genannte Kolmogorow-Sinai-Entropie. Die Entropie soll messen, wieviel Information man mit jedem neuen Schritt des dynamischen Systems erhält und die Definition als solche war (als Verallgemeinerung der Shannon-Entropie von Wahrscheinlichkeitsräumen) sicherlich recht naheliegend, aber erst Sinai gelang es zu zeigen, dass man mit dieser Definition eine interessante (und insbesondere nichttriviale) Invariante dynamischer Systeme erhält, indem er sie für dynamische Systeme auf dem Torus berechnete.
Ein anderer wesentlicher Beitrag zur Mathematik sind Sinai-Ruelle-Bowen-Maße, kurz SRB-Maße. Diese dienen sozusagen zur mathematischen Zähmung des Chaos: dynamische Systeme, die eigentlich chaotisch und damit unvorhersehbar sind, können jedenfalls wahrscheinlichkeitstheoretisch verstanden werden – auch wenn sich Orbits eines Punktes (wegen der instabilen Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen) numerisch nicht berechnen lassen, findet man zumindest eine Wahrscheinlichkeitsverteilung dafür, wie oft sich der Orbit langfristig in den einzelnen Bereichen eines Attraktors aufhalten wird. So wird es allgemein jedenfalls vermutet, bewiesen ist es zum Beispiel für Anosov-Diffeomorphismen.
Andere bekannte Arbeiten Sinai’s sind in der Theorie der Billards, also der Bewegung eines Punktes auf einer Riemannschen Mannigfaltigkeit mit elastischen Reflektionen am Rand. Er arbeitete vor allem über hyperbolische Billards, bei denen die Bewegung viele Gemeinsamkeiten mit dem geodätischen Fluss auf negative gekrümmten Mannigfaltigkeiten hat. Er bewies zum Beispiel, dass solche Billards (bei konvexem Rand) ergodisch sind und dass ihre periodischen Bahnen überall dicht liegen.
Die Begründung des Abelpreis-Komittees.
Populärwissenschaftliche Erklärungen zu Chaos, Billards, Entropie und dynamischen Systemen im Zusammenhang mit Sinai’s Werk findet man auf der Webseite des Abelpreises.
Informationen zur Vorgeschichte des Abelpreises findet man hier. Die bisherigen Preisträger seit 2003 sind:
2003 Jean-Pierre Serre (Frankreich): Homotopietheorie, Algebraische Geometrie
2004 Michael Atiyah (GB), Isadore Singer (USA): Globale Analysis
2005 Peter Lax (USA): Partielle Differentialgleichungen, Streutheorie
2006 Lennart Carleson (Schweden): Harmonische Analysis, Dynamische Systeme
2007 Srinivasa Varadan (Indien): Wahrscheinlichkeitstheorie, Große Abweichungen
2008 Jacques Tits (Belgien), John Thompson (USA): Gruppentheorie
2009 Michael Gromov (Frankreich): Riemannsche und Symplektische Geometrie, Geometrische Gruppentheorie
2010 John Tate (USA): Algebraische Zahlentheorie, Elliptische Kurven
2011 John Milnor (USA): Differentialtopologie
2012 Endre Szemeredi (Ungarn): Graphentheorie
2013 Pierre Deligne (Belgien): Algebraische Geometrie
Kommentare (15)