Die Überschrift habe ich mir nicht selbst ausgedacht, sie stammt aus dem Bildungsmagazin News4teachers und gemeint ist wahrscheinlich der Edelrechner-Streit und nicht der Edel-Rechnerstreit 🙂

Es geht darum, dass ab kommendem Schuljahr grafikfähige Taschenrechner zur Pflichtausstattung der Schüler an Gymnasien in Nordrhein-Westfalen gehören sollen. (Die ursprünglich vom Schulministerium geplante Zwangsanschaffung war zwar im April gekippt worden, jedoch können jetzt die Schulen selbst entscheiden, ob sie die grafikfähigen Taschenrechner zur Pflicht machen.) Dagegen wird mit verschiedenen Begründungen argumentiert. Zunächst einmal der Preis, um die 100 Euro. Natürlich kommt auch die Befürchtung, die Schüler würden das Selberrechnen verlernen, außerdem könne man mit den Geräten leichter bei Prüfungen betrügen. Umgekehrt wird argumentiert, die grafikfähigen Taschenrechner seien schon wieder überholt, an der Uni oder im Berufsleben benutze sie ohnehin niemand.

Den letzten Punkt würde ich bestätigen: ich kenne keinen Mathematiker, der ein solches Gerät benutzt. Wenn man etwas programmieren, ausrechnen oder zeichnen will, verwendet man SAGE oder andere im Internet verfügbare Software.

Vernünftig klingt da der Vorschlag der Piraten-Fraktion im Landtag, ‘kostenlose Mathematik-Software als Alternative zu «Edeltaschenrechnern» zu erproben’. Ich habe nicht den Überblick, ob wirklich alles, was man für die Schulmathematik benötigt, schon als frei verfügbare Software existiert, aber in jedem Fall dürfte das nur eine Frage der (kurzen) Zeit sein.

Die einzelnen Erlasse findet man hier. Ich habe im Internet noch keine Informationen darüber gefunden, wieviele Schulen nun tatsächlich ab August grafikfähige Taschenrechner zur Pflicht machen wollen und welche Schulen andere Software benutzen.

Kommentare (14)

  1. #1 volki
    4. Juli 2014

    Vernünftig klingt da der Vorschlag der Piraten-Fraktion im Landtag, ‘kostenlose Mathematik-Software als Alternative zu «Edeltaschenrechnern» zu erproben’.

    Soweit ich es weiß, wird z.B. in Österreich in vielen Schulen das
    GeoGebra System verwendet und anscheinend auch sehr verbreitet in Argentinien (siehe hier):

    Heute ist Geogebra auf rund drei Millionen Netbooks vorinstalliert, die die argentinische Regierung im Vorjahr allen Schulen kostenlos für den modernen Unterricht zur Verfügung stellte.

    Ich muss gestehen, selber keine Erfahrung mit dem Programm zu haben und kenne es selber nur aus Erzählungen von Kollegen oder Bekannten. Ich selber benutze auch hauptsächlich Sage. Meiner Meinung nach ist Sage aber nicht gerade für den Schulunterricht geeignet, eher erst ab Hochschulniveau.

  2. #2 Thilo
    4. Juli 2014

    Das ist sicher richtig, ich hatte nur sagen wollen, dass an Hochschulen grafikfähigfähige Taschenrechner eigentlich keine Rolle spielen.

  3. #3 DeLuRo
    4. Juli 2014

    Nicht ganz verstanden habe ich, ob es ein bestimmter Rechner ist, der angeschafft werden sollte, so wie wir damals im Gymnasium einen Aristo-Rechenschieber anschaffen mussten. Sinnvoll wäre es, da der jeweilige Lehrer sicher auch nur einen Rechnertyp beherrschen kann und will, um ihn dann später den Schülern erklären zu können.

    Da sehe ich auch das Problem: die Bedienung muss den Möglichkeiten der recht kleinen, aber stark belegten Tastatur folgen, das Handbuch umfasst viele Seiten, und für ein Kachel-wischendes oder mäuseschiebendes Window-klickendes Volk dürfte es eine ziemliche Umstellung sein, alleine die Eingabe zu erlernen. Möglicherweise überdeckt der Aufwand zum Erlernen der Bedienung das eigentliche Ziel, nämlich mit grafischen Funktionsausgaben zu hantieren.

    Vielleicht wäre eine App auf einem Tablet oder Smartphone die bessere Lösung, da den meisten irgendwie näher. Wenn dieses Problem nicht wäre, verstehe ich auch das Preisargument nicht. Neulich habe ich einen grafischen No-name-Rechner für 6 Euro erstanden, mit deutlich größerem Tastaturumfang, aber auch kleinerem Display, wie der oben abgebildete Rechner. Als fast 50-jähriger mit Programmiererfahrung habe ich keine Probleme, den Rechner mit knappem Nachschlagen zu verstehen, aber ich sehe doch, dass das für einen 15-jährigen ganz andere Hürden sind. Das hängt aber nicht vom Preis ab, sondern von der Komplexität der Materie, und die sollte für alle Rechner gleich sein.

  4. #4 BerndB
    4. Juli 2014

    Man könnte doch einfach auch das Smartphone als Taschenrechner nehmen. Das braucht man sich dann nicht mehr anzuschaffen, weil es eh schon fast jeder Jugendliche hat.

  5. #5 MartinB
    4. Juli 2014

    Ist bei uns in Niedersachsen Gang und Gäbe, die Schulen entscheiden, welches System gekauft wird (waren freundliche 200Euro bei uns…)
    Dafür sind die Dinger dann so komplex, dass es nicht wirklich einfach ist, damit umzugehen (zumindest sind sie alles andere als selbsterklärend, was bedeutet, dass man eigentlich immer ein Handbuch braucht, wenn man die Schritte nicht exakt auswendig lernt – und das wiederum ist nicht soo praktisch, wenn die Dinger auch in Klausuren eingesetzt werden sollen…)

    @BerndB
    Außer vielleicht so Hartz-IV-Leuten und so – nicht jeder, der aufs Gymnasium geht, hat wohlhabende Eltern…

  6. #6 DeLuRo
    4. Juli 2014

    Das Smartphone oder Tablet ist da, was fehlt, ist eine vereinheitlichte App, die alle drei großen Betriebssysteme (Android, iOS, Win-Phone) bedient, den geforderten Funktionsumfang bietet und von den Schulen und den Schülern akzeptiert wird. Die Diskussion von “notwendiger Funktionsumfang” und von “von allen Schulen akzeptiert” dürfte das Problem sein, ansonsten wäre das eine schöne Marktlücke.

  7. #7 Hobbes
    4. Juli 2014

    Kleiner Erfahrungsbericht:
    Bei uns (NDS) wurde der auch eingeführt und kann nur davon abraten. Auch wenn der TI-89 nen geiles Teil ist und ich den heute gerne benutze.
    Aber: Das mit den Betrügen stimmt. In der 11. Klasse hat nen Kumpel nen Programm für die Stochastikrechnungen geschrieben. Das hatten wir beide aufm Rechner und hatten die Klausur somit nach 15 Minuten fertig.
    Dann: Das mit dem Rechnen nicht lernen stimmt.
    Ich konnte zwar Integrale Matrizen etc. alles mit dem Taschenrechner lösen, als im Studium das aber per Hand vorausgesetzt wurde war ich aufgeschmissen. Ich durfte mit vielen anderen den Abistoff in 6 Wochen noch einmal neu lernen. (Neben den ganzen Kram der in Mathe vorausgesetzt wurde den man gar nicht in der Schule hatte.)

    In vielen Bereichen ist der Taschenrechner einfach Gold wert. (Es gibt sogar eine TI-89 App fürs Smartphone) Gerade die graphische Darstellung kann sehr viel zum intuitiven beurteilen von Ergebnissen beitragen.
    Denn auch wenn ich in vielen Bereichen etliches im Studium nachholen musste, hatte ich doch immer ein sehr gutes Gefühl dafür ob die Lösung passen kann oder nicht. Eben weil man sich dieses graphische Denken auch angewöhnt.

    Aber insgesamt kann ich nur davon abraten.

  8. #8 DeLuRo
    4. Juli 2014

    @Hobbes: Wenn es eine TI89-App fürs Smartphone und alle Systeme gibt, wäre das doch die Lösung. Der Rechner ist eigentlich ein Minicomputer, 68000-er Prozessor, TI-Basis, Assembler, erheblicher Speichergröße samt Flash… Nur die Tastatur ist bei dieser Variante etwas klein geraten. Vielleicht liegt hier auch das Problem, da so ein Teil denjenigen Vorteile gibt, die sich damit vorbereitend auseinandersetzen können und wollen.

    Es stimmt schon, es geht um das Verständnis der mathematischen Strukturen und des Rechenhandwerks, das erlernt werden soll. Die Rechnerprogrammierung ist Mittel zum Zweck — und für manche aber auch Hobby. Ich habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass die Mathematik aus dem Leistungskurs der letzten drei Gymnasialjahre an der Uni in einem Semester durchgezogen wird (in mehreren verschiedenen Vorlesungen/Kursen). Diese Inhalte sollten das Ziel sein.

  9. #9 Thorsten
    5. Juli 2014

    Die ursprünglich vom Schulministerium geplante Zwangsanschaffung war zwar im April gekippt worden, jedoch können jetzt die Schulen selbst entscheiden, ob sie die grafikfähigen Taschenrechner zur Pflicht machen.

    Von einer Entscheidung kann man derzeit nicht wirklich sprechen, wenn man faktisch nur eine Ankreuzmöglichkeit hat. Das Schulministerium ist auch im zweiten Ergänzungserlass dabei geblieben, dass die zukünftigen Abituraufgaben einen grafikfähigen Taschenrechner erfordern. Wählt man ein alternatives Konzept darf man dafür von den Eltern maximal die ca. 80 € fordern, die ein grafikfähiger Taschenrechner kosten würde. Ein eigenständiges Gerät bekommt man dafür aber nicht. Bliebe noch die Möglichkeit vorhandene Geräte zu nutzen. Da laut Erlass die Schüler die Geräte auch zu Hause verfügbar haben müssen, reichen schuleigene Systeme nicht aus. Möglich wären also Smartphones, Pads oder Notebooks, die die Schüler besitzen. Wer ein solches nicht besitzt, müsste wiederum alles, was über die 80 € hinaus geht, von der Schule finanziert bekommen. Zudem muss noch sichergestellt werden, dass man in Klausuren nicht pfuschen kann, was sich aber wohl bei schülereigenen Multimediageräten realistisch nicht verhindern lässt. Also müsste die Schule für soclhe Situationen vergleichbare schuleigene Geräte anschaffen. Die Gelder dafür dürften die wenigsten Schulen mittelfristig auftreiben können.

    Ich habe im Internet noch keine Informationen darüber gefunden, wieviele Schulen nun tatsächlich ab August grafikfähige Taschenrechner zur Pflicht machen wollen und welche Schulen andere Software benutzen.

    Meinem letzten Kenntnisstand nach arbeiten ca. 3% der Schulen schon jetzt mit alternativen Computeralgebra-Systemen, maßgeblich weil es dort eine Elternschaft gibt, die bereit ist, die Mehrkosten freiwillig zu tragen. Diese Schulen werden natürlich dabei bleiben. Die restlichen 97% werden wohl nächstes Jahr mit dem grafikfähigen Taschenrechner arbeiten.

  10. #10 C.E.
    5. Juli 2014

    Ich kam in den letzten Zügen der DDR in den Genuß, für die Schule einen Taschenrechner zu bekommen. Mit Bezugsschein. Wenn ich mich recht entsinne, 123 DDR-Mark, ein Haufen Geld. Graphik? – Fehlanzeige!
    Aber dieser Taschenrechner, der SR1, leistet heute noch seine Dienste.
    Später leistete ich mir einen Casio fx-992s, und der kann mehr, als ich benötige. Dieser verfügt auch über Stochastik-Funktionen. Aber im Ernst, nutzen würde ich diese nur, wenn ich es häufig rechnen muß und kein anderer Weg der Realisierung (Computer) zur Verfügung steht. Der Aufwand des “Prozeduren lernens” ist es nicht wert. Einfache Mittelwerte, Standardabweichungen habe ich schnell konventionell mit Zettel, Bleistift und Grundrechenarten durchgetippt…

    Graphikfähige TASCHENrechner in der Schule?!? In meinen Augen Käse… Visualisierung ist ein nettes Beiwerk. Aber muß das Prüfungsstoff sein? Liegen die Notwendigkeiten nicht an anderer Stelle?
    Ja, der gymnasiale Mathematikunterricht, vor allem im Leistungskurs Mathe, muß Zugriff auf Technik haben, die Graphik erzeugen. Muß diese graphische Abhängigkeit prüfungsrelevant sein? Nein!

  11. #11 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2014/07/04/euclid-the-game/
    5. Juli 2014

    Wenn es um Prüfungen geht, dann ist insbesondere jedes chat- und funkfähige System ein großes Problem; im Unterricht wohl auch jedes Smartphone.

    Als freie Software kenne ich Gnuplot, R, Openoffice-Calc aber da ich SAGE nicht kenne weiß ich nicht, wie es im Verhältnis zu diesen steht. 🙂 Mit entsprechenden Bibliotheken ist vielleicht jede Programmiersprache hier auch ein Kandidat.

  12. #12 Swanhild Bernstein
    20. Juli 2014

    Also aus meiner Sicht sind Taschenrechner, ob nun grafikfähig oder nicht in der Schule fehl am Platz. Schliesslich lernt man im Deutschunterricht auch nicht mit der Rechtschreibhilfe von word.

    Grafische Veranschaulichungen sind für das räumliche Vorstelungsvermögen sinnvoll, das können die Taschenrechner aber auch nicht.
    Die (automatische) grafische Darstellung führt dazu, dass die meisten Studierenden keine Parabel, keine e-Funktion (was ist exponentielles Wachstum) mehr zeichnen können. Wo liegen Polstellen, Nullstellen, ….
    Auch wenn vieles davon später selten gebraucht wird exponentiellen Wachstum (e-Funktion) oder Logarithmus (Abfall von Intensitäten, Dezibel (was ist wie laut) sind Dinge, die man auch im täglichen Leben gebrauchen kann.

    Mit geogebra kann man viel Geometrie veranschaulichen, auch Kurven und 3D-Darstellungen. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass man freeware Programme (z.B. Maxima oder auch Sage, Scilab, …) zum Berechnen auch im Informatik-Unterricht nutzen würde. Der Vorteil hier ist, dass es sich um programmieren und nicht einfach um eine schnelle Eingabe von Schlagworten handelt.
    Programme der einen oder anderen Art werden aber zumindest alle Ingenieure brauchen.

  13. #13 Peter Richter
    27. Juli 2014

    Die derzeit verfügbaren “Top-Modelle” im GTR-Bereich von Casio, TI und vielleicht noch Sharp sind in der Bedienung mehr als umständlich und die meisten Darstellungen unübersichtlich. Die etwas günstigeren nicht-farbdisplay-GTR dieser Firmen sind von der Darstellung im Schulbereich nicht zu gebrauchen. Es ist eine Strafe für jeden Schüler, der damit das Mathematik-Abitur bestreiten muss.
    Das Lernen, ein Gerät zu bedienen sollte nicht im Vordergrund stehen. Statt dessen sollte das Gerät eine Hilfe darstellen, um routinemäßige Berechnungen (die auch per Hand vollzogen werden könnten) zu beschleunigen.

    Ich sehe im zeitgemäßen Mathematikunterricht keine Alternative zu Computerprogrammen wie z.B. Geogebra. Es würde meines Erachtens aber völlig ausreichen, wenn die Kompetenz der Benutzung eines solchen Werkzeugs einmal pro Schuljahr in der Oberstufe nachgewiesen werden müsste. So würde auch die Berechnung “per Hand” nicht vergessen werden.

    Die Taschenrechner-Verpflichtung ist völlig realitätsfern und basiert vermutlich nur darauf, dass die Landesregierung von der Casio/TI-Lobby beeinflusst wurde. An einer mittelgroßen Schule werden ca. 100 Taschenrechner für je ca. 100€ angeschafft. Macht pro Jahr und Schule 10.000€, die die Eltern für ein Gerät bezahlen, das sie nach drei Jahren nicht mehr brauchen. Man sollte den Eltern lieber empfehlen, einen universell einsetzbaren Laptop zu kaufen (Verpflichtung ist nicht möglich, da lt. Erlass das Gerät nicht teurer sein darf als ein GTR)

    Wir werden im kommenden Jahr auf die CAS-Variante umsteigen und Geogebra nutzen. Das geht bei uns, weil wir mit der Anzahl unserer Geräte alle Schüler der Einführungsphase bei der zentralen Klausur im Mai 2015 ausstatten können.

    PS: Versuchen Sie mal, mit dem fx-CG 20 von Casio die Funktion ln(x) zu integrieren. Sie werden nach mehr als 5 Minuten, die dieses Gerät braucht, um den Graphen einmal zu zeichnen keine Lust mehr haben, weitere grafische Anpassungen vorzunehmen.

  14. #14 Swanhild Bernstein
    12. August 2014

    @Paul Richter (#13)

    Was versprechen Sie sich von einem CAS-Rechner? Aus meiner Sicht können die Schüler dann überhaupt nicht mehr rechnen.