Normalerweise schreibe ich hier ja nicht über zweifelhafte Beweise berühmter Vermutungen, aber nachdem nun nicht nur die BBC, sondern inzwischen auch deutsche Medien wie Bild, Focus Online (mit Video!) und n24 darüber berichten, kann ich es dann doch nicht unkommentiert lassen.
Es geht um die seit 156 Jahren offene Riemann-Vermutung, eines der vom Clay-Institut mit einem Preisgeld von 1 Million Dollar ausgelobten Milleniumprobleme. Die Vermutung besagt, dass Nullstellen der Riemannschen Zetafunktion auf einer Geraden liegen; falls korrekt würde das beweisen, dass sich die Fehlerabschätzungen im Primzahlsatz nicht weiter verbessern lassen. (Wir hatten hier zum 150. Jahrestag darüber geschrieben.)
Der nun in den Medien gehypte angebliche Beweis wurde letzte Woche auf einer Konferenz in Wien präsentiert. Die Zusammenfassung im Tagungsband liest sich wie folgt:
Wer schon einmal mit der Organisation einer mathematischen Konferenz zu tun hatte, der kennt aus ergoogelten Schlagworten zusammengesetzten Abstracts, mit denen sich immer wieder mal einzelne Teilnehmer bewerben. (Warum auch immer.) Der hier scheint keine Ausnahme zu sein. Natürlich kann man anhand eines Abstracts keine Fehler nachweisen (dazu bräuchte man den Preprint, den es anscheinend aber nicht gibt), aber es macht einfach alles nicht richtig Sinn. Angefangen mit Kleinigkeiten (die rechte Seite der Formel ist nicht bilinear, allenfalls quadratisch und eigentlich auch das nicht, und es ist auch nicht einsichtig, warum man die Summe zweier quadratischer Funktionen brauchen sollte, um die Wurzel aus einer positiven Zahl zu ziehen, und überhaupt: warum schreibt er nicht einfach || ζ(z) || statt φ(t)?) bis hin zu grundsätzlicheren Fragen (was soll ein von einer Matrix erzeugtes Punktspektrum sein?) sieht das alles nicht sehr sinnvoll aus und es wäre wohl besser gewesen, die Medienvertreter hätten erstmal jemanden gefragt, der sich auskennt, oder eben das Erscheinen des Preprints abgewartet.
Mehr Informationen bei aperiodical (mit Fortsetzung)
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