Im neuen SPIEGEL findet sich ein äußerst überschwänglich geschriebener Artikel zur (nicht ganz neuen) Datenbank LMFDB (L-functions and Modular Forms Database).

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Was sind L-Funktionen? Das einfachste Beispiel ist die Riemannsche ζ-Funktion, die für Re(s)>1 durch \zeta(s) = \sum_{n=1}^\infty\frac1{n^s}=1+\frac1{2^s}+\frac1{3^s}+\frac1{4^s}+\frac1{5^s}+\frac1{6^s}+\frac1{7^s}+\ldots definiert und dann durch analytische Fortsetzung auf der restlichen komplexen Zahlenebene definiert wird. Riemann hatte sie in Zusammenhang mit der Berechnung der relativen Anzahl von Primzahlen betrachtet: wenn die Riemannsche Vermutung über die Nullstellen seiner Zeta-Funktion zutrifft, dann läßt sich die Fehlerabschätzung im Primzahlsatz nicht weiter verbessern.

Allgemeiner kann man L-Funktionen beispielsweise für Darstellungen zyklischer Gruppen (Dirichletsche L-Funktion), für Zahlkörper (Dedekindsche L-Funktion), für elliptische Kurven, für Modulformen (Heckesche L-Funktion), für automorphe Formen (automorphe L-Funktion), für Galois-Darstellungen (Artinsche L-Funktion) etc.pp. definieren. Alle diese Funktionen haben ähnliche Eigenschaften, etwa bestimmte Funktionalgleichungen und die spezielle Lage von Null- und Polstellen.

Das Langlands-Programm stellt Zusammenhänge zwischen unterschiedlich definierten L-Funktionen her und fast alles, was heutzutage in der Zahlentheorie gemacht und bewiesen wird, beruht in irgendeiner Form auf diesen L-Funktionen. Trotzdem ist das Gerede von einer ‘Weltformel der Mathematik’ (im neuen SPIEGEL und auch anderswo) natürlich ziemlich übertrieben; zum Verständnis bspw. von Differentialgleichungen tragen L-Funktionen eher wenig bei.

Die neue Datenbank liefert nun Millionen Datensätze mit denen man die aus unterschiedlichen Gebieten stammenden L-Funktionen untersuchen und vergleichen kann. Ein paar Musterbeispiele:

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Link zur Datenbank

Kommentare (8)

  1. #1 der__trainer
    14. Mai 2016

    Ebenfalls zur Datenbank: Numberphile
    https://youtu.be/VTveQ1ndH1c

  2. #2 adenosine
    15. Mai 2016

    gibt es ein physikalisches Thema in dem diese Funktionen nützlich sind?

  3. #3 Thilo
    15. Mai 2016

    Ich denke schon, wobei ich mich da jetzt nicht auskenne und deshalb nichts dazu sagen kann. Einiges an Literatur findet man aber in den Antworten zu dieser MO-Frage: https://mathoverflow.net/questions/54501/riemann-zeta-function-connection-to-quantum-mechanics

  4. #4 Joseph Kuhn
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/
    15. Mai 2016

    Ja, der Artikel im SPIEGEL ist wirklich ziemlich überschwänglich. Ich hoffe, mit der Weltformel der Mathematik wird dann endlich auch die Einkommenssteuererklärung einfacher. Die ist genauso kompliziert wie die L-Funktionen.

  5. #5 rolak
    15. Mai 2016

    genauso kompliziert wie die L-Funktionen

    Völliger Quatsch, Joseph, da gibt es einen fundamentalen Unterschied. Einfach gesagt: Es sollen schon Mathematiker für die Steuererklärung auf professionelle Hilfe zurückgegriffen haben, doch wurde noch kein Fall publik, in dem ein Steuerberater zur Bewältigung irgendwelcher L-Funktionen einen Mathematiker beauftragte.

  6. #6 Karl Mistelberger
    15. Mai 2016

    > #2 adenosine, 15. Mai 2016
    > gibt es ein physikalisches Thema in dem diese Funktionen nützlich sind?

    Die Strahlung des Schwarzen Körpers: https://de.wikibooks.org/wiki/Formelsammlung_Physik/_plancksches_Strahlungsgesetz

  7. #7 rank zero
    16. Mai 2016

    Uvm, eine aktuelle Arbeit von Bloch et al. stellt z.B. eine Beziehung zu Feynman-Integralen her: [Compos. Math. 151, No. 12, 2329-2375 (2015; Zbl 06541368)].

  8. #8 Thilo
    20. Mai 2016

    Eine ausfuhrlichere Diskussion der Bedeutung der Datenbank auf https://galoisrepresentations.wordpress.com/2016/05/12/lmfdb/