Im Studium haben wir hauptsächlich mit vier Zahlen gearbeitet: 0, 1, Pi, e. Eine 7 begegnet einem da selten.
aus “Von wegen Kopfrechnen”, Badische Neueste Nachrichten, 3. September 2017
Siebenen in der Mathematik
Siebenen in der Mathematik, als erstes fallen einem da wohl die berühmten 28 unterschiedlichen Differentialstrukturen auf der 7-dimensionalen Sphäre ein, mit denen John Milnor 1956 zur Überraschung der Fachwelt bewies, dass es auf ein und derselben topologischen Mannigfaltigkeit sehr unterschiedliche Arten der Differentialrechnung geben kann.
Gut, man kännte sagen, die besondere Rolle der 7 ist da nur ein historischer Zufall. Schließlich gibt es exotische Sphären auch in den meisten anderen Dimensionen.
Eine besondere Eigenschaft, die die 7-dimensionale Sphäre nur noch mit den Sphären in Dimension 0, 1 und 3 gemeinsam hat, ist aber die
Existenz einer Basis aus nichtverschwindenden Vektorfeldern und damit zusammenhängend die Existenz einer stetigen Multiplikation (Lie-Gruppen-Struktur). Die wiederum ist der Grund, warum der Rn nur für n=1,2,4,8 eine reelle Divisionsalgebra sein kann, warum es also nach reellen Zahlen, komplexen Zahlen, Quaternionen und Oktonionen nicht mehr weitergeht.
Geht man historisch nochmal zwei Jahrhunderte zurück, dann standen die sieben Brücken von Königsberg 1736 am Anfang der Graphentheorie. Und die Zahl 7 ist hier wirklich von Bedeutung: im heutigen Kaliningrad gibt es noch 5 Brücken und jetzt sind Spaziergänge, bei denen jede Brücke genau einmal überquert wird, dann doch möglich. Allerdings kehren sie nicht zum Ausgangspunkt zurück; in mathematischer Terminologie: es gibt einen Eulerweg, aber keinen Eulerkreis.
Sieben ist auch die Antwort auf manche Fragen der elementaren
Wahrscheinlichkeitstheorie, etwa der
nach dem wahrscheinlichsten Ereignis
beim Wurf mit zwei Würfeln. In der projektiven Geometrie hat die Fano-Ebene P2F2 als kleinste projektive Ebene sieben Punkte und sieben Geraden.
Und n=7 ist die
kleinste Generatorzahl, hat also ein interessantestes Muster in der
Dezimaldarstellung der Vielfachen von 1/n: deren sich periodisch wiederholenden Ziffernfolgen sind alle aus den sechs Ziffern 1-4-2-8-5-7 zusammengesetzt. Was einem zugegebenermaßen im Studium tatsächlich nicht begegnet, ebenso wenig wie die Teilbarkeitsregeln der 7 oder die diversen mit der 7 verbundenen Kopfrechentricks.
Kein Buch mit sieben Siegeln
Erstmals auf Deutsch ausgestrahlt wurde am 21. Oktober bei ARTE die BBC-Dokumentation “Climate change by numbers”, die den Klimawandel von Mathematikern statt von Klimaforschern erklären läßt und sich dabei auf drei Zahlen fokussiert:
0,85 Grad
95 Prozent
1012 Tonnen
Also den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur gegenüber 1880, die im IPCC-Report angegebene Wahrscheinlichkeit, dass mehr als die Hälfte der Erderwärmung vom Menschen verursacht sei, und die Menge Kohlenstoff, die wir noch verbrennen können bevor es zu ernsthaften Klimaveränderungen kommt.
Wobei es in der einstündigen Sendung dann vor allem darum ging, wie diese Zahlen gewonnen werden und was sie “wirklich” bedeuten. Also beispielsweise warum man (erst) seit 1880 zuverläßige Temperaturmessungen hat und wie man Mathematik nutzt, um fehlende Daten zu rekonstruieren.
Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen
Es hilft, wenn man Zahlen grob überschlagen kann: Geht das überhaupt auf, was da jetzt vorgeschlagen wird?
sagte Wolfgang Schäuble der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über die erforderlichen
Qualifikationen seines Nachfolgers. Passend dazu kramten dann YouTuber eine fünf Jahre alte Rede des damals gerade als FDP-Kandidaten für das Amt gehandelten Politikers mit dem schönen Versprecher Eins und eins ist eins und nicht drei heraus.
In eine ähnliche Richtung geht die von der Süddeutschen Zeitung in einem Artikel “Digitalisierung an Schulen” vom 16. Juni aufgeworfene Frage.
Sollen [die Schulen] weiterhin lehren, wer Pythagoras war und wie sich dessen berühmter Satz mathematisch beweisen läßt? Oder ist es, wie manche Google-Manager empfehlen, sinnvoller, vor allem Technologieunterricht zu erteilen? Schlie\ss lich läßt sich heute mit wenigen Mausklicks klären, wie lang die Diagonale eines Rechtecks ist.
Ich habe mal nachgeschaut, was man mit dem Suchbegriff “Diagonale im Rechteck berechnen” bei Google bekommt. Der erste Treffer ist zwar noch ein herkömmlicher Lexikoneintrag, die nächsten 4 Treffer sind dann aber ausnahmslos Kalkulatoren, wo man nur die Seitenlängen eingeben muss und das Ergebnis bekommt.
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