Der Abelpreis (mit gut 106$ der höchstdotierte Mathematikpreis) geht dieses Jahr an Robert Langlands für sein Zahlentheorie und Darstellungstheorie verbindendes Langlands-Programm.
Der Abelpreis wird jährlich von der Norwegischen Akademie der Wissenschaften vergeben. Er gilt als eine Art Ersatz dafür, daß es keinen Nobelpreis für Mathematik gibt. Über die Gründe, warum Nobel keinen Mathematik-Nobelpreis stiftete, gibt es viele anekdotische Erklärungen, die aber nach allgemeiner Meinung alle in das Reich der Fabel gehören.
Die Verleihung findet Ende Mai in Oslo statt.
Die Laudatio:
Das Langlands-Programm sagt die Existenz eines engen Netzes von Verbindungen zwischen automorphen Formen und Galoisgruppen voraus.
Die große Errungenschaft der algebraischen Zahlentheorie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war die Klassenkörpertheorie. Sie bedeutete eine umfassende Verallgemeinerung des Gaußschen Gesetzes der quadratischen Reziprozität und stellt eine Reihe leistungsstarker Werkzeuge zur Untersuchung von Problemen bereit, die von abelschen Galois-Gruppen gesteuert werden. Der nicht-abelsche Fall erweist sich als wesentlich komplexer. In dem berühmten Brief an André Weil von 1967 skizzierte Langland ein tief greifendes Programm, das das Verständnis dieses Problems revolutionierte.
Langlands’ Erkenntnis, dass man Darstellungen von Galoisgruppen mit automorphen Formen in Beziehung setzen sollte, beinhaltet eine unerwartete und fundamentale Einsicht, die jetzt als Langlands-Funktorialität bezeichnet wird. Der Schlüsselsatz der Langlands-Funktorialität ist, dass automorphe Darstellungen einer reduktiven Gruppe über L-Funktionen mit Galoisdarstellungen in einer dualen Gruppe in Beziehung gebracht werden sollten.
Jacquet und Langlands konnten anhand der Selbergschen Spurformel einen ersten Fall von Funktorialität für GL(2) feststellen. Langlands Arbeit über Basiswechsel für GL(2) wies weitere Fälle von Funktorialität nach, die eine Rolle in Wiles’ Beweis wichtiger Fälle der Shimura-Taniyama-Weil-Vermutung spielten.
Die Gruppe GL(2) ist das einfachste Beispiel einer nicht-abelschen reduktiven Gruppe. Für eine Verallgemeinerung bedurfte es, wie Langlands erkannte, einer stabilen Spurformel, die dann von Arthur entwickelt wurde. Zusammen mit Ngôs Beweis des Fundamentallemmas im Langlands-Programm konnten automorphe Darstellungen von klassischen Gruppen endoskopisch klassi ziert werden, und zwar im Sinne allgemeiner linearer Gruppen.
Funktorialität vereint auf einschneidende Weise eine Reihe wichtiger Ergebnisse einschließlich der Modularität elliptischer Kurven und des Beweises der Sato-Tate-Vermutung. Sie bestärkt auch viele herausragende Mutmaßungen, zum Beispiel die Ramanujan-Peterson- und Selberg-Vermutungen und die Hasse-Weil-Vermutung für Zetafunktionen.
Die Funktorialität für reduktive Gruppen von Zahlenkörpern bleibt außer Reichweite, doch die Arbeiten vieler Mathematiker wie der Fields- Medaillengewinner Drinfeld, Lafforgue und Ngô, für die das Langlands-Programm ein Wegweiser war, haben große Fortschritte gebracht. Neue Facetten der Theorie wurden entwickelt, so die Langlands-Vermutungen über lokale Körper und Klassenkörper und das geometrische Langlands-Programm. Langlands Ideen haben automorphischen Darstellungen auch in anderen Bereichen der Mathematik einen profunden Platz weit über die kühnsten Träume früher Pioniere wie Weyl und Harish-Chandra hinaus verschafft.
Das Langlands-Programm wird häufig als der heilige Gral der Zahlentheorie (oder von manchen Autoren auch als der der gesamten Mathematik) gesehen. Trotzdem gibt es eigentlich keine für den Normalmathematiker verständlichen Texte dazu. (Edward Frenkels Buch Love and Math versucht sich an einer populären Darstellung, geht aber mathematisch nicht sehr in die Tiefe. Das Abelpreiskommittee hat zwei kurze historische Darstellungen
17 handwritten pages that shaped a whole area of mathematical research und From quadratic reciprocity to Langland’ program online gestellt. Im aktuellen Jahresbericht der DMV gibt es einen Artikel Around the Langlands Program, der sich aber eher an Fachleute richtet.)
Man kann hoffen, dass der der Abelpreis für Langlands daran jetzt etwas ändern wird, also als Motivation für neue Überblicksartikel zum Langlands-Programm dient.
Die Begründung des Abelpreis-Komittees.
Informationen zur Geschichte des Abelpreises findet man hier. Die bisherigen Preisträger seit 2003 sind:
2003 Jean-Pierre Serre (Frankreich): Homotopietheorie, Algebraische Geometrie
2004 Michael Atiyah (GB), Isadore Singer (USA): Globale Analysis
2005 Peter Lax (USA): Partielle Differentialgleichungen, Streutheorie
2006 Lennart Carleson (Schweden): Harmonische Analysis, Dynamische Systeme
2007 Srinivasa Varadan (Indien): Wahrscheinlichkeitstheorie, Große Abweichungen
2008 Jacques Tits (Belgien), John Thompson (USA): Gruppentheorie
2009 Michael Gromov (Frankreich): Riemannsche und Symplektische Geometrie, Geometrische Gruppentheorie
2010 John Tate (USA): Algebraische Zahlentheorie, Elliptische Kurven
2011 John Milnor (USA): Differentialtopologie
2012 Endre Szemeredi (Ungarn): Graphentheorie
2013 Pierre Deligne (Belgien): Algebraische Geometrie
2014 Yakov Sinai (Russland): Dynamische Systeme
2015 John Nash, Louis Nirenberg (USA): Partielle Differentialgleichungen
2016 Andrew Wiles (GB): Algebraische Zahlentheorie, Elliptische Kurven
2017 Yves Meyer (Frankreich): Harmonische Analysis
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