Grenzen des Wachstums
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hatte vor einigen Jahren einmal aus Anlaß des “e-Tages” (7.2.) eine ganze, eng beschriebene Doppelseite “Die steile Zahl” mit allen denkbaren Informationen und Anwendungen der Eulerschen Konstante e gewidmet. (Eine legale Kopie findet man auf
https://www.brd.nrw.de/lerntreffs/mathe/pages/magazin/mehr/diesteilezahl/fazdiesteilezahl.pdf.)
Neben Anwendungen wie der barometrischen Höhenformel, dem Weber-Fechner-Gesetz zur subjektiven Stärke von Sinneseindrücken, dem Gateway Arch in St. Louis und natürlich dem Zinseszins, und neben allseits Bekanntem über Wachstum und Verfall, der logarithmischen Spirale, der Kettenlinie, der Euler-Identität oder der Kettenbruchentwicklung konnte auch der Mathematiker aus dem Artikel noch etwas neues lernen: es gibt neben Addition, Multiplikation und Potenz noch eine vierte Verknüpfung, die Tetration , wobei (b-1)-mal potenziert wird.
Wenn man diese Verknüpfung unendlich oft wiederholt, erhält man die Funktion .
So wie man es von Addition und Multiplikation kennt, würde man auch hier erwarten, dass die für x>1 gegen Unendlich geht.
Erstaunlicherweise ist das nicht der Fall. Für alle x im Intervall $latex e^{-e}
Exponentielles Wachstum I
Manches Mal, wenn in Medien von exponentiellem Wachstum die Rede ist, sind die zugrundeliegenden Berechnungen kaum nachvollziehbar. So wie in einem Artikel über die Inflation in Venezuela, am 20. Mai auf Spiegel Online:
Der Internationale W\"ahrungsfonds prognostiziert Venezuela im Jahr 2018 eine Inflation von 13.864 Prozent. Venezolanische Ökonomen halten das noch für viel zu optimistisch. "Wir sagen dieses Jahr eine monatliche Preissteigerung von durchschnittlich 107 Prozent voraus, Tendenz steigend", sagt Jean Paul Leidenz. "Wir werden das Jahr mit einer Inflation von 388.000 Prozent abschließen", glaubt der Chefökonom der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Econalitica.
Wenn man dieser Rechnung mit den angegebenen Zahlen nachzuvollziehen versucht, kommt man auf
Das ist deutlich mehr als der angegebene Faktor 3880. Sicher ist nicht jede Preissteigerung inflationsbedingt, andererseits wird aber die Inflationsrate doch regulär anhand der Verbraucherpreise bestimmt. Was wurde hier also eigentlich berechnet?
Schwächeres Wachstum
Am 2. September berichtete die Tagesschau über die neuen Kfz-Steuern und darüber, dass diese für manche Autobesitzer stärker steigen würden als für andere.
Der ADAC sieht das kritischer. Nach Berechnungen des Autoklubs liegen die Mehrkosten zwischen 20 und 70 Prozent, wieviel genau hängt vom jeweiligen Modell ab. So müßten Käufer dieses Suzuki Swift-Modells statt 88 künftig 108 Euro mehr zahlen, 20 Euro mehr. Bei diesem VW Touareg-Modell mit höherem CO2-Ausstoß würden die Steuern stärker steigen, um 94 Euro im Jahr.
Das wäre sicher zu begrüßen, wenn es denn so wäre. Nun sind allerdings 20 von 88 Euro eine Steigerung um 22,73 Prozent, während 94 von 459 Euro nur eine Steigerung um 20,48 Prozent sind. Die Wahrheit ist also, dass die Steuern für den VW Touareg weniger stark steigen als für den Suzuki Swift. Schließlich werden Steuern immer noch prozentual berechnet und nicht absolut.
Gar kein Wachstum
Wenn ein Haus gebaut wird und es aber keine freie Hausnummer mehr gibt, etwa weil das Haus zwischen den Häusern Nummer 3 und 4 zu stehen kommen soll, dann greift man in Deutschland meist zu Hausnummern wie 3a und ggf. dann fortlaufend 3b, 3c etc.
In Frankreich sieht man öfter mal Hausnummern wie 3 1/2 oder 3bis.
Ich weiß nicht, was man dort macht, wenn später noch ein neues Haus dazu kommt, ob man dann vielleicht eine Hausnummer
3 3/4 vergibt.
Im Friedhofweg in Augsburg-Göggingen wollte man es ganz elegant lösen: die sechs benachbarten Häuser haben die Hausnummern
.
Dummerweise ist das keine wachsende Folge. Nicht einmal in zweiter Ordnung.
Exponentielles Wachstum II
Das 1965 formulierte Mooresche Gesetz besagt, dass die Komplexität integrierter Schaltkreise sich regelmäßig verdoppelt, und zwar alle 18 Monate.
In einem Beitrag vom 16. Mai auf dem Blog "AI and Compute" wurde dieses Gesetz an den Daten der letzten 6 Jahre überprüft.
Die Autoren kamen für diesen Zeitraum auf eine Verdopplung alle dreiundeinhalb Monate. Für einen Zeitraum von sechs Jahren käme man damit auf einen Faktor
.
Im Artikel war eigenartigerweise ein Faktor 300000 angegeben, also eine deutlich kleinere Zahl.
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