Im Augsburger Zeughaus (Bild oben, Credits: Kmey) findet schon seit dem Jahr der Mathematik 2008 vierteljährlich die an ein breites Publikum gerichtete Vortragsreihe „Faszination Mathematik und Physik“ statt (Link).
Diesmal war das Thema „Gleichungen lösen – mit dem Lasso“.
Es ging um Polynomgleichungen wie z2+2z+2, deren Lösungen in der komplexen Zahlenebene man finden möchte.
Dafür wurde zunächst an der Tafel durch Einsetzen einiger z-Werte etwas herumprobiert, dann mit dem Computer (links der z-Wert in blau, rechts der Wert von z2+2z+2 in rot) durch Hinundherverschieben des blauen Punktes festgestellt, dass man mit dem roten Punkt in Null landet, wenn man mit dem blauen Punkt bei -1+i ist.
Das war natürlich kein wirklich zufriedenstellendes Verfahren.
Wichtiger als das Ergebnis war vielleicht die Beobachtung, dass die Lage des roten Punktes sich stetig ändert, wenn man den blauen Punkt in der Ebene verschiebt.
Insbesondere: wenn man den blauen Punkt einen großen Kreis durchlaufen läßt, dann durchläuft der rote Punkt zwei nahebeieinanderliegende Kreise. (Die Umlaufzahl ist 2.) Das liegt daran, dass für große z die Funktion f(z)=z2+2z+2 näherungsweise z2 ist und diese Funktion durchläuft einen Kreis genau zweimal wenn z einen Kreis durchläuft.
Und aus der Beobachtung, dass der Nullpunkt zweimal umlaufen wird, ergibt sich nun ein Verfahren zum Finden der Nullstelle: man macht den Kreis links immer kleiner. Wegen f(0)=2 muss für sehr kleine Kreise die Null außerhalb des Bildkreises – der dann ein sehr kleiner Kreis um die 2 ist – liegen.
Wenn man den Kreis links also lange genug verkleinert, muss man irgendwann den Nullpunkt kreuzen. Das ist im Bild unten der Fall für z=-1+i und z=-1-i. (In diesem Fall läuft der Kreis dann sogar zweimal durch den Nullpunkt, aber das ist nicht immer so.)
Dieses Verfahren funktioniert genauso für alle Polynome. Wenn f(z) ein Polynom vom Grad n ist, dann ist es für große z näherungsweise zn; das Bild eines großen Kreises umläuft den Nullpunkt also n-mal. Wenn man den Kreis verkleinert, muß man irgendwann den Nullpunkt kreuzen.
Das beweist den Fundamentalsatz der Algebra. (Gauß’ ursprünglicher Beweis enthielt ähnliche topologische Ideen, die er damals freilich noch nicht rigoros beweisen konnte, die aber als anschaulich klar angesehen wurden.)
Zum Abschluß des Vortrages wurden dann noch einige modernere Resultate erwähnt, wo auf ähnliche Weise topologische Argumente Lösungen von Gleichungen liefern, so der Atiyah-Singer-Indexsatz, wo man aus der Topologie Lösungen partieller Differentialgleichungen bekommt, und der Satz von Gerstenhaber-Rothaus, wo es um Lösungen von Matrizengleichungen geht.
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