Beim Gehen kann man besser denken als beim Fahrradfahren. (Alte Mathematikerweisheit.) Zum Beispiel berichtete das Quanta Magazine in seinem Artikel über den letztjährigen Fieldsmedaillisten Akshay Venkatesh

And life at the institute provides the two elements most essential for Venkatesh’s research: large blocks of unbroken time, and an office big enough for him to pace around in while he thinks. Back at Stanford, a patio outside the math department filled a similar function.

In einem vor drei Jahren in Beiträge zum Mathematikunterricht erschienen Artikel – auf den ich erst durch einen interessanten Vortrag letzte Woche aufmerksam wurde – zum Thema Förderung visuell-räumlicher Lösungsstrategien bei Algebra und Geometrie durch Bewegung: wie viel Bewegung ist optimal? wird untersucht, inwieweit „die mentale Bewegung der Symbole beim Arbeiten im algebraischen Kalkül analog zur Bewegung physikalischer Objekte erfolgt„. Soll heißen: ob das Herüberbringen von Symbolen von der rechten auf die linke Seite einer Gleichung besser gedacht werden kann, wenn es von entsprechenden Bewegungen unterstützt wird, etwa beim Sitzen auf einem Medizinball oder eben beim Gehen.
Die Datenlage ist noch recht dünn (78 Probanden beim Sitzen auf beweglicher Oberfläche, 46 Probanden beim Fahrradfahren), zeigt aber jedenfalls, dass die bewegliche Sitzoberfläche bessere Ergebnisse zeitigt als das Fahrrad.

Die naheliegende Schlußfolgerung wäre, Schulen und Universitäten mit Medizinbällen auszustatten. Einen anderen Weg geht man im neugebauten Mathematikon in Heidelberg. Dort ist die Fachbereichsbibliothek (Bild unten) mit bettartigen Buchten ausgestattet, die von Studenten als Schlafgelegenheit benutzt werden können und auch so genutzt werden. Man denkt an Kekulés Entdeckung des Benzolrings oder auch die Geschichte von Thomason und Trobaugh (Seite 249, letzter Absatz): die besten Ideen kommen im Schlaf.


Kommentare (11)

  1. #1 michael
    1. August 2019

    Die Bilder stehen auf den Kopf.

  2. #2 Braunschweiger (DE)
    2. August 2019

    Tolle Feststellung, @Michael, das sehen wir Leser auch selbst und Thilo wird das wissen.

    Die Frage an @Thilo wäre, da wir “nur” 1.Aug. und nicht 1.Apr. haben: stehen die Bilder auf dem Kopf, um unsere visuelle räumliche Wahrnehmung zu fördern? – Ich persönlich bin da sehr bequem und drehe einfach mal das Notebook für eine Weile auf den Kopf. Allerdings habe ich auch so erkannt, dass es sich um die beschriebenen Sitzgelegenheiten in einem großräumigen Gebäude handeln muss.

  3. #3 Thilo
    2. August 2019

    Bei mir werden die Bilder richtig angezeigt. Aber das Problem hat man manchmal bei iPad-Photos. Es war jedenfalls nicht als Illustration zum Text gemeint, dass man beim Betrachten den Kopf verdrehen soll.

  4. #4 Auslander
    2. August 2019

    Ich dachte schon der Text wäre für Australien geschrieben worden…

  5. #5 Braunschweiger (DE)
    2. August 2019

    @Thilo: – “… bei iPad-Photos”

    Aha, Problem erkannt. Die Bilder sind mit Orientierung gespeichert, da einige Kameras & Pads die Raumlage feststellen können. Firefox und Chrome nutzen die Angabe nicht, zeigen sie also ungedreht wie gespeichert an, IrfanView dagegen zeigt das heruntergeladene Bild in der richtigen Orientierung an. In den EXIF-Daten ist neben so allerlei Angaben über das Gerät auch die Orientierung notiert; statt “Bottom right” (für kopfüber) steht bei Normalorienterung “Top left” da. Das sieht hier etwa so aus:

    Make - Apple
    Model - iPad Pro
    Orientation - Bottom right

    Nebenbei ist bei den GPS-fähigen Geräten auch die GPS-Position gespeichert, falls aktiviert. Dadurch lässt sich beim ersten Bild festellen, dass es am 29.07. am frühen Nachmittag an einer Geolocation aufgenommen wurde, die sich nach Karte, und wie im Text angedeutet, in Heidelberg nahe dem Klaus-Tschira-Platz in der Fakultät für Mathematik und Informatik aufgenommen wurde. Folgende gespeicherte Daten:

    GPS information: -
    GPSLatitudeRef - N
    GPSLatitude - 49 25 2.35 (49.417319)
    GPSLongitudeRef - E
    GPSLongitude - 8 40 33.16 (8.675878)
    GPSAltitudeRef - Sea level
    GPSAltitude - 111.33 m
    GPSTimeStamp - 13:26:23.31
    GPSDateStamp - 2019:07:29

    Wem das zu viel weitergegebene Information ist, dem rate ich immer, die EXIF-Daten zu löschen, indem zB. mit IrfanView die Bilder neu gespeichert werden, unter Weglassen der EXIFs. Oder indem das GPS vor der Aufnahme deaktiviert wird.

  6. #6 tomtoo
    3. August 2019

    Und ich dachte schon da beschäftigen sich ein paar Mathematiker mit der zukünftigen Inneneinrichtung der ISS. ; )

  7. #7 Beobachter
    3. August 2019

    Tja, so isses halt:
    Manchen gibt`s der Herr im Schlaf: Seien es geniale Geistesblitze, sei es das kontinuierliche/stetige Wachstum des eigenen Kontostandes ohne eigenes Zutun, …

    Und von solchen Bettenbuchten (richtig rum installiert) für`s Nickerchen kann der normalsterbliche geistig oder körperlich Arbeitende nur träumen.
    (Angehender) Mathematiker in Heidelberg müsste man sein … !
    Wenn sich das bloß mal nicht herumspricht –
    denn was man in diesen gemütlichen Buchten alles machen könnte … außer schlafen … !
    Interdisziplinäres geselliges Beisammensein und so …

    Und was die “alte Mathematikerweisheit” betrifft:
    Sind leidenschaftliche Fahrradfahrer nun doofer als leidenschaftliche Fußgänger, weil sie schlechter denken können? 🙂
    Das glaub` ich nicht, das muss erst noch wissenschaftlich bewiesen und klinisch getestet werden … 😉

    Schönes Wochenende … !

  8. #8 Beobachter
    3. August 2019

    Nochmal eine kleine Anmerkung zum Thema Schlafen, Fahrradfahren (und Mathematik bzw. Denkfähigkeit):

    Sag mir einer was gegen die munteren Fahrradfahrer:
    😉

    “Schlaflos im Sattel”

    https://www.rheinpfalz.de/lokal/neustadt/artikel/weidenthal-schlaflos-im-sattel-lockt-ueber-1000-mountainbiker-an/

    Also, völlig bescheuert können doch die alle nicht sein, bloß weil sie radeln UND wenig schlafen … !
    🙂

  9. #9 Joseph Kuhn
    4. August 2019

    Vor etwa 10 Jahren hatte ich mal bei einem Workhop zur Gesundheitsberichterstattung einen “thematischen Abendspaziergang” angesetzt, mit 12 Fragen für die sich unterhaltenden Spaziergänger. Ein paar der erwanderten Antworten konnten in den Tagungsband aufgenommen werden. Gehen als Denkvorgang wird vielleicht unterschätzt? Man muss ja nicht gleich wie Joseph Beuys mit dem Knie denken 😉

  10. #10 tomtoo
    4. August 2019

    Gehen fördert die Durchblutung. Das Problem beim Fahrradfahren ist halt, dass es deutlich mehr Aufmerksamkeit fordert als Gehen.

  11. #11 Beobachter
    4. August 2019

    @ Joseph Kuhn, # 9:

    Offenbar verwechseln Sie “denken” mit reden, “sich unterhalten”.
    Nicht jeder, der über etwas redet, hat zuvor darüber nachgedacht bzw. überhaupt gedacht.
    Egal, ob beim Spazierengehen, beim Fahrradfahren oder im Bundestag.

    Und ob die eventuellen Ergebnisse von Unterhaltungen es wert sind, z. B. in einem “Tagungsband” veröffentlicht zu werden, hängt ganz von den Wertmaßstäben und Intentionen des Herausgebers ab.
    Denn man kann sich z. B. auch lediglich über die Krawattenmuster und Frisuren von Politikern auslassen statt über deren politischen Einfluss/Ziele … 😉

    @ tomtoo, # 10:

    Fahrradfahren auch.
    Das mit der Aufmerksamkeit ist relativ.
    Man stelle sich einen “Geher” auf einem steinigen, schmalen Höhenpfad im Hochgebirge vor und einen Radler auf einem breiten, geteerten Weg durch Wiesen in einer Ebene … 😉