Auf YouTube gibt es ein neues Video (eines allerdings schon vor einem halben Jahr gehaltenen Vortrags) über ein neues mathematisches Forschungsgebiet, die „condensed mathematics“:
Es geht um das Problem, dass mit einer Topologie versehene algebraische Strukturen keine abelsche Kategorie bilden, man also keine sinnvolle Definition von Kern und Kokern hat. Was zum Beispiel sollte der Kokern der Identitätsabbildung von Zp mit der diskreten Topologie nach Zp mit der üblichen Topologie sein?
Der von Bhatt und Scholze vorgeschlagene Ansatz benutzt die Kategorie der profiniten Mengen (d.h. total unzusammenhängender, kompakter Hausdorff-Räume) und Funktoren auf dieser Kategorie. Im genannten Beispiel ist der Kokern dann der Funktor, welcher jeder profiniten Menge S den Quotienten der Menge der lokal-konstanten Abbildungen S—>Zp modulo der Menge der konstanten Abbildungen S—>Zp zuordnet.
Das ist natürlich nur das einfachste Beispiel und die gesamte, sehr technische Theorie wird wahrscheinlich hunderte Seiten benötigen (eine 75 Seiten lange Zusammenfassung findet man hier.) Aber jedenfalls dürfte es den meisten Mathematikern einleuchten, dass solche Kerne und Kokerne stetiger Abbildungen ein nützliches Hilfsmittel sein werden.
Das (didaktische) Gegenstück zu dieser zwar sehr technischen, aber trotzdem viele Mathematiker interessierenden Theorie ist vielleicht eine Theorie, die in einem am Donnerstag im Quanta Magazine erschienenen Artikel (WITH CATEGORY THEORY, MATHEMATICS ESCAPES FROM EQUALITY) beworben wird. Es geht um Unendlich-Kategorien, die tatsächlich in verschiedenen Zusammenhängen in der Mathematik eine Rolle spielen, und eine neue (ca. 15 Jahre alte) Theorie dazu. Diese wird zwar im Artikel mit den größten Superlativen beworben („Through his books, which span thousands of dense, technical pages, he has constructed a strikingly different way to understand some of the most essential concepts in math by moving beyond the equal sign.“), mir als Topologe ist aber auch nach Lektüre des Artikels wieder mal nicht klar geworden, was jetzt eigentlich das Neue in dieser Theorie ist und warum man sich für sie interessieren sollte. (Dass dort, wo der Artikel einmal konkret wird, er nur mathematischen Unsinn wie „two points on the surface are homotopy equivalent if there’s a path linking one with the other„ produziert, macht es zwar nicht einfacher, ist aber nicht das genuine Problem.) „I just don’t think you can expect any population of mathematicians to accept any tool from anywhere very quickly without giving them convincing reasons to think about it.“ wird ein Mathematiker zitiert und das, obwohl es vom Autor anders gemeint ist, beschreibt es wohl ganz gut.
Kommentare (1)