Abigail Thompson ist Professorin an der University of California, Spezialistin für Heegaard-Zerlegungen, und daneben Vizepräsidentin der American Mathematical Society.
In den 90er Jahren hatte sie sich für eine bessere Lehrerausbildung engagiert, was ihr damals (wegen der damit verbundenen Kritik an der Situation öffentlicher Schulen) überraschende (und unerwünschte) Einladungen zu bildungspolitischen Veranstaltungen der Republikaner einbrachte. (Quelle)
Eine ähnliche Geschichte scheint sich jetzt zu wiederholen. Im neuen Heft der Mitgliederzeitschrift Notices of the American Mathematical Society findet sich auf Seite 4 (also sehr prominent plaziert, Seite 3 ist das Inhaltsverzeichnis) A WORD FROM … Abigail Thompson, a Vice President of the AMS.
In diesem Text kritisiert sie die in jüngerer Zeit an verschiedenen US-amerikanischen Universitäten von Bewerbern geforderten Diversity Statements. In denen gehe es inzwischen nicht mehr um die (ja eigentlich ohnehin selbstverständlich sein sollende) Gleichbehandlung aller Studenten, sondern um Aktivitäten zur Steigerung der stärkeren Ausprägung unterschiedlicher ethnischer Identitäten.
Konkret: ein Bewerber, der sich in seinem Diversity Statement beispielsweise dazu verpflichtet, alle Studenten unabhängig ihres Hintergrunds gleichzubehandeln, wird dafür nur 1-2 von 5 in dieser Rubrik möglichen Punkten bekommen. Mehr Punkte bekommt nur, wer Aktivitäten nachweisen kann, um die Unterschiedlichkeit von Identitäten im Berufsleben zu fördern.
Classical liberals aspire to treat every person as a unique individual, not as a representative of their gender or their ethnic group.
The sample rubric dictates that in order to get a high diversity score, a candidate must have actively engaged in promoting different identity groups as part of their professional life. The candidate should demonstrate “clear knowledge of, experience with, and interest in dimensions of diversity that result from different identities” and describe “multiple activities in depth.”
Requiring candidates to believe that people should be treated differently according to their identity is indeed a political test.
Es werde also nicht die Gleichbehandlung, sondern gerade die unterschiedliche Behandlung von Studenten gemäß RasseEthnie und Identität gefordert.
Thompson vergleicht in ihrem Artikel solche Tests mit den in der McCarthy-Zeit üblichen. Als Deutscher würde mir da eher ein Bezug zur Identitären Bewegung einfallen oder im akademischen Bereich zu den Burschenschaften, die ja auch immer sehr bemüht sind, die Rolle unterschiedlicher Identitäten an den Universitäten herauszustreichen. (Natürlich gibt es da den durchaus wesentlichen Unterschied, dass die Burschenschaften vor allem die Privilegien ihrer Peergroup verteidigen wollen, während an den US-amerikanischen Universitäten das Anliegen ursprünglich einmal die Integration unterprivilegierter Gruppen war. Die Burschenschaften freilich hatten in ihren Anfängen auch einmal progressiv begonnen.)
Falls der Vergleich zum McCarthyismus Beifall von der falschen Seite verhindern sollte, dann scheint dieser Ansatz aber nicht funktioniert zu haben. Erwartungsgemäß findet Thompsons Editorial jetzt vor allem auf rechts-identitären Webseiten große Zustimmung, während er sonst nirgendwo diskutiert zu werden scheint. Insofern also alles wie schon aus den (oben im ersten Absatz erwähnten) Bildungskriegen der 90er Jahre bekannt.
Nachtrag. Isabelle Laba hat einen langen Artikel Diversity Statements, der das Thema von vielen Seiten beleuchtet. Einer der Aspekte:
I’m imagining the perfect Berkeley job candidate: a groundbreaking researcher, outstanding teacher, and a public diversity advocate and activist, with a stay-at-home wife (a former Mathematics undergraduate) who types his papers, books his travel, and prepares the materials for his equity and diversity workshops.
Ein anderer Aspekt:
Have you thought about who has the time and resources to volunteer and participate in resume-building activism, and who has to work two part-time jobs after school just to make ends meet? And that those part-time jobs might be at places like fast food chains where you are very much not expected to show leadership? And that organizing diversity initiatives at such outlets can get you fired?
Und schließlich:
There could well be a use for similar training with respect to diversity and inclusion. Not just the usual 20-minute online courses on how to avoid a sexual harassment lawsuit. Not open-ended discussions on race and gender and ideology and everything else in general, either. Just basic instructions on what is not appropriate to say in the classroom or to your female colleague, how to respond when a student asks for accessibility accommodations, or how to provide such accommodations without expanding your own workload beyond acceptable limits. Or, for that matter, how to organize diversity events, for those so inclined.
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