Die Bezeichnung „Körper“ für eine unter den vier Operationen +,-,x,: abgeschlossene Menge reeller oder komplexer Zahlen wurde 1871 von Richard Dedekind eingeführt. Ohne den Namen waren algebraische Zahlkörper (endliche Erweiterungen der rationalen Zahlen) natürlich schon in den zahlentheoretischen Arbeiten von Gauß und Lagrange ebenso präsent gewesen wie auch in den Arbeiten von Abel und Galois über (Nicht)Auflösbarkeit algebraischer Gleichungen. Die algebraische Geometrie und insbesondere die Theorie algebraischer Kurven war von Brill und Noether seit den 1870er Jahren auf dem Begriff des Funktionenkörpers einer algebraischen Kurve aufgebaut worden. Die abstrakte Definition eines Körpers kam aber erst 1893 bei Heinrich Weber vor, der auch die erste Behandlung der Galois-Theorie als Theorie von Körpererweiterungen (statt von Lösungen polynomieller Gleichungen) gab.
In Arbeiten des 19. Jahrhunderts waren Zahlkörper und Funktionenkörper (und gegebenenfalls noch endliche Körper) in unterschiedlichen Kapiteln behandelt worden. Ernst Steinitz‘ 1910 in Crelle‘s Journal veröffentlichte Arbeit Algebraische Theorie der Körper war die erste, die von der abstrakten Definition eines Körpers ausgehend eine allgemeine Theorie entwickelte. Als Ziel gab er im Vorwort aus, eine Übersicht über alle möglichen Körpertypen gewinnen und ihre Beziehungen untereinander in ihren Grundzügen feststellen zu wollen.
In der Arbeit studierte er die Eigenschaften von Körpern und definierte Konzepte wie den Primkörper, die Charakteristik eines Körpers und den Transzendenzgrad einer Körpererweiterung. Er entdeckte, dass in positiver Charakteristik ein irreduzibles Polynom dennoch mehrfache Nullstellen haben kann und man deshalb zwischen separablen und inseparablen Erweiterungen unterscheiden muß – die klassische Theorie funktioniert nur für separable Erweiterungen. Körper, deren endliche Erweiterungen alle separabel sind, bezeichnete er als vollkommene Körper.
Sein wichtigstes Resultat war der Beweis, dass jeder Körper K einen algebraisch abgeschlossenen Erweiterungskörper (also einen Erweiterungskörper L, in dem jedes nichtkonstante Polynom eine Nullstelle besitzt) hat – die abstrakte Version zum Fundamentalsatz der Algebra. (Für die rationalen Zahlen war ein algebraischer Abschluß natürlich lange bekannt, nämlich der Körper der algebraischen Zahlen.)
Zu einem einzelnen Polynom P kann man leicht eine algebraische Erweiterung finden, in der das Polynom eine Nullstelle hat: man betrachtet einen irreduziblen Faktor f von P und bildet den Erweiterungskörper K[x]/(f). Im Falle des Primkörpers Fp konnte Steinitz durch sukzessive Anwendung dieser Konstruktion für jede Menge von Polynomen mit Koeffizienten in Fp die Existenz einer solchen Erweiterung beweisen, insbesondere also durch Anwendung auf die Menge aller Polynome die Existenz des algebraischen Abschlusses von Fp.
Um für beliebige Körper die Existenz und (bis auf Isomorphie) Eindeutigkeit des algebraischen Abschlusses zu beweisen, benötigte er allerdings eine transfinite Induktion, in heutiger Sprache das (damals noch nicht bekannte) Lemma von Zorn, welches zum (erst wenige Jahre zuvor von Zermelo formulierten) Auswahlaxiom äquivalent ist. Aus der Einleitung seiner Arbeit:
Die hierbei [dem Existenzbeweis bei Primkörpern] verwendete Methode […] erfordert keine Prinzipien, die nicht von allen Mathematikern anerkannt würden. Anders steht es mit dem Nachweis, daß unsere Aufgabe, sofern man noch fordert, das der Erweiterungskörper keine überflüssigen Elemente enthält, im wesentlichen nur eine Lösung besitzt. Dieser Beweis kann z. B. schon für den Körper der rationalen Zahlen nicht ohne Verwendung des Auswahlprinzips geführt werden. Dieses Prinzip erscheint auch unvermeidlich, wenn man den Beweis der Existenz einer algebraisch abgeschlossenen Erweiterung für jeden beliebigen Körper führen will. Der auf dem Auswahlprinzip beruhende Satz von Zermelo bildet ein wichtiges Hilfsmittel für diesen Beweis. – Noch stehen viele Mathematiker dem Auswahlprinzip ablehnend gegenüber. Mit der zunehmenden Erkenntnis, daß es Fragen in der Mathematik gibt, die ohne dieses Prinzip nicht entschieden werden können, dürfte der Widerstand gegen dasselbe mehr und mehr schwinden. Dagegen erscheint es im Interesse der Reinheit der Methode zweckmäßig, das genannte Prinzip so weit zu vermeiden, als die Natur der Frage seine Anwendung nicht erfordert. Ich habe mich bemüht, diese Grenze scharf hervortreten zu lassen.
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