Der Fundamentalsatz war ein wichtiger Schritt für die Klassifikation algebraischer Flächen, an der Castelnuovo und Enriques seit den 90er Jahren gearbeitet hatten und die sie schließlich in einer 1914 in I. Rend. Licei veröffentlichten Arbeit „Sulla classificazione delle superficie algebriche“ abschlossen. Enriques, dem das Zitat „Intuition ist der aristokratische Weg der Erkenntnis, Strenge der plebejische Weg.“ zugeschrieben wird, arbeitete weiter an dem Beweis und veröffentlichte schließlich seine abschließende Version 35 Jahre später in seinem Buch „La superficialities algebriche“. Seine Beweise wie auch die mancher anderen italienischen Geometer bauten auf unsicheren Fundamenten auf und wurden erst später von Kodaira auf Basis korrekter Definitionen in allen Details ausgearbeitet. Insbesondere wurden Invarianten von Kurvenfamilien dann als Invarianten von Linienbündeln betrachtet.
Das Ergebnis der Klassifikation ist: jede algebraische Fläche ist birational äquivalent zu einer Fläche aus einer der folgenden Klassen: eine Regelfläche, eine K3-Fläche, eine Enriques-Fläche, eine abelsche Fläche (d.h. ein algebraischer komplexer Torus), eine hyperelliptische Fläche, eine elliptische Fläche allgemeinen Typs, oder eine Fläche von allgemeinem Typ.
Diese unterschiedlichen Typen lassen sich durch numerische Invarianten charakterisieren, nämlich die von Castelnuovo entdeckten Plurigeschlechter Pn, n=1,2,…, die in heutiger Sprache definiert sind als die Dimension des Raums der Schnitte in , also im n-fachen Tensorprodukt des kanonischen Bündels
. Insbesondere ist P1=pg. (Diese Plurigenera kann man analog auch für Varietäten anderer Dimensionen definieren. Im Fall von Kurven stellt sich heraus, dass für rationale Kurven Pn≡0 ist, für elliptische Kurven Pn=O(n) und für Kurven höheren Geschlechts Pn=O(n2) gilt.)
Castelnuovo hatte die Plurigenera zunächst eingeführt, um Regelflächen (d.h. Flächen, in denen es durch jeden Punkt eine projektive Gerade gibt) durch Pn≡0 zu charakterisieren. Rationale Flächen sind ein Spezialfall von Regelflächen. Irrationale Regelflächen lassen sich in disjunkte projektive Geraden zerlegen, sie sind also eine Faserung über einer Kurve mit Faser P1C.
Zu den eliptischen Flächen (Flächen, die eine surjektive Abbildung auf eine Kurve besitzen, bei der fast alle Fasern elliptische Kurven sind) gehören Enriques-Flächen und manche K3-Flächen. Sowohl für Enriques- und K3-Flöchen als auch für abelsche und hyperelliptische Flächen sind die Pn beschränkt. Die elliptischen Flächen allgemeinen Typs hingegen sind dadurch charakterisiert, dass Pn=O(n) ist.
Flächen vom allgemeinen Typ sind dadurch charakterisiert, dass Pn=O(n2) ist. Es ist einerseits schwierig, explizit Beispiele von Flächen allgemeinen Typs zu konstruieren, andererseits sind (analog zu den Kurven vom Geschlecht ≥ 2) Flächen allgemeinen Typs der mit Abstand häufigste Fall.
Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Federigo_Enriques.jpg
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