John Conway ist gestern im Alter von 82 Jahren an den Folgen von Covid-19 gestorben. Er galt als der “König der Unterhaltungsmathematik”, auf den zahlreiche mathematische Spiele und Rátsel zurückgehen.
In der mathematischen Forschung ist er unter anderem dafür bekannt, dass er eine bemerkenswerte Familie einfacher Gruppen entdeckte. Er hatte sich für einen gewissen binären Code und in dem Zusammenhang für die schon seit dem 19. Jahrhundert bekannten Mathieu-Gruppen interessiert. Der Code war ein Untervektorraum von F2 23 und seine Symmetriegruppe ist die Mathieu-Gruppe M24. Diese Gruppe war von John Leech für die Konstruktion eines (im Sinne von Kugelpackungen) besonders effizienten Gitters im R24 benutzt worden. Leech hatte erfolglos versucht, die Gruppentheoretiker für die Symmetrien seines Gitters zu interessieren. Nur Conway, bis dahin eigentlich in der Zahlentheorie aktiv (und mit einer Promotion in Mengenlehre), beschloß neben seinen anderen Interessen auch dieser Frage ab und an etwas Zeit zu widmen. Schon in der ersten Nacht, die er an dem Problem arbeitete, machte er dramatischen Fortschritt: er fand die Zahl 222 · 39 · 54 · 72 · 11 · 13 · 23 = 8.315.553.613.086.720.000, von der er glaubte, dass sie die Ordnung (oder möglicherweise die doppelte Ordnung) einer neuen einfachen Gruppe sein müßte. Mit einigem Unbehagen rief er John Thompson an und teilte ihm diese Zahl mit; Thompson wurde nachgesagt, mit der Gruppentheorie so vertraut zu sein, dass er eine potenzielle einfache Gruppe allein anhand ihrer Ordnung erkennen könne. 20 Minuten später rief ihn Thompson zurück und bestätigte, dass er die Zahl halbieren müsse, um eine einfache Gruppe zu erhalten, und fügte hinzu, dass sich zwei weitere potenzielle einfache Gruppen in der Nähe befanden. Sechs Stunden später fand Conway die erste Gruppe und innerhalb einer Woche die beiden anderen Gruppen, die Thompson vorhergesagt hatte.
Über Kugelpackungen schrieb Conway später eine Monographie mit Neil Sloane.
In der Knotentheorie klassifizierte er rationale Tangles, entdeckte die Normalform für 2-Brücken-Knoten, untersuchte die Mutation von Knoten und entdeckte das Conway-Polynom, eine explizite (skein-theoretische) Konstruktion des (von Alexander nur bis auf Multiplikation mit Einheiten des Polynomrings eindeutig definierten) Alexander-Polynoms.
Eine wichtige Rolle spielte er auch für die Mondschein-Vermutung. Die größte der endlichen einfachen Gruppen, die sogenannte Monstergruppe, ist als Automorphismengruppe einer kommutativen, nicht-assoziativen Algebra auf einem 196883-dimensionalen Raum konstruiert. Diese Zahl 196883 kommt in der Mathematik noch an anderer Stelle vor: in der Theorie der Modulfunktionen. Die j-Funktion ist eine Invariante elliptischer Kurven und als solche, weil der Modulraum elliptischer Kurven die Modulkurve H2/SL(2,Z) ist, eine SL(2,Z)-invariante Funktion auf der oberen Halbebene. Sie erzeugt den Ring der Modulfunktionen und ihre Potenzreihe in q=e2πiτ ist j(τ)=1/q+196884q+21493760q2+864299970q3+… Die Dimensionen der irreduziblen Darstellungen der Monstergruppe sind r1=1,r2=196883,r3=21296876,r4=842609326,… und man stellt fest, dass 1=r1, 196884=r1+r2, 21493760=r1+r2+r3, 864299970=2r1+2r2+r3+r4. Die sich daraus ergebende Vermutung, dass alle Koeffizienten der j-Funktionen Dimensionen von Darstellungen der Monstergruppe sind, bezeichnete Conway als “monströsen Mondschein”, also als monströsen Quatsch. Die Erklärung, die McKay und Thompson vorschlugen: es gibt eine gradierte Darstellung, deren Dimensionen die Koeffizienten sind. Conway und Norton unterstützten diese Vermutung durch umfangreiche Berechnungen. Borcherds’ späterer Beweis der Mondscheinvermutung nutzte dann Identitäten, auf die man erst durch die Stringtheorie gekommen war, unendlich-dimensionale Verallgemeinerungen klassischer Identitäten für Lie-Algebren. Die Richtigkeit dieses mathematischen Beweises hängt aber nicht von der Richtigkeit der physikalischen Theorie ab.
Kommentare (14)