Die Bott-Periodizität gilt heute als einer der zentralen Sätze der reinen Mathematik mit Verzweigungen in unterschiedliche Gebiete. Ihren Ursprung hatte sie aber ursprünglich in der Problemstellung, die Homotopiegruppen von Lie-Gruppen zu berechnen.
In den 1950er Jahren hatte man bereits erkannt, dass die Berechnung der Homotopiegruppen selbst von Sphären sehr schwierig ist. Man hat zwar die Möglichkeit, Räume (genauer Homotopietypen von CW-Komplexen) in Postnikov-Türme zu zerlegen, also in Faserungen, deren Fasern Eilenberg-MacLane-Räume sind, benötigt dann aber für die tatsächlichen Rechnungen schwer zu untersuchende Spektralsequenzen.
Nach Serres Arbeiten über Homotopiegruppen von Sphären waren die Homotopiegruppen von Lie-Gruppen das nächste Ziel der Homotopietheoretiker. (Serre hatte Primärkomponenten der Homotopiegruppen von Lie-Gruppen in verschiedenen Fällen auf Homotopiegruppen von Sphären zurückgeführt.)
Weil für k≤n-1 die Homotopiegruppen πkSn=0 sind, kann das Ankleben einer n-Zelle an einen Raum die Homotopiegruppen πk für k≤n-2 nicht ändern. Damit kann man oft Homotopiegruppen πk für kleine k berechnen. Außerdem hat man oft Stabilität von Homotopiegruppen. Beispielsweise bekommt man aus den langen exakten Sequenz der Faserungen O(n+1)/O(n)=Sn bzw. SU(n+1)/SU(n)=U(n+1)/U(n)=S2n+1 für hinreichend große n Isomorphismen πkO(n)=πkO(n+1) bzw. πkU(n)=πkU(n+1) und πkSU(n)=πkSU(n+1) so dass man also von stabilen Homotopiegruppen πkO bzw. πkU und πkSU sprechen kann. Diese stabilen Homotopiegruppen kann man berechnen, wenn man die entsprechenden Homotopiegruppen von Sphären bis zu einer bestimmten Dimension kennt.
Als eine Anwendung der Berechnungen von Homotopiegruppen von Sphären hatten Homotopietheoretiker π10SU(n)=Z/3Z für große n berechnet. Das widersprach den (noch unveröffentlichten) Arbeiten von Borel und Hirzebruch, nach denen π10SU(n) eine zyklische Gruppe der Ordnung einer Zweierpotenz sein mußte.
Dieser Widerspruch fand das Interesse von Raoul Bott. Bott wußte, dass er mit Morse-Theorie und H*(G2) den Wert von π10SU(n) würde berechnen können, wenn auch mit einer sehr aufwändigen Rechnung. Mit Arnold Shapiro setzte er sich ein Wochenende zusammen und bewies π10SU(n)=0 für große n.
Raoul Bott hatte verschiedene, wenig kompatible Ausbildungen absolviert, insbesondere einen Abschluß als Elektroingenieur, wo er auch einige mathematische Arbeiten veröffentlichte. Man erkannte sein Talent und er kam als Postdoktorand nach Princeton, wo “die ganze Welt der reinen Mathematik wartete”, wie er es später einmal formulierte. Er kam in Kontakt mit Marston Morse, dessen Variationsrechnung im Großen für Botts spätere Arbeiten grundlegend werden würde, die er aber zunächst erst einmal auf Funktionen verallgemeinerte, deren kritische Punkte Mannigfaltigkeiten statt wie in der Morse-Theorie isolierte Punkte sind.
In der Morse-Theorie betrachtet man Funktionen f:M—>R, deren kritische Punkte generisch sind in dem Sinne, dass sich die Funktion lokal in einer Umgebung als quadratisches Polynom schreiben läßt. Die Topologie der Subniveaumengen von f ändert sich bei Passage eines solchen kritischen Punktes durch Ankleben eines k-Henkels. Letztlich kann man also die Topologie der gesamten Mannigfaltigkeit M aus der Untersuchung der kritischen Punkte rekonstruieren.
Bott wandte diese Theorie erfolgreich auf Lie-Gruppen und homogene Räume an und konnte beispielsweise den Homotopietyp von Fahnenmannigfaltigkeiten bestimmen. (In einer anderen Arbeit interpretierte er die Garbenkohomologie von Bündeln über Fahnenmannigfaltigkeiten darstellungstheoretisch. Das verallgemeinerte ein entsprechendes Resultat für Linienbündel, mit dem Armand Borel 1954 als Postdok mit André Weil in Chicago die 1913 von Élie Cartan klassifizierten Darstellungen von Lie-Gruppen G geometrisch interpretiert hatte: zu einer Darstellung mit höchstem Gewicht λ:T–>C hat man ein Linienbündel über G/T und dessen Schnitte geben die ursprüngliche Darstellung. Beispielsweise erhält man für G=SU(2) die Darstellungen auf den homogenen Polynomen von gegebenem Grad in 2 Variablen. Der Satz von Borel-Weil verwendet Schnitte im Linienbündel, also die 0-te Kohomologie der zugehörigen Garbe, und Bott verallgemeinerte diesen Satz auf höhere Kohomologiegruppen.)
Die Grundidee von Botts Ansatz zur Morsetheorie auf Lie-Gruppen war eine neue, morsetheoretische Interpretation des Einhängungssatzes für Sphären. Hans Freudenthal hatte 1937 den Einhängungssatzes πkX=πk+1SX für k/2-zusammenhängende X und als Spezialfall den Isomorphismus πkSn=πk+1Sn+1 für k≤2n-2 bewiesen. Im Fall der Sphären kann man einen dualen Standpunkt einnehmen und die Sn als die Menge derjenigen kürzesten Geodäten betrachten, die zwei gegebene antipodale Punkte in Sn+1 verbinden. Die Topologie solcher Räume von Geodäten zu untersuchen, war die Hauptanwendung der Morse-Theorie, mit der Morse sich jahrzehntelang beschäftigt hatte. Morses Ansatz war, ein Energiefunktional auf dem Raum der Wege zwischen den beiden Punkten zu betrachten. Der Gradientenfluß fließt meist in die minimierenden Geodäten (die auch das Energiefunktional minimieren), manchmal aber auch in Sattelpunkte des Energiefunktionals. Für k deutlich kleiner als n kann man aber das Bild einer Abbildung der Sk immer so verformen, dass sein Fluß unter dem Gradienten des Energiefunktionals die Sattelpunkte nicht trifft und in einem Minimum landet. Man kann dann also (für große n) πkSn mit der Homotopiegruppe πk-1 des Raums der minimierenden Geodäten identifizieren und erhält so einen Beweis des Satzes von Freudenthal. Diesen Ansatz wandte Bott nun auch auf U(n) und O(n) an und bewies damit die Isomorphismen πiU(n)=πi+2U(n) und πiO(n)=πi+8O(n) für große n. (Es stellt sich heraus dass die 2- bzw. 8-fache Iteration der Bildung des Raums minimierender Geodäten gerade auf die unitäre bzw. orthogonale Gruppe U(n/2) bzw. O(n/16) führt.) Einige Homotopietheoretiker meinten, Gegenbeispiele zu haben, doch sein Satz war korrekt.
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