Normalerweise bin ich nicht auf Facebook aktiv, auch nicht als passiver Leser, weil es dort kaum Diskussionen zu Themen gibt, die mich interessieren würden. Es gibt nur wenige von Mathematikern betriebene Facebook-Seiten und noch weniger Seiten, wo eine größere Zahl von Mathematikern sich an Diskussionen beteiligen würde. Eine Ausnahme ist die Seite von Alexei Bondal, die von zahlreichen Mathematikern (wenn auch eher nicht aus mich interessierenden Fachgebieten) frequentiert wird. Ich beobachte die Diskussionen dort seit einem Hinweis im Februar und bin seitdem gleichbleibend irritiert über die mehr oder weniger unverhohlene Bewunderung, mit der dort nicht nur zahlreiche russische, sondern durchaus auch deutsche und westeuropäische Mathematiker über die militärischen Erfolge Russlands sprechen.
Genauer gesagt wechseln die Themen dort je nach Kriegslage, mal hört man Begeisterung über die Erfolge Rußlands, mal einen Willen zur Verständigung mit dem Westen. Anfang Mai, als die russsische Offensive zumindest außerhalb des Donbass gescheitert schien, gab es Diskussionen, in denen das Wegbrechen der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit bedauert und zu einer Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Beziehungen aufgerufen wurde, inzwischen dominieren aber wieder Artikel, in denen es um die „Befreiung“ der Ukraine geht.
Am 10. Mai beispielsweise erschien dort ein Artikel mit einem Zitat David Hilberts

Jetzt hören mir meine jungen Freunde zu. Es ist nichts Neues daran, dass Sie in der psychisch schwierigen Kriegssituation die Selbstkontrolle verlieren und die Diskriminierung der Mathematiker auf der Seite des Konflikts unterstützen, die Ihnen nicht gefällt. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es zwei internationale Mathematikerkongresse, zu denen deutsche Mathematiker nicht eingeladen waren.
Als der Wahnsinn nachgelassen hatte, hielt ein deutscher Mathematiker 1928 eine Rede auf dem Kongress in Bologna. Hier ist, was er gesagt hat. Sie werden zustimmen, wenn Sie ein echter Mathematiker und keine langweilige Marionette sind, die hysterischer Propaganda unterliegt – solche habe ich in sowjetischer Zeit im Überfluss gesehen.
*****
Ich freue mich dass hier seit langer schwerer Zeit alle Mathematiker der Welt vertreten sind wie es sich gehört und wie es zum Gedeihen unsrer geliebten Wissenschaft nöthig ist. Bedenken wir dass wir als Mathematiker auf der höchsten Stufe und höchsten Höhe der Kultur des strengen Wissens stehen. Wir haben keine Wahl uns anders zu stellen als auf diesen höchsten Standpunkt denn alle Schranken, insbesondere nationale, widerstreben aufs Aeusserste dem Wesen der Mathematik. Es ist ein vollkommnes Missverständniss Unterschiede, oder gar Gegensätze nach Völkern oder Menschenrassen zu construiren, die Gründe mit denen man das versucht hat sind sehr fadenscheinig. Die Mathematik kennt keine Rassen. … Für die Mathematik ist die ganze Kulturwelt ein einziges Land.
David Hilbert

(Der Text vor den Sternchen ist von Bondal, der danach ein Zitat Hilberts.)

Zu diesem Zitat gibt es einiges zu sagen. Zuerst stammt es aus dem Jahr 1928, also zehn Jahre nach dem Ende des Krieges, nicht etwa während eines noch laufenden Eroberungskrieges. Tatsächlich ist es so, dass David Hilbert als einziger angefragter Mathematiker im Oktober 1914 den offenen Brief „An die Kulturwelt“ nicht unterschrieb, in dem sich die deutsche Professorenschaft mit der deutschen Armee (und ihren damals in Belgien begangenen Kriegsverbrechen) solidarisierte. Diese Verweigerung gab ihm dann natürlich auch die moralische Autorität, um sich 14 Jahre später an führender Stelle für die Wiederaufnahme der deutschen Mathematiker in die wissenschaftliche Gemeinschaft einzusetzen.
Abgesehen davon ist es auch so, dass Hilbert die zitierte Rede 1928 gar nicht gehalten hat. Das Zitat stammt aus einem in Hilberts Nachlaß gefundenen Entwurf, den er aber letztlich nicht fertig ausgearbeitet und dann auf dem ICM in Bologna auch nicht gehalten hat. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Bekannt ist jedenfalls, dass die deutsche Teilnahme am ICM damals auf Widerstand sowohl französischer als auch deutscher Nationalisten stieß, Bieberbach etwa sprach von einem „rettungslos kompromittierenden Kongress“, weil man durch die Teilnahme dort die beiden vorhergehenden (unter Ausschluß der Deutschen durchgeführten) Kongresse legitimieren würde.
Unabhängig davon, ob diese Rede so gehalten wurde, ist der Vergleich Bondals mit Hilbert jedenfalls völlig unpassend. Hilbert hatte sich nicht während des Krieges mit der deutschen Armee und ihren Kriegsverbrechen solidarisiert, sondern er hatte sich zehn Jahre nach dem verlorenen Krieg für die Wiederaufnahme der deutschen Wissenschaft auf dem internationalen Mathematikerkongress eingesetzt.

Kommentare (28)

  1. #1 Rene Grothmann
    Eichstätt
    20. Juni 2022

    Mir lag auch einer der vielen offenen Briefe, diesmal von Mathematikern in der Ukraine, vor, die die russische Aggression einerseits verurteilten, aber andererseits Waffen zur Verteidigung forderten. Ich habe ihn nicht unterschrieben. Der Nötigung, Position zu beziehen, sollte man widerstreben, wenn die Position in auch nur einem Punkt nicht der eigenen entspricht. Ich sehe auch nicht, wie all das Positionieren den Krieg beenden kann.

    René Grothmann
    Eichstätt

  2. #2 JalpoFreseFrese
    Russia
    20. Juni 2022

    Probieren Sie den automatischen Roboter aus, um den ganzen Tag Geld zu verdienen. https://Frese.fannyberlin.se/Frese

  3. #3 Thilo
    20. Juni 2022

    Mir schickt niemand solche offenen Briefe zum Unterschreiben zu. Vielleicht weil ich keinen Professorentitel habe 🙂

  4. #4 hto
    Gemeinschaftseigentum
    20. Juni 2022

    Eine einfache Berechnung:
    Einen offenen Brief gegen das “gesunde” Konkurrenzdenken und den “freiheitlichen” Wettbewerb würde ich nicht nur unterschreiben, damit es Waffenlieferungen und Kriege nicht mehr geben kann.

  5. #5 fauv
    nach dem Joggen und einem Espresso
    20. Juni 2022

    Wissenschaft ist international. Aus dieser Sicht lag David Hilbert richtig , sich nicht vor einen „nationalen Karren“ spannen zu lassen.
    Andererseits leben Wissenschaftler nicht in einem „Wolkenkuckuksheim“ , wo die übrige Welt sie nichts angeht.
    Sehr gut ist, Herr Dr. Mathematicus, dass Sie so ein Thema ansprechen, jetzt kann jeder in sich gehen und mit sich ins Reine kommen.

  6. #6 hto
    Gemeinschaftseigentum
    20. Juni 2022
  7. #7 Thilo
    20. Juni 2022

    @hto: Das hat jetzt weniger mit Rußland zu tun, aber China hat in den letzten Jahren tatsächlich viel in Afrika gemacht, hat dort zahlreiche Eisenbahnlinien gebaut und viele andere Dinge. Europa hat dieses Thema völlig verschlafen.

  8. #8 hto
    20. Juni 2022

    “Völlig verschlafen” – Das ist angesichts der intriganten “Entwicklungshilfe” im Zusammenhang mit den Waffenlieferungen doch ziemlich …!? 🙁

  9. #9 hto
    Gemeinschaftseigentum
    20. Juni 2022

    Ich möchte auch noch mal an den Arbeitstitel “Globalisierung der Dienstleistungsgesellschaft” erinnern, indem das Tittytainment (neues Wort für “Brot und Spiele”) für die Weltbevölkerung das gleichbleibende Verhältnis 1:5 der Wohlstands-Verteilung von/in reich und arm auf alle Länder regeln/konfusionieren soll.

  10. #10 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    21. Juni 2022

    Eine Ausnahme ist die Seite von Alexei Bondal, die von zahlreichen Mathematikern (wenn auch eher nicht aus mich interessierenden Fachgebieten) frequentiert wird. Ich beobachte die Diskussionen dort seit einem Hinweis im Februar und bin seitdem gleichbleibend irritiert über die mehr oder weniger unverhohlene Bewunderung, mit der dort nicht nur zahlreiche russische, sondern durchaus auch deutsche und westeuropäische Mathematiker über die militärischen Erfolge Russlands sprechen.

    Niemand braucht irritiert zu sein. Mathematiker sind guter Durchschnitt. Wenn es um die Realität geht schwächeln sie eher. Aus der Geschichte lernen sie wie alle anderen überhaupt nichts.

    1938 warnte Churchill die Regierung vor Appeasement und rief zu kollektiven Maßnahmen zur Abschreckung der deutschen Aggression auf. Im März stellte der Evening Standard die Veröffentlichung seiner zweiwöchentlich erscheinenden Artikel ein, stattdessen veröffentlichte der Daily Telegraph sie. Nach der deutschen Annexion Österreichs hielt Churchill eine Rede im Unterhaus, in der er erklärte, dass “die Schwere der Ereignisse […] nicht übertrieben werden kann”. Er rief zu einem gegenseitigen Verteidigungspakt zwischen den von der deutschen Expansion bedrohten europäischen Staaten auf, da dies die einzige Möglichkeit sei, Hitler aufzuhalten. Dies war jedoch nicht von Erfolg gekrönt, als Deutschland im September zum Einmarsch in das Sudetenland in der Tschechoslowakei mobilisierte. Churchill besuchte Chamberlain in der Downing Street und forderte ihn auf, Deutschland mitzuteilen, dass Großbritannien den Krieg erklären würde, falls die Deutschen in die Tschechoslowakei einmarschieren würden; Chamberlain war dazu nicht bereit. Am 30. September unterzeichnete Chamberlain das Münchner Abkommen und stimmte damit der deutschen Annexion des Sudetenlandes zu. In einer Rede vor dem Unterhaus am 5. Oktober bezeichnete Churchill das Abkommen als “eine totale und uneingeschränkte Niederlage”. Nach der endgültigen Zerstückelung der Tschechoslowakei im März 1939 riefen Churchill und seine Anhänger zur Gründung einer nationalen Koalition auf. Seine Popularität stieg und die Menschen begannen, seine Rückkehr ins Amt zu fordern.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Winston_Churchill#Anti-appeasement:_1937%E2%80%931939

    Ukraine’s military will accept ‘no concessions’ to Russia | Inna Sovsun

  11. #11 fauv
    21. Juni 2022

    Karl Mistelberger,
    ganz so edel war war W.Ch. nicht, er hat den Befehl gegeben Dresden zu verbrennen als es mit den Ostflüchtlingen 1945 überfüllt war.
    richtig ist, dass er ein Deutschlandkenner war, er hat sogar mit Kaiser Wilhelm II zusammen an einer deutschen Militärparade teilgenommen.
    Konsequenz kann ziemlich unmenschlich werden !

  12. #12 Echt?
    21. Juni 2022

    Einfach keinen Krieg anfangen!

  13. #13 Beobachter
    21. Juni 2022

    – karl mistelberger, # 10 –

    – Niemand braucht irritiert zu sein. Mathematiker sind guter Durchschnitt. Wenn es um die Realität geht schwächeln sie eher. Aus der Geschichte lernen sie wie alle anderen überhaupt nichts.
    …-

    das strotzt vor schubladendenken, pauschalisierung und überheblichkeit.
    -die mathematiker- gibts nicht –
    ebenso, wie es auch z. b. -die ärzte- oder -die hartz 4-bezieher- oder -die rechtsanwälte- oder -die juden- als -homogene masse,gruppe- nicht gibt.
    mathematiker sind auch nur menschen.

    – thilo, # 7 –

    was ausländische investoren,unternehmen, reiche europäer in afrika so alles -machen-, spottet jeder beschreibung.

    das ist -moderner kolonialismus-, ausbeutung,entrechtung der einheimischen bevölkerung, ausbeutung der dortigen ressourcen, umweltzerstörung, usw.

    bsp.-

    https://www.boell.de/de/2016/11/03/lamu-entwicklung-und-zerstoerung-kenias-kueste

    https://www.boell.de/de/2019/12/16/save-lamu-stoppt-den-bau-eines-kohlekraftwerkes

    https://de.wikipedia.org/wiki/Lamu

  14. #14 JW
    21. Juni 2022

    @hto und Thilo: Am Thema vorbei und zum Thema China und Afrika. Was ich las, ist, dass China einiges in Afrika investiert hat, was die Eliten super fanden. In der Bevölkerung kam das wohl nicht so gut. Zum Teil, weil dort zum großen Teil mit chinesischen Arbeitern gebaut wird, zum Teil, weil sich die Chinesen dort die Kolonalherrenmentaliät sehr gut abgeschaut haben. Es gibt wohl sehr viel Gewalt gegen die einfachen Minenarbeiter.
    Das soll die Fehler des Nordens nicht entschuldigen, aber China heute ist sicher kein besserer Partner als der Norden heute.

  15. #15 Beobachter
    21. Juni 2022

    -ganz so edel- -#11- wie der westen immer tut, ist er auch nicht.
    mit seinen vielbeschworenen demokratischen werten und der beachtung der menschenrechte,menschenwürde ist es oft sehr schlecht bestellt.
    das ist nichts neues, aber man schaut zunehmend -einfach- weg.
    die bösen sind immer und ausschließlich die anderen.

    bsp.-

    – flüchtlinge aus der ukraine –

    https://taz.de/Gefluechtete-in-Deutschland/!5859383/

    – Geflüchtete in Deutschland
    Vom Krieg in die Ausbeutung

    In einem Vier-Sterne-Hotel in Hannover arbeiten Ukrai­ne­r*in­nen weit unter Mindestlohn. Es besteht Verdacht auf Menschenhandel.
    …-

    – geflüchtete frauen aus afghanistan –

    https://aktuelle-sozialpolitik.de/2021/08/21/frauen-aus-afghanistan-und-altenpflege-in-deutschland/

    – Frauen (aus Afghanistan) + Altenpflege (in Deutschland) = besser als Dienerinnen unter den Taliban
    … –

  16. #16 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    22. Juni 2022

    Die Begeisterung der russischen Mathematiker ist angesichts der neuesten Errungenschaften nachvollziehbar. Size matters. Und Putler hat den Längsten (35m) und Dicksten (3m):

    https://www.diepresse.com/6155341/putin-ruestet-auf-luftabwehrsystem-s-500-und-interkontinentalrakete-sarmat

    “Die Sarmat-Rakete ist Wladimir Putins ganzer Stolz. Das wurde auch in der 40-minütigen Dokumentation klar, die am Sonntag zum Nationalfeiertag im Staatsfernsehen zu sehen war. Die Sarmat hat eine Reichweite von 18.000 Kilometern und ist mit atomaren Sprengköpfen bestückbar. Damit kann Russland sowohl über den Nord- als auch über den Südpol fast alle Ziele der Welt erreichen.”

    Den Termin hat Putler wohl mit Bedacht gewählt, passend zum Jahrestag:

    “Der erste Testflug der Sarmat hatte am 20. April stattgefunden. Abgeschossen auf dem Kosmodrom Plessetzk im nordrussischen Gebiet Archangelsk, traf die Rakete kurz darauf ein Testziel auf der 6000 Kilometer entfernten Halbinsel Kamtschatka in Russlands Fernem Osten. Wenig später kündigte der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Dmitri Rogosin, an, bis Herbst 50 Stück der Rakete, die mit Nuklearsprengköpfen ausgestattet werden kann, in den Dienst zu stellen.”

    https://en.wikipedia.org/wiki/RS-28_Sarmat

  17. #17 fauv
    nach
    22. Juni 2022

    In einem benachbarten blog wird über den Gut-Böse Dualismus gesprochen, d.h. die Reduktion eines komplexen Sachverhaltes auf Gut und Böse.

    Was man auf der Dokumenta jetzt gerade erkannt hat, dass auch die Kunst eine Grenze hat, die der Menschenwürde.
    Die wurde verletzt.
    Verstößt der Westen gegen die Menschenwürde, ja, nicht vorsätzlich aber fahrlässig.
    Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden, wenn man den Berichten glauben kann, teilweise übervorteilt.
    Die Verursacher des Krieges tragen eine viel viel größere Schuld , aber nicht alle Schuld.
    Und das sollte man bedenken wenn man zum Boykott aufruft oder einen Boykott ablehnt.
    Oder wenn man beginnt die Situation und ihre beteiligten nur in Gut und Böse einzuteilen.

    Mathematiker sind bekannt für ihren Scharfsinn und auch für ihre Eigenwilligkeit. Nur mal Erdös als Beispiel genannt. Und wenn jetzt Bondal auch in diesem Meinungssumpf einsteigt, dann ist das sicherlich sehr erleuchtend.

  18. #18 Beobachter
    22. Juni 2022

    es gibt weder nur gut oder böse noch nur schwarz oder weiß.
    es ist alles viel komplizierter, und es gibt sehr viel mitschuld und sehr viele grau-töne.

    am einfachsten macht man es sich dann, wenn man nichts sehen, hören und sagen will und einem alles – außer den eigenen kurzfristigen interessen, dem eigenen kurzfristigen wohlergehen – völlig gleichgültig ist.

  19. #19 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    22. Juni 2022

    «Putin wird so weit gehen, wie ihm Europa zu gehen erlaubt. Und mein Eindruck ist nicht, dass Europa ein wahnsinniges Problem hätte, wenn er sich weitere Länder holt»

    Der weissrussische Schriftsteller Sasha Filipenko ist sehr pessimistisch, was die Rolle des Westens betrifft im Ukraine-Krieg. Nach einem russischen Sieg, so sagt er im Interview, würde es aber nicht nur einen Ort wie Butscha geben, sondern Hunderte.

    https://www.nzz.ch/feuilleton/ukraine-krieg-sasha-filipenko-kritisiert-europas-rolle-ld.1689808

    Was dachten Sie, als Sie den offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz lasen, in dem sich zahlreiche Intellektuelle gegen die Lieferung schwerer Waffen ausgesprochen haben?

    Mich ärgern solche fürchterlichen Briefe deutscher Intellektueller, die meinen, die Ukraine müsse aufhören zu kämpfen, um das Blutvergiessen und den Krieg zu beenden. Die haben offenbar nur ihre Gasrechnungen im Sinn und haben nicht verstanden, dass es nach dem Sieg der Russen nicht nur einen Ort wie Butscha geben würde, sondern Hunderte. Sie würden nicht Blumen pflanzen und Häuser bauen. Es ist eigentlich unvorstellbar, dass solche Briefe geschrieben werden, während an der Front Menschen ums Leben kommen.

    Würden Sie sagen, dass diese Intellektuellen, die der Ukraine die Kapitulation nahelegen, das Land an die Russen verraten und darüber hinaus die eigenen Grundsätze und Ideale?

    Diese Intellektuellen tun so, als seien sie die Einzigen, die jetzt wissen, dass die Gefahr eines dritten Weltkriegs besteht. Sie hätten doch einfach schreiben können: «Wir haben Angst.» Und niemand könnte ihnen einen Vorwurf machen, es ist normal, Angst zu haben und das mitzuteilen. Aber ich finde es widerlich, die eigene Angst hinter irgendwelchen Friedensideen zu verbergen und so zu tun, als wüsste man, wie man Putin aufhalten und diesen drohenden dritten Weltkrieg verhindern kann. Es gibt ja absolut nichts Rationales, womit man Putins Vorgehen erklären könnte, und keine Logik, mit der man darauf Einfluss nehmen könnte.

    Ich glaube, Putin wird einfach schauen, wie weit Europa bereit ist, seinerseits den Einsatz zu erhöhen, und er wird darum so lange wie möglich tun, was er gerade will. Im Endeffekt besteht sein Ziel darin, wieder eine Art Sowjetunion zu etablieren, mit der Ukraine, mit Weissrussland, Kasachstan, vielleicht irgendwann auch mit dem Baltikum. Er wird so weit gehen, wie ihm Europa zu gehen erlaubt. Und mein Eindruck ist jetzt nicht, dass Europa ein wahnsinniges Problem damit hätte, wenn sich Putin die Länder holt, die zuvor zur Sowjetunion gehört haben.

  20. #20 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    26. Juni 2022

    Putler lässt nicht locker:

    Charkiw (ukrainisch Харків, nach russisch Харьков auch Charkow) ist nach Kiew mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine. Mit 42 Universitäten und Hochschulen ist sie das nach Kiew bedeutendste Wissenschafts- und Bildungszentrum des Landes.

    „Jetzt ist es wie in Tschernobyl“: Das Leben in der Geisterstadt Charkiw

    Saltivka in der ostukrainischen Stadt Charkiw wurde von den Russen unerbittlich bombardiert. Zwischen den Ruinen versuchen ein paar Bewohner zu überleben.

    Als im Februar russische Granaten auf Saltivka zu regnen begannen, wurde das Leben in den nummerierten Wohnblöcken des Viertels zu einer Lotterie – ein Block getroffen, der nächste verschont. In jedem Gebäude überlebten die Bewohner jeder Wohnung durch eigenes Glück – eine Wohnung wurde zu Asche, die nächste unberührt.

    Als die Bombardierung Charkiws weiterging – März, April, Mai, Juni –, blieben immer weniger Gebäude in Saltivka verschont. Jetzt ist die Nachbarschaft eine Geisterstadt. Überall, wo man hinschaut, ragen aus den Fenstern, wo Granaten einschlugen, todschwarze Brandflecken auf. An den Seiten der Gebäude befinden sich mehrstöckige Einschnitte. Es gibt saubere runde Löcher in den Dächern, wo Granaten durchschlugen, aber nicht explodierten. Auf den Wegen zwischen den Gebäuden liegen persönliche Besitztümer verstreut – mit schrecklicher Wucht aus den darüber liegenden Wohnungen geschleudert. Und die Granaten fallen immer noch.

    https://www.bbc.com/news/world-europe-61856229

  21. #21 lion in oil
    26. Juni 2022

    Karl M.
    ” Und mein Eindruck ist jetzt nicht, dass Europa ein wahnsinniges Problem damit hätte, wenn sich Putin die Länder holt, die zuvor zur Sowjetunion gehört haben.”

    Damit legen Sie den Finger auf die Wunde. Die EU hat keine Außenpolitik betrieben, die hat nur auf die Anziehungskraft des Euro gesetzt. Die hat darauf vertraut, dass das Internationale Recht, die betroffenen Länder schon schützen werde.
    Nach dem Markt sind alle Weiber klug , sagt der Volksmund. Also , wie geht es weiter ?
    Wieviel ist der Beitritt zur EU wert, wenn die EU nicht imstande ist seine Beitrittsländer zu schützen ?
    Vor dieser unangenehmen Frage drücken sich noch alle Mitgliedsstaaten.

  22. #22 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    5. Juli 2022

    Sir Roderic Michael John Lyne KBE CMG (born 31 March 1948) is a British former diplomat who served as British Ambassador to the Russian Federation from 2000 to 2004.

    Putin ‘will go on for as long as it takes’ | Roderic Lyne

    “The suggestion that this might be verging on some form of peace settlement, I’m afraid, is Cloud Cuckoo Land.”

  23. #23 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    9. Juli 2022

    Mathematiker und Soziologen nehmen einander nicht viel. Auch von letzteren kommt oft nichts Gescheites. Ausnahmen bestätigen die Regel:

    Soziologe Grigori Judin hat schon vor dem 24. Februar 2022 vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gewarnt. In zahlreichen Interviews hat er an das Gewissen jedes Einzelnen appelliert, die Situation in Russland mit den Jahren 1938/39 in Deutschland verglichen und auch die Aussagekraft von Umfragen – angesichts massiver Repressionen – immer wieder kritisch hinterfragt.

    In diesem aktuellen Text reflektiert er über Schuld und Verantwortung – auch des Westens. Und sagt: „Hoffnung wird hier erst aufkeimen, wenn die Welt zugibt, dass Wladimir Putin und sein Krieg das unausweichliche Ergebnis der gesamten globalen Entwicklung der letzten zehn Jahre sind.“

    https://www.dekoder.org/de/article/judin-krieg-ukraine-verantwortung-schuld

    Leider sind nicht die Russen das Problem. Das Problem ist, dass Wladimir Putin allzu gut verstanden hat, wie die moderne Welt funktioniert

    Putin ist nicht plötzlich aus den sibirischen Wäldern aufgetaucht – er hat jahrelang die globalen Finanz- und Polit-Eliten korrumpiert. Seine Oligarchen haben so lange auf der ganzen Welt zügellosen Luxus und Schmeicheleien genossen, bis sie allen Grund hatten, sich als die Herren dieser Welt zu fühlen. Putin hat derart erfolgreich die Politiker dutzender Länder pervertiert, indem er sie in seine Aufsichtsräte setzte und offenkundig blutiges Geld mit ihnen teilte, dass er allen Grund hat, sie als Schwächlinge zu betrachten. Putin hat den Russen dasselbe Prinzip angeboten, das die Starken dieser Welt so gut verinnerlicht haben: „Wenn ihr etwas mit Geld nicht erreichen könnt, habt ihr einfach nicht genug geboten.“

    Meine Auslandskorrespondenten fragen sich, wie die Russen bloß so „propagandaverblödet“ sein können. Aber ich schaue mich um und sehe ich überhaupt keine Idioten. Stattdessen sehe ich einen Haufen Leute, die die wichtigste Lektion gründlich verinnerlicht haben: Versuch gar nicht erst, Putin zu widersprechen, diese Welt ist sowieso so angelegt, dass er immer gewinnt. Ich sehe jene Menschen, die versucht haben, die derzeitige Katastrophe abzuwenden, die ihr Leben und ihre Freiheit aufs Spiel gesetzt und jedes Mal gesehen haben, dass Putins Geld alles entscheidet. Dass Putin nach jedem niedergeschlagenen Aufstand neue Milliardenverträge abschließt, seine Oligarchen noch reicher werden und seine „europäischen Freunde“ neue Posten in neuen Aufsichtsräten besetzen. Dass die internationalen Technologie-Riesen für ihre Gewinne auf dem russischen Markt zu jeglichen Konzessionen bereit sind – angefangen bei Google, das bereit ist, physische Bedrohungen durch russische Geheimdienste gegen ihr Top-Management zu verschweigen, bis hin zu Nokia, das Putin geholfen hat, ein System zur totalen Überwachung seiner Gegner zu erschaffen. Immer wieder von Neuem haben diese furchtlosen Russen angefangen – sie führen seit langem Krieg gegen Putin, nur ohne Panzerabwehrlenkwaffen und Haubitzen. Und jedes Mal haben sie aufs Neue gehört: „Euch wird sowieso niemand helfen, Putin hat alle gekauft.“ Und mittlerweile glauben das tatsächlich viele.

  24. #24 karen
    10. Juli 2022

    Holen Sie sich Ihren Ex-Mann/Ihre Ex-Frau schnell und dauerhaft zurück.
    Mein Name ist Shannon Mattingly aus den USA. Mein Mann hat mich wegen einer anderen Frau verlassen. Das Schmerzlichste ist, dass ich mit unserem zweiten Baby schwanger war. Ich wollte ihn zurück. Ich tat alles in meiner Macht Stehende, um ihn zurückzubringen, aber alles war vergebens, ich wollte ihn so sehr zurück wegen der Liebe, die ich zu ihm hatte, ich bat ihn um alles, ich machte Versprechungen, aber er lehnte ab. Ich erklärte meiner Freundin mein Problem und sie schlug vor, dass ich lieber einen Zauberer kontaktieren sollte, der mir helfen könnte, einen Zauber zu wirken, um ihn zurückzubringen. Ich hatte keine andere Wahl, als es zu versuchen. Ich habe dem Zauberwirker namens Dr. Unity eine Nachricht gesendet, und er hat mir versichert, dass es kein Problem gibt und dass vor 11 Stunden alles in Ordnung sein wird. Er wirkte den Zauber und überraschenderweise rief mich mein Mann 11 Stunden später an. Ich war so überrascht, dass ich den Anruf entgegennahm und alles, was er sagte, war, dass ihm alles, was passiert war, so leid tat. Er wollte, dass ich zu ihm zurückkehrte. Er sagte auch, dass er mich so sehr liebte. Ich war so glücklich und ging zu ihm, so begannen wir wieder glücklich zusammenzuleben. Dank Dr. Unity for help now. Hier sein Kontakt…WhatsApp: +2347051758952
    E-Mail: ackugbespiritualtemple@gmail.com
    Er tut verschiedene Zwecke wie
    Wenn Sie irgendwelche Herausforderungen mit all dem haben, wird Ihr Problem auch Dem Dr. Clement gegenüber gelöst sein
    wie folgt.
    1. HIV/Aids
    2. HSV
    3 EX zurück
    4. Penisvergrößerung
    5. HEPATITIS B
    6. DIABETES
    7. HPV
    8 Krebs
    9 Zauberlesen
    10 Penisvergrößerung

  25. #25 rolak
    10. Juli 2022

    spam-Frau

    Genial. Muß der Nachwelt erhalten bleiben 😀


    Zwei Fragen dazu: ist es tatsächlich nötig, zweimal zu vergrößern – und es wird doch wohl hoffentlich nicht der arme HSV gemeint sein?

  26. #26 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    10. Juli 2022

    Nichts Neues seit MH17 in 2014:

    Russia says it has successfully struck a hangar of weapons the U.S. had given Ukraine’s armed forces.

    Russian defense ministry spokesperson Lieutenant-General Igor Konashenkov said “a high-precision weapon” fired by Russia’s forces had destroyed a hangar in Chasiv Yar in the Donetsk region.

    He said the hanger housed “American 155-mm M777 howitzers and up to 30 Ukrainian militants shelling residential areas of Donetsk.”

    Vor Ort werden keine Hinweise auf die Richtigkeit der Behauptungen gemeldet. Im getroffenen Wohnblock sind 15 Leute gestorben, 20 weitere werden vermisst:

    https://www.bbc.com/news/world-europe-62113185

  27. #27 Thilo
    12. Juli 2022

    Zitate aus dem aktuellen Thread auf https://www.facebook.com/alex.bondal.31 zur Haltung des “Westens” im Ukrainekrieg

    Пока ракеты не полетят к ним, не поймут. (Bis die Raketen auf sie zu fliegen, verstehen sie es nicht.)
    я думаю, к европейцам прилетит первым. Например, в Вильнюс. (Ich glaube, es wird zuerst bei den Europäern ankommen. Zum Beispiel in Vilnius)
    я думаю, американцы не впрягутся за Литву. Они сами нарвались. (Ich glaube, die Amerikaner werden nicht um Litauen kämpfen)
    Если почитать внимательно эти правила про «НАТО обязаны», становится понятно, что совершенно не обязаны на самом деле. (Wenn man diese Regeln über “NATO ist verpflichtet” genau liest, wird deutlich, dass sie tatsächlich völlig nicht verpflichtet sind.)

    Man wuss wohl realistischerweise sehen, dass die Bevölkerung, selbst die Intellektuellen, oft noch radikaler ist als die Führung.

  28. #28 Thilo
    2. September 2022

    In seinem heutigen Beitrag behauptet Bondal, dass sein von einem deutschen Mathematiker kritisierter Artikel (womit nach Durchsicht der Beiträge eigentlich nur ich gemeint sein kann) von Facebook in Zusammenarbeit mit US-Beamten gelöscht wurde. Das ist allerdings Unsinn, der Beitrag vom 10. Mai – um den es in diesem Artikel ging – ist weiterhin online. Vielleicht wurde irgendein anderer Beitrag gelöscht.