Neue Kachelformen

Neue mathematische Kachelformen zum Auslegen von Flächen entdeckt überschreibt Der Standard am 30. September einen längeren Artikel darüber, dass erstmals Parkettierungen aus Formen mit abgerundeten Ecken beschrieben wurden, die in der Natur weit verbreitet sind und überraschende Eigenschaften haben.

Es geht um die Arbeit Soft cells and the geometry of seashells von Domokos, Goriely, Horváth und Regös, erschienen am 10. September in PNAS Nexus.

Deren „Signifikanzstatement“ sagt (meine Übersetzung):

Polygonale und polyedrische Parkettierungen, bestehend aus Zellen mit flachen Seitenflächen und spitzen Ecken, sind erfolgreiche Modelle in Geologie, Physik und Chemie, die Phänomene von Rissnetzwerken bis hin zu Konvektionszellen, Schäumen und supramolekularen Mustern beschreiben. Diese Modelle beschreiben jedoch nicht die Vielfalt stark gekrümmter geometrischer Formen in der Biologie. Hier führen wir eine neue Klasse von Parkettierungen ein, sogenannte weichen Parkettierungen, deren Zellen stark gekrümmte Seitenflächen haben und die möglichst wenige Spitze Ecken minimal haben, was Einschränkungen des biologischen Wachstums imitiert. Wir beweisen einen Satz, der zeigt, dass weiche Parkettierungen im kombinatorischen Sinne häufig sind, und wir zeigen, dass diese geometrischen Formen in natürlichen Beispielen, von biologischen Zellen bis hin zu den Kammern von Meeresmuscheln, einschließlich der Nautilus, überzeugend vorkommen.

Alhambra-Muster

Schon lange bekannt sind die 17 möglichen Symmetriegruppen von Parkettierungen der Ebene, alle 17 finden sich (zumindest wenn man farbenblind ist) in der Alhambra:

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George Polya hat 1924 bewiesen, daß es neben den 17 bekannten keine weiteren Symmetriegruppen von Parkettierungen in der Ebene geben kann.

Aus der Klassifikation der 17 ebenen kristallografischen Gruppen ergibt sich insbesondere, daß alle Rotationssymmetrien die Ordnung 2,3,4 oder 6 haben müssen, also Drehungen um 180o, 120o, 90o oder 60o sind.

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Natürlich lassen sich die einzelnen Symmetriegruppen jeweils zu unterschiedlichen Mustern verarbeiten, die beiden folgenden Bilder etwa (nicht aus der Alhambra) haben dieselben Symmetrien (Verschiebungen, Spiegelungen und Gleitspiegelungen, in diesem Fall gibt es keine Drehungen.)

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Der holländische Künstler M. C. Escher hatte ab 1936 begonnen, die Muster der Alhambra zu verarbeiten, für kompliziertere Bilder mit denselben Symmetrien. Zu allen 17 Wallpaper-Gruppen findet man in der Alhambra Muster mit der entsprechenden Symmetrie.

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Die Alhambra wurde im 14.Jahrhundert gebaut. Der Name bedeutet auf Arabisch ‘Rote Festung’. Nach der Rechristianisierung Andalusiens war sie lange dem Verfall preisgegeben, erst im 19. Jahrhundert (wohl auch durch die Popularität von W.Irving’s Tales of the Alhambra) begann man wieder mit Restaurierungsarbeiten.

Das ursprünglich von Fry‘s Electronics finanzierte American Institute of Mathematics hatte seit 2007 in Kalifornien ein großes Konferenzzentrum bauen wollen, das eine Kopie der Alhambra (mit angeschlossenem Golfplatz) sein und 2010 fertig werden sollte. Anscheinend haben die Bauarbeiten aber nie wirklich begonnen, das Institut ist inzwischen auf das Gelände des CalTech gezogen.

Hyperbolische Parkettierungen

1957 wurde M. C. Escher auf eine Vortragsausarbeitung Coxeters aufmerksam – der ihn vorher angefragt hatte, ob er Bilder Eschers für den Vortrag verwenden dürfe – in dem sich das folgende Bild einer Parkettierung der hyperbolischen Ebene fand.

Im Vergleich zur Ebene oder auch der Sphäre hat man in der hyperbolischen Ebene sehr viel mehr Möglichkeiten für symmetrische Muster. Das sieht man bereits, wenn man sich die Möglichkeiten für Parkettierungen durch kongruente Dreiecke, also für von Spiegelungen eines einzelnen Dreiecks erzeugte Symmetriegruppen anschaut.
Die Innenwinkelsumme eines sphärischen Dreiecks ist ja größer als 180o.
Wenn man ein Muster ohne Überlappungen bekommen will, muss die Symmetriegruppe diskret sein und dafür muss das Dreieck als Innenwinkel Teiler von 180o haben, also 180o/k, 180o/l und 180o/m. In der euklidischen Ebene mit Innenwinkelsumme 1800 hat man dafür die Möglichkeiten k=l=m=3, k=l=4,m=2 und k=6,l=3,m=2. Auf der Sphäre mit Innenwinkelsumme größer als 180o hat man die Ungleichung 1/k+1/l+1/m>1 und für diese nur die Lösungen (2,3,3), (2,3,4), (2,3,5) und (2,2,m) mit beliebigem m. In der hyperbolischen Ebene mit Innenwinkelsumme kleiner als 180o und dementsprechend der Ungleichung 1/k+1/l+1/m<1 hat man sehr viel mehr Möglichkeiten.

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Kommentare (2)

  1. #1 N
    10. November 2024

    ein spannendes Thema. Man kann also optisch eine Wölbung vortäuschen, die gar nicht vorhanden ist.

    Bei den Kirchendecken im Barock ist das schon fast perfekt gelungen. Auch bei den Außenwänden könnte man denken, die Wand hat eine Struktur. Die ist aber nur aufgemalt.

    Ein Algorithmus für ein Computerprogramm wäre jetzt sinnvoll.

  2. #2 Quanteder
    11. November 2024

    #1
    N,
    ist dir schon mal aufgefallen, das Mathematik „nur aufgemalt“ ist?
    Was täuschen uns die aufgemalten Ziffern, Zahlen und Formeln … .. vor? Ist Mathematik nur eine „optische Täuschung?

    Ich denke, das ein KI-Algorithmus diese Fragen nicht zufriedenstellend beantworten kann.