Wettervorhersagen und Computer in Princeton
Es wurde vor allem von Neumann zugeschrieben, dass die Mathematik bei der intellektuellen Elite der USA damals an Interesse gewann. Neben seiner Tätigkeit in Princeton hatte er zahlreiche Beraterposten inne. Später würde er seine Forschungstätigkeit aufgeben um Mitglied der Atomenergiekomission zu werden.
https://en.wikipedia.org/wiki/IAS_machine#/media/File:IAS_machine_at_Smithsonian.jpg
In der Nachkriegszeit gab es dann auch zeitweilig Computer am Institute for Advanced Study, obwohl man dort sonst keine experimentellen oder Ingenieurwissenschaften förderte. Es wurden vier Arbeitsgruppen gegründet: die Gruppe „Computer architecture und science“ sollte sich Gedanken über den grundsätzlichen Aufbau von Computern machen, eine weitere Gruppe beschäftigte sich mit numerischer Mathematik, eine andere, deren Arbeit schnell obsolet wurde, mit dem Entwurf und der Herstellung von Computern.
Die vierte Gruppe bekam die Aufgabe, ein Problem mit Computern zu bearbeiten, das man auch dem Laien und dem Politiker erklären konnte. So sollte die öffentliche Meinung für die Bereitstellung von Mitteln eingenommen werden. Von Neumann wählte als Problem für diese Gruppe die Meteorologie. 1950 entstand die erste im Computer berechnete Wettervorhersage, veröffentlicht unter dem Titel “Numerical Integration of the Barotropic Vorticity Equation” in der meteorologischen Fachzeitschrift Tellus. Ähnlich wie von Richardson vorgeschlagen hatten sie die Atmosphäre über Nordamerika mit 270 Gitterpunkten überdeckt und Finite-Differenzen-Methoden zur numerischen Lösung der Differentialgleichungen auf dem ENIAC verwandt. Die Rechenzeit für eine 24-Stunden-Vorhersage betrug recht genau 24 Stunden, wobei die meiste Zeit aber für manuelle Tätigkeiten mit den etwa 100.000 Lochkarten draufging. “Actually we estimate on the basis of the experiences acquired in the course of the Eniac calculations, that if a renewed systematic effort with the Eniac were to be made, and with a thorough routinization of the operations, a 24-hour prediction could be made on the Eniac in as little as 12 hours” (aus der Veröffentlichung von Charney, Fjörtoff und von Neumann).
Tatsächlich hatte von Neumann sich schon seit den 30er Jahren mit Problemen der Hydrodynamik beschäftigt und dadurch mit nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen, die man nicht analytisch, sondern nur numerisch lösen konnte. (Insbesondere dann auch im Zusammenhang mit dem Manhattan-Projekt. Rechnungen zu Stoßwellen waren unter den ersten auf der ENIAC ausgeführten Berechnungen.)
In seiner November 1949 bei IBM vorgetragenen Ansprache „The future of high-Speed Computing“ benannte er vier Themen, für die man dauerhaft die immer schnelleren Computer benötigen würde, darunter als erstes die 2- und 3-dimensionalen Probleme der Hydrodynamik. Auf einer Tagung mit deutschen Wissenschaftsorganisatoren führte er zur mathematischen Behandlung meteorologischer Probleme aus:
In der mathematischen Behandlung der Meteorologie gibt es mindestens zwei Methoden, mit denen man das Problem angreifen kann. Die eine beruht auf sehr genauen statistischen Analysen der Vergangenheit und zielt darauf hin, die aus diesen abgeleiteteten Korrelationen auf die Zukunft anzuwenden. […] Bei der anderen Methode geht man dynamisch vor. Die Atmosphäre ist ja schließlich und endlich eine Flüssigkeit, und man kann ausrechnen, was sie tun wird […]
Mathematisch wandte er eine von Courant, Friedrichs und Lewy entwickelte Methode, mit der diese die Stabilität und Konvergenz der Finite-Differenzen-Methode bewiesen hatten um daraus rigorose Existenzsätze für gewöhnliche Differentialgleichungen herzuleiten, auf partielle Differentialgleichungen an und entwickelte heuristische Methoden für deren Stabilitätsanalyse.
Numerik der Navier-Stokes-Gleichungen
Mathematisch beruht die Klima- und Wetterforschung auf den Gleichungen der Hydrodynamik für die Strömung von linear-viskosen Flüssigkeiten und Gasen, den Navier-Stokes-Gleichungen. Olga Ladyzhenskaya hatte neben oder eher als Teil ihrer theoretischen Arbeiten schon seit Beginn der 50er Jahre auch an der Entwicklung von Differenzenschemata für verschiedene hyperbolische Gleichungen gearbeitet. 1959 bewies sie die globale eindeutige Lösbarkeit und die Glattheit der Lösungen für die 2-dimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen und auch für die schwierigeren Euler-Gleichungen. (Dieselbe Frage für die 3-dimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen, die ein mathematisches Modell der Strömung von linear-viskosen newtonschen Flüssigkeiten und Gasen sind, ist bekanntlich bis heute offen und eines der sieben Millennium-Probleme des Clay-Instituts.) Ihr Existenzbeweis für Lösungen der 2-dimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen von 1959 beruhte aber auf den Methoden der Funktionalanalysis, dem Rieszschen Darstellungssatz und dem Fixpunktsatz von Leray und Schauder (zunächst zur Konstruktion schwacher Lösungen, deren Regularität dann mit Methoden von Golovkin und Solonnikov bewiesen wird). In der zweiten Hälfte der 60er Jahre entwickelte sie dann eine Reihe von Differenzenschemata für die 2- und 3-dimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen. In der Arbeit “Устойчивые разностные схемы для уравнений Навье–Стокса” in Зап. научн. сем. ЛОМИ gelang es ihr 1969 erstmals, die Konvergenz solcher Schemata für Navier-Stokes-Gleichungen rigoros zu beweisen. Bei allen diesen Schemata gab sie den Beweisweg zum Nachweis der starken Konvergenz der Schemata in der Norm an, mit Einschluß der ersten Ableitungen, wodurch sie auch eine Methode zur Gewinnung von Abschätzungen der Konvergenzgeschwindigkeit erhielt. Mehr Informationen findet man bei MacTutor History oder in dem Artikel „Olga Ladyzhenskaya A Life-Long Devotion to Mathematics“ von Michael Struwe (in Geometric analysis and nonlinear partial differential equations, Springer 2003).


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