Da bin ich noch mit Mühe kaum aus dem Sommerloch gekrochen, in das ich eine Zeitlang gefallen war (ich verrate nur soviel: Es gab schon erfreulichere Sommer in meinem Leben … aber das ist eine andere Geschichte, und die soll hier nicht erzählt werden) – und dann fange ich gleich mit dem abgründigsten Thema wieder an, das selbst wohl eher sommerlich-löcherig daherkommt? Betrachten wir’s einfach mal als eine Runde zum Aufwärm-Training.
Angestoßen wurden meine Überlegungen durch dieses Interview mit der Autorin Birgit Kelle in FOCUS Online; die Journalistin hat, wie ich diesem Interview entnehme, ihren Beitrag zum Thema Sexismus und #Aufschrei (den wiederum der STERN mit einem Bericht über den FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle angestoßen hatte) zu einem Buch mit gleichem Titel aufgebohrt: Dann mach doch die Bluse zu. Das Buch scheint, wie ich dem Interview entnehmen kann, die gleichen Thesen wie der Original-Artikel zu vertreten, ich spare mir also die Mühe, hier noch einmal meine Gegenreden – zum Beispiel zu dem unsäglichen George-Clooney-Strohmann – aufzuführen und verweise statt dessen auf die einschlägigen Beiträge hier und hier in meinem Blog.
Aber ein Gedanke – “Argument” würde ich so etwas nicht nennen – aus dem FOCUS-Online-Artikel ist mir dann doch noch einmal eine Betrachtung wert: “Ich fühle mich nicht als Opfer”, erklärt Frau Kelle ihre ablehnende Haltung gegen Feminismus und Anti-Sexismus-Bestrebungen. Aha. Soll das also heißen, dass Misogynismus und Sexismus nur dann abzulehnen sind, wenn sie Frauen zu “Opfern” machen, von ihnen also direkt als schädigend empfunden werden? Dass Misogynismus und Sexismus, wenn appetitlich – oder zumindest diskret – präsentiert, kein Problem dasrtellt?
Ich hätte gedacht, dass Misogynismus und Sexismus deswegen abzulehnen seien, weil sie unangebracht und im 21. Jahrhundert als untragbar entlarvt wurden. Nur weil (einzelne?) Personen sich nicht davon betroffen oder gar beleidigt fühlen, wird dieses Verhalten doch nicht akzeptabler oder gar sozial vertretbar. Um mal die Rollen schnell zu vertauschen (rein theoretisch, versteht sich), damit ich mein Argument in die erste Person Singular umdrehen kann: Wenn mich eine Kollegin (oder auch ein Kollege, das ist letztlich erst mal nebensächlich) in eindeutiger Weise am Arbeitsplatz “anmachen” würde, wäre dies selbst dann noch falsch, unangebracht und dringend korrekturbedürftig, wenn ich dies als Kompliment empfände. Weil es eine in der Arbeitswelt – und im sozialen Zusammenleben insgesamt – notwendige Distanz ignoriert, egal ob es mich nun beleidigt oder mir schmeichelt. Denn was ist mit dem Kollegen/der Kollegin, der/die mangels sexueller Attraktivität nicht in den “Genuss” solcher Aufmerksamkeiten kommen? Wie gesagt, es geht eben immer auch um den Kontext. Anbagger-Sprüche haben nur bei einem bestimmten und sehr alten Berufszweig eine gewisse Berechtigung …
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