Ich erlaube mir mal, Florians aktuellen Beitrag zum “Beweis”, dass Leben außerhalb der Erde existiert, als Anlass – wieder mal – für eine kurze Betrachtung der Rolle von Medien im (wissenschaftlichen) Kommunikationsprozess zu nehmen. Denn so verständlich die Reaktion sein mag, dies als eine typische BILD-Ente, oder zumindest als eine typische BILD-Verzerrung von Wahrheiten zu betrachten (in der Tat ist dies der Kern des ersten Kommentars, der zu Florians Beitrag gepostet wurde, und durch die prominente Verknüpfung des Postings mit der BILD-Titelseite lässt sich auch Florians Beitrag selbst als eine BILD-Kritik interpretieren), und so sehr ich – aus eigener Erfahrung als langjähriger, wenn auch indirekter, BILD-Mitarbeiter – diesen Generalvorwurf gegen eine der auflagenstärksten Zeitungen der Welt – diesem Vorwurf der Nachrichten”bearbeitung” beipflichten muss: Die Verantwortung der Wissenschaft ist hier, zumindest meiner Meinung und Erfahrung nach (!), weitaus größer. Warum?
Weil “die Wissenschaft” diese Meldung genau so lanciert hat, wie sie letztlich dann in der BILD (und vermutlich vielen anderen Medien) erschienen ist: Scientists find life coming to Earth from space, verkündete die University of Sheffield in einer Pressmitteilung mit dem Datum vom 19. September, die übrigens auch in meiner Email-Inbox gelandet war. Da steht nicht “finden Hinweise auf” oder eine sonstige sprachliche Einschränkung der Aussage, sondern ganz eindeutig, und zwar als offizielle Mitteilung der Universität. Und nein, die University of Sheffield ist nicht etwa eine dubiose Titelmühle oder ein Provinzcollege im akademischen Vorfeld, sondern eine angesehene Forschungseinrichtung.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Nur weil ein Institut einen guten Ruf hat oder namhafte Wissenschaftler dort arbeiten, heißt selbstverständlich nicht, dass damit alles, was von dort verkündet wird, unangreifbar ist. Aber die wichtigste Frage, die sich ein Journalist stellen sollte, ist damit schon mal positiv beantwortet: “Ist die Quelle seriös?” Ab hier, soviel kann ich aus eigener Erfahrung sagen, stünden die meisten Journalisten/Korrespondenten, die ihren (Chef-)Redakteuren von dieser Story abraten wollen, schon auf verlorenem Posten. Dazu gleich noch ein wenig mehr…
Aber die Meldung ist auch in sich plausibel, selbst wenn sie letzlich nur das Sherlock-Holmes-Argument benutzt, dass nach Eliminierung aller anderen möglichen Erklärungen die einzig verbleibende Erklärung die richtige sein muss. Und sie basiert auf einem Artikel, der – wie der Meldung zu entnehmen ist – eine Peer Review passiert hat und im Journal of Cosmology veröffentlicht wurde. Okay, ich kannte das Journal vorher nicht, und wenn ich auf Wikipedia nachschaue, dann lerne ich, dass diese Publikation nicht unumstritten ist. Aber andererseits verrät mir ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, dass die Autoren dieses Journals offenbar an seriösen Unis (ich nenne hier mal nur die Universität Gießen und die Tufts University als Beispiele) tätig sind. Auch das muss selbstverständlich nichts heißen, und wir erleben ja oft, dass Fachleute auf einem Gebiet nicht notwendiger Weise die gleiche Expertise auf anderen Gebieten zeigen. Doch worauf es mir hier nur ankommt ist: Selbst wenn man einiges an Hintergrundrecherche anstellt und sich um Sorgfalt bemüht, gibt es bisher (noch) keine zwingenden Gründe, die Meldung nicht zu veröffentlichen.
So, hier mache ich mal kurz einen persönlichen Einschub: Als ich die Pressemitteilung in meiner Inbox fand, dachte ich erst mal an einen Scherz von der Art, die sich beispielsweise das BMJ (vormals: British Medical Journal) nicht nur zum 1. April gelegentlich gönnt. Und beim Lesen selbst stieß mir das oben bereits erwähnte Sherlock-Holmes-Argument sauer auf: Die Behauptung, alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen zu haben, ist eine ziemlich hohe Schwelle – vor allem, wenn damit eine absolut sensationelle Aussage begründet wird. Als Blogger habe ich zum Glück den Luxus, eine Meldung auch mal ignoreren zu können – aber ich weiß, dass ich als Korrespondent (= bezahlter Mitarbeiter) diesen Luxus nicht gehabt hätte.
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