Unsere Erde ist unter anderem deswegen so lebensfreundlich weil sie ein Magnetfeld hat. Das sorgt dafür, dass nicht allzu viel schädliche kosmische Strahlung an die Oberfläche kommt. Und es schützt unsere Atmosphäre vor dem Sonnenwind. Denn die Sonne leuchtet nicht nur für uns, sie schickt auch einen ständigen Strom elektrisch geladener Teilchen aus ihrer äußeren Hülle durchs All. Diese Teilchen können mit den Molekülen und Atomen der Luft wechselwirken und dafür sorgen, dass sie ins All verschwinden. Wie ein Sandstrahler würde der Sonnenwind die Erdatmosphäre abtragen – wenn da nicht das nette Magnetfeld wäre um den Sonnenwind schon im All zu stoppen und weitestgehend abzulenken.
Wir können also froh über das Magnetfeld sein. Denn ansonsten würde es der Erde so ergehen, wie es dem Mars ergangen ist. Denn der hat kein Magnetfeld und deswegen auch so gut wie keine Atmosphäre mehr. Und deswegen ist der Mars auch ein so ungemütlicher, lebensfeindlicher Planet mit einer Durchschnittstemperatur von -55 Grad Celsius. Ohne Atmosphäre ist nichts da, was die Wärme speichern könnte. Ohne Atmosphäre gibt es ein kein flüssiges Wasser auf der Oberfläche. Ohne Atmosphäre ist es doof. Ohne Atmosphäre ist auch jede groß angelegte Besiedelung des Mars reine Science Fiction. Wir könnten vielleicht ein paar Habitate bauen, in denen wir eine Atmosphäre einschließen. Aber selbst dann müssten wir die noch massiv abschirmen, um die Schäden durch die kosmische Strahlung zu verhindern. Aber “einfach so” auf der Oberfläche des Mars leben geht nicht.
Ja, es gibt diverse Theorien für ein sogenanntes “Terraforming”. Darüber habe ich hier ausführlich geschrieben. Es gibt – in der Theorie – Möglichkeiten, dem Mars eine Atmosphäre zu geben. Das ist enorm kompliziert, teuer, aufwendig und dauert mindestens Jahrhunderte. Und selbst wenn man das hinkriegt: Langfristig hilft es nicht, denn ohne Magnetfeld hat man an einer Atmosphäre keine Freude. Aber wie kriegt ein Planet ein Magnetfeld?
Dazu müssen wir uns die Erde ansehen. Die Erde hat ein Magnetfeld, weil sie eine große Kugel ist, in deren Inneren sich jede Menge Eisen befindet und jede Menge radioaktive Elemente, die all das Metall aufheizen. Der Eisenkern der Erde ist so groß wie der Mond und mit 5000 Grad so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Das ganze Eisen ist deswegen im Kern der Erde, weil es während der Entstehung des Planeten dorthin gesunken ist. Das schwerste Zeug sammelt sich dank der Gravitation im Zentrum – siehe dazu auch hier für Details). Und weil die Erde sich außerdem auch noch um ihre Achse dreht, bewegt sich das flüssige Metall. Es steigt auf, es sinkt ab, es wird durch die Corioliskraft in schraubenförmige Bahnen gelenkt. Außerdem ist das Eisen ein guter elektrischer Leiter und wenn sich ein elektrischer Leiter bewegt gibt es (das ist jetzt sehr vereinfacht) ein magnetisches Feld. Solange das Metall im Inneren der Erde noch flüssig und in Bewegung ist, werden wir unser Magnetfeld nicht verlieren.
Beim Mars ist das natürlich ebenso. Er ist auf die gleiche Weise entstanden wie die Erde; auch er ist eine große Kugel mit Metall im Inneren. Aber eben nicht so groß wie die Erde sondern deutlich kleiner. Weil er kleiner ist, ist er nach seiner Entstehung schneller abgekühlt als die Erde. Weil er kleiner ist, hat er auch weniger radioaktive Elemente in seinem Inneren. Das alles hat dazu geführt, dass der Mars schon lange kein flüssiges Eisen mehr besitzt. In seinem Kern bewegt sich nichts mehr. Und es gibt kein Magnetfeld. Und daher keine Atmosphäre, kein flüssiges Wasser und kein Leben.
Was also tun? In einem schlechten Science-Fiction-Film würde man ein großes Loch bohren, eine noch größere Atombombe reinwerfen und den Marskern wieder aufschmelzen und in Bewegung versetzen. Die Realität ist aber kein schlechter Science-Fiction-Film. Hier geht das nicht. Bis jetzt gibt es keine wirklich realistische Methode, dem Mars ein Magnetfeld zu geben. Aber es gibt zumindest eine Methode, wie man den Mars vor dem Sonnenwind schützen könnte (obwohl ich auch die nicht “realistisch” nennen würde, wenn ich ehrlich bin). Sie stammt von Jim Green von der NASA und wurde letztes Jahr in einem kurzen Konferenzbeitrag skizziert (“A Future Mars Environment for Science and Exploration”).
Vereinfacht gesagt: Man fliegt zum Lagrange-Punkt L1. Das ist ein Punkt zwischen Mars und Sonne, wo sich alle wirkenden Kräfte die Waage halten. Dort kann man – vereinfacht gesagt – etwas “parken” und es bleibt dort, auch ohne Antrieb. An diesem Punkt installiert man dann ein “Ding” das ein Magnetfeld erzeugt. Dieses Magnetfeld blockiert einen Teil des Sonnenwinds; es erzeugt quasi einen “Magnetschatten” in dem der Mars liegt. Was das für ein “Ding” sein soll und wie man das baut so dass das Magnetfeld ausreichend groß und stark ist? Keine Ahnung. Die haben auch Jim Green und seine Kollegen nicht sondern verweisen nur darauf, dass man sowas in der Zukunft ja vielleicht durchaus hinkriegen könnte.
Und sollte das der Fall sein, dann fliegen wir alle zum Mars und spazieren dort in kurzen Hosen über die roten Dünen? Nein, leider nicht. Denn dann hat der Mars ja immer noch keine Atmosphäre. Er könnte im Laufe der Zeit auf natürliche Weise wieder eine ausbilden. Aber das wird dann eben eine Marsatmosphäre sein und keine für uns Menschen. Denn der Mars ist immer noch viel kleiner als die Erde. Und hat immer noch viel weniger Masse. Weniger Masse heißt weniger Gravitationskraft und davon braucht ausreichend viel, wenn man eine Atmosphäre festhalten will. Die Luftmoleküle bewegen sich und wenn ihre Bewegung schneller ist als die Fluchtgeschwindigkeit (die Geschwindigkeit die man braucht um der Anziehungskraft eines Himmelskörpers zu entkommen), dann verabschiedet sich die Atmosphäre früher oder später ins All; egal ob da jetzt ein Magnetfeld ist oder nicht. Wie schnell sich Moleküle bewegen hängt von der Temperatur ab und wie groß die Fluchtgeschwindigkeit ist von der Masse des Planeten. Wenn wir am Mars eine erdähnliche Atmosphäre haben wollen, müssen wir ihn aufwärmen und das erhöht die Geschwindigkeit der Moleküle. Die Masse und damit die Fluchtgeschwindigkeit bleibt aber gleich. Und dann wird es kritisch. Wasserdampf kann der Mars dann nicht mehr in der Atmosphäre halten (konnte er früher aber auch schon nicht). Und was Stickstoff und Sauerstoff angeht, ist das dann hart an der Grenze. Vielleicht könnte er das gerade noch so halten – aber ein klein wenig zu viel Wärme und auch diese Moleküle verschwinden ins All (und wir Menschen sind nicht gerade gut darin wenn es darum geht, die Erwärmung eines Planeten zu verhindern).
Selbst mit Magnet-Schutzschirm könnten wir dem Mars nur eine CO2-Atmosphäre geben. Was für den Mars ganz ok sein dürfte, für uns Menschen die wir dort leben wollen würden, aber nicht. Dazu müssten wir dem Planeten auch mehr Masse geben. Aber wenn wir technisch schon so weit sind, dass wir die Masse eines Planeten verändern können, dann müssen wir vermutlich auch nicht mehr mit Magnetdingern in Lagrangepunkten rumpfuschen. Sondern drücken wohl einfach nur noch irgendwo auf nen Knopf auf dem “Mars terraformen” steht und der Rest geht von selbst…
Alle Artikel aus der Serie “Erdkugelgeschichten”
Einleitung: Die Erde ist nicht flach und das ist gut so
Sternengeschichten Folge 293: Al-Biruni und die Größe der Erdkugel (erscheint am 06.07.2018)
Erdkugelgeschichten 01: Das Kreuz des Südens und der Himmel auf der anderen Hälfte der Erde (erscheint am 09.07.2018)
Erdkugelgeschichten 02: Der Sonnenuntergang kommt später als man denkt (erscheint am 10.07.2018)
Erdkugelgeschichten 03: Zu groß um flach zu sein: Der Future Circular Collider und die Zukunft der Teilchenphysik (erscheint am 11.07.2018)
Erdkugelgeschichten 04: Perseiden, Sternschnuppen und Plädoyer für das frühe Aufstehen (erscheint am 12.07.2018)
Sternengeschichten Folge 294: Warum sind Planeten rund? (erscheint am 13.07.2018)
Erdkugelgeschichten 05: Terraforming Mars: Wie kriegt ein Planet ein Magnetfeld? (erscheint am 16.07.2018)
Erdkugelgeschichten 06: Mach es wie die Sonnenuhr: Zeitmessung für alle! (erscheint am 17.07.2018)
Erdkugelgeschichten 07: Der blaue Himmel, die rote Sonne und die runde Erde (erscheint am 18.07.2018)
Erdkugelgeschichten 08: Flache Erde oder Erdkugel – Wer profitiert von der Verschwörung? (erscheint am 19.07.2018)
Sternengeschichten Folge 295: Mondfinsternisse und der “Blutmond” (erscheint am 20.07.2018)
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