Kennt hier jemand noch das Kinderbuch “Wenn ein Unugunu kommt“? An diese Geschichte und an die üble, vergiftete Stimmung im Haus der Familie Schnohr, kurz bevor das Unugunu platzt, mußte ich vor allem in der letzten Zeit denken, wenn ich die Situation in den USA und ihr orangenes statt grünes Ungeheuer betrachtet habe.
Die US-Wahl ist nun endlich vorbei, das Unugunu ist geplatzt, J. Biden hat gewonnen und wenn es keinen Bürgerkrieg, Betrug mit Wahlmännern oder irgend einen anderen Wahnsinn mehr gibt, endet im Januar der Alptraum der Präsidentschaft dieses unlustigsten, bedrohlichsten Clowns der Welt. Dennoch war Bidens Sieg keineswegs so schnell und erdrutschartig, wie er dem Gefühl so vieler Menschen auf der ganzen Welt nach hätte sein müssen.
Ich selbst begreife auch nicht, wie nach vier Jahren einer sich endlos anfühlenden Horrorshow aus immer neuen Skandalen, immer krasseren Entgleisungen, Norm- und Tabubrüchen, regelrechten Straftaten und Korruption, einem hochverdienten Impeachment, offensichtlicher Günstlings-und Vetternwirtschaft, überall verbrannter Erde, atemberaubender Inkompetenz und Indifferenz mit 100.000en vermeidbaren Pandemietoten als Folge und einem Dauerfeuer, ja einer Artilleriebarrage aus Lügen, Lügen, Lügen in vollkommen irrsinnigem Ausmaß (es gibt einen eigenen Wikipedia-Eintrag dazu) auch nur ein einziger neurologisch unauffälliger Mensch abermals diesen brandgefährlichen malignen Narzißten, diesen adipösen, selbstverliebten, kürbisförmigen und -farbigen Halb-Orang-Utan, diese pseudoreiche, wort- und glor-arme, geist- und gedankenlose Schicht aus Selbstbräuner um eine heulende Leere für vier weitere Jahre zu wählen imstande ist. Stattdessen waren es derer sogar zig Millionen, darunter Frauen, Latinos und Schwarze. WARUM?!
Vor vier Jahren hatte ich spekuliert, ob eine Gegenreaktion gegen die Zumutungen der regressiven Linken zu Trumps Wahl mit beigetragen hatte. Wie war es diesmal? Haben vielleicht eine Menge Leute, die noch mehr, als sie Trump widerlich finden, von den Botschaften der extremen Linken abgestoßen sind, lieber mit zugehaltener Nase und danach einer gründlichen Dusche Trump gewählt?
Sam Harris konnte sich die anhaltende, in einigen Bevölkerungsgruppen sogar steigende, in anderen längst zu einem völlig unkritischen, irren Kult herangewachsene Begeisterung für Trump ebenfalls nie ganz erklären. Zu offensichtlich war doch sein Versagen, zu zahlreich, plump und gefährlich die Lügen, zu unverhohlen seine rassistischen, sexistischen Züge. In einer aktuellen Folge seines „Making Sense“-Podcasts erzählt er, wie er erst kürzlich und plötzlich eine Einsicht hatte, die ihm half, das Phänomen zu begreifen. Da ich den Erklärungsversuch sehr interessant und nicht unplausibel finde, habe ich das Segment für Euch transkribiert und übersetzt:
“Ich habe einen wichtigen Aspekt von Trumps Anziehungskraft entdeckt. Insbesondere denke ich, daß ich endlich verstehe, daß er wegen, nicht trotz seiner Fehler unterstützt wird. Wirklich, das ist der Schlüssel: daß all die Dinge, die ich an ihm verabscheue, nicht nur Dinge sind, über die die Leute bereitwillig hinwegsehen, sondern Gründe an und für sich selbst, aus denen die Leute ihn unterstützen. Und genau das hatte ich bis jetzt nicht verstanden. Ich habe in meinem Podcast ja wiederholt die Fehler dieses Mannes beschrieben. In meinen Augen fehlt es ihm an nahezu jeder Tugend, für die es überhaupt ein Wort gibt: Weisheit, Wissbegierde, Mitgefühl, Großzügigkeit, Disziplin, Mut, was auch immer auf Eurer Liste steht, er besitzt nichts davon. Aber seine Unterstützer wissen das und er ist ein Ausbund von Gier und Narzißmus und Kleinlichkeit und Bösartigkeit, echter Bösartigkeit. Das ist ein Mensch, der seinen Haß offen vor sich her trägt; er schmäht und beschimpft ganz plötzlich Leute, die er gestern noch zu bewundern vorgab. Während er also vor allem anderen Loyalität von jedem in seinem Umfeld fordert, ist er selbst zugleich erstaunlich illoyal.
All das ist völlig offensichtlich und deshalb war mir seine Anziehungskraft lange ein totales Rätsel. Doch ich glaube, daß ich das Rätsel jetzt gelöst habe. Das war wie eine von diesen „Das magische Auge“-Illustrationen, wo man ewig auf einen chaotischen Haufen Punkte starrt und dann plötzlich kommt die darin eingebettete 3D-Abbildung zum Vorschein und das Bild von Trumps Anziehungskraft versteht man wirklich am besten im Vergleich zu den Botschaften seiner Gegner bei der politischen Linken. So kann man es in 3D erkennen, so kommt das Bild endlich zum Vorschein und nimmt die Trump-Hälfte dieses Bildes in sich auf: Eine Sache, die Trump anderen niemals vermittelt, ja gar nicht vermitteln kann, ist ein Eindruck seiner moralischer Überlegenheit. Dieser Mensch ist volkommen frei von Scheinheiligkeit. Selbst wenn jede seiner Äußerungen nur dem Eigenlob und der Selbstverherrlichung dient, selbst wenn er seine Anhänger verunglimpft und schlecht macht, selbst wenn er sich selbst als Genie bezeichnet, vermittelt er doch niemals, daß er besser als seine Zuhörer ist, aufgeklärter, weiser oder anständiger, denn das ist er nicht und jeder weiß das. Dieser Mensch ist einfach nur eine einzige Zusammenballung aus Sünde und Blut („a bundle of sin and gore“), er gibt auch niemals vor, mehr als das zu sein und, vielleicht noch bedeutender, er strebt nicht einmal an, mehr zu sein. Und aus diesem Grund, weil er seine Anhänger niemals wirklich verurteilt, kann er sie niemals verurteilen. Er bietet einen echten „safe space“ für menschliche Schwäche und Heuchelei und Selbstzweifel. Er bietet, was kein glaubwürdiger Priester je bieten könnte: eine völlige Sühne der Schande (“shame”). Seine eigene Schamlosigkeit wird dann zu einer Art spirituellem Balsam: Trump ist der fette Jesus, er ist der „grabsch’ ihnen an die Muschi“-Jesus, er ist der „Ich esse nur Cheeseburger“-Jesus, er ist der „Ich will ihm ins Gesicht schlagen“-Jesus, er ist der „Geht zurück in Eure Scheißloch-Länder“-Jesus, er ist der Keine-Entschuldigungen-Jesus…
Und jetzt halte man sich einmal die andere Hälfte des Bildes vor Augen: was bekommen wir von der Linken? Wir bekommen genau die gegenteilige Botschaft: pure Scheinheiligkeit, pure Verurteilung, “Du bist nicht gut genug, Du bist schuldig, nicht nur Deiner eigenen sondern auch noch Deiner Vorväter Sünden. Die Verbrechen der Sklaverei und des Kolonialismus lasten auf Deinen Schultern und wenn Du ein cis, weißer, hetereosexueller Mann bist – die bekanntlich den absoluten Kern von Trumps Anhängern bilden – dann bist Du ein homophober, transphober, islamophober, sexistischer Barbar! Reiß’ diese Statuen nieder und beug’ Dein verdammtes Knie!” Es ist die Gegenüberstellung dieser beiden Botschaften, die gerade jetzt so wirkungsvoll ist. […] Und nun, glaube ich, verstehe ich diejenige Hälfte dieses Landes, die über Trump eine so andere Meinung hat als ich, ein wenig besser als noch gestern.”
— Sam Harris
Aber auch der US-Comedian Bill Maher hat sich nun zur ungebrochenen Zustimmung von 71 Millionen Amerikanern zu Trump geäußert. In einem aktuellen Monolog (s.u.) kritisiert er die ReLi und ihrer “Woke“-Kultur und kommentiert den möglichen Einfluß jener auf das Wahlverhalten vieler Amerikaner. Er stellt fest, daß, obwohl Trump abgewählt wurde, die Demokraten im Repräsentantenhaus sogar Sitze verloren und die Mehrheit im Senat nicht gewonnen haben:
“Die Botschaft eines so großen Teils des Landes an die Demokraten scheint zu sein: ‘Wir mögen Trump nicht, aber wir bringen es nicht über uns, Euch zu wählen’. Wenn Crackerjack aus Popcorn und Hundescheiße gemacht wäre und die Hälfte der Leute das Popcorn wegschmeißen würde, sollte das Popcorn wissen wollen, warum!” (Ü: CC)
Er zitiert dann die demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Abigail Spanberger aus Virginia, wie folgt:
“Wenn wir Dienstag [Anm. CC: 3.11.20, Präsidentenwahl in den USA] als Erfolg einordnen, werden wir 2022 verdammt noch mal wieder in Stücke gerissen!” (Ü: CC)
Maher kritisiert, daß die von ReLi-Diskursen und -ideologie geprägte Rhetorik vieler Demokraten einer großen Zahl von Amerikanern verrückt und weit jenseits von Vernunft und “gesundem Menschenverstand” (engl. common sense) vorkomme. Er charakterisiert die Demokraten als die Partei
“jeder einzelnen hyperempfindlichen Social-Justice-Warrior-Woke-Bullshit-Geschichte in den Nachrichten. Es ist die Partei, die Leute verschwinden läßt [Anm. CC: er spielt hier auf die Cancel Culture an] oder versucht, sie zu zwingen, sich für irgendwelche Lächerlichkeiten zu entschuldigen.”(Ü: CC)
Als eines von mehreren Beipielen führt er Anne Hathaway an, die sich entschuldigen mußte, weil sie in einem neuen Film eine Hexe spielte, die drei klauenartige Finger besitzt und weil das beleidigend für Personen mit mißgebildeten Gliedmaßen sei.
Schließlich sagt er:
“Deshalb gehen Leute wählen. Nicht wegen Politik! Im Wahlkampf haben die Demokraten die ganze Zeit gesagt: Ihr könnt ja wohl auf keinen Fall denken, daß Trump dem vorzuziehen ist, was wir anzubieten haben, oder?! Und viele Wähler sagten: Yes we can!” (Ü: CC)
Zum Schluß läßt er noch B. Obama zu Wort kommen, der sich mit folgenden Worten an Studenten richtete:
“Diese Idee von Reinheit und daß Ihr niemals kompromittiert und immer politisch “woke” seid und dieses ganze Zeug… da solltet Ihr Euch ganz schnell von verabschieden.”
Hier ist der Original-Monolog:
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So, liebe LeserInnen, was haltet Ihr von Trump und von den Thesen und Einschätzungen von Harris und Maher dazu, und wie erklärt Ihr Euch, daß er trotz allem (und immer noch) so viele Anhänger hat(te)?
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