Bei der Hauptversammlung der ISFG-Mitglieder am Donnerstagabend schließlich wurde unter anderem nicht nur Peter Schneider fast einstimmung für gleich zwei Ämter gewählt :’-( , es wurde auch der Veranstaltungsort der ISFG Tagung 2026 bestimmt (2024 stand schon fest, da werden wir nach Santiago de Compostela gehen und nein, ich werde nicht den “Camino machen”). Beschämenderweise hatte die ISFG die Bewerbung Dubais akzeptiert und mithin ernsthaft erwogen, dort, wo man Menschenrechte nur als männlicher, heterosexueller, moslemischer Araber genießt, wo es, wie auch in Katar, Beispiele moderner Sklaverei gibt und wo Homosexualität verboten und mit Haftstrafe bedroht ist (s. auch Reisewarnung des ausw. Amtes) unseren Kongress stattfinden zu lassen. Ach ja, bevor das jetzt einer behauptet: Frauen sind dort nicht gleichgestellt, nur weil sie Autofahren und ein Geschäft gründen dürfen. Ich zitiere (und übersetze) mal:

Häusliche Gewalt ist in den VAE legal, weil der Islam es einem Ehemann erlaubt, seine Frau und minderjährige Kinder zu züchtigen oder zu disziplinieren. Leider nimmt die Polizei die Anzeigen von Frauen, die sich an die Polizei wenden, nicht immer ernst, weil sie als häusliche Privatangelegenheit betrachtet werden. Ehefrauen sind verpflichtet, ihren Ehemännern zu gehorchen. Vergewaltigungsopfer, die um Unterstützung bitten, können wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs angeklagt werden, was in den VAE illegal ist und unter Strafe gestellt wird.

Reizend, nicht wahr? Der perfekte Ort für einen Kongress, gell? Das andere Angebot kam aus Montreal und zum Glück stimmten die Delegierten mit überwältigender Mehrheit für die schöne Stadt im Osten Kanadas; ich freue mich schon darauf, in vier Jahren dorthin zu reisen (nach Dubai wäre ich nämlich nicht gegangen).

Sehr gut hat mir aber das Motto des Kongresses “In Science We Trust” gefallen, das nicht nur inhaltlich richtig ist, sondern in einem Land wie den USA sicher auch mit politischem Spin gedacht worden war.

Und in zwei Jahren, vorausgesetzt es passiert / eskaliert nicht wieder irgendwas, geht es dann zum 30. Jubiläum unseres Kongresses, wie erwähnt, in den Nordwesten von Spanien nach Santiago de Compostela. Freu mich schon drauf 🙂

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Referenzen:

[1] Samie, L., Champod, C., Delémont, S., Basset, P., Hicks, T., & Castella, V. (2022). Use of Bayesian Networks for the investigation of the nature of biological material in casework. Forensic Science International, 331, 111174.

[2] Claerhout, S., Vanpaemel, S., Gill, M. S., Antiga, L. G., Baele, G., & Decorte, R. (2021). YMrCA: Improving Y‐chromosomal ancestor time estimation for DNA kinship research. Human Mutation, 42(10), 1307-1320.


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Kommentare (5)

  1. #1 Kollege
    21/09/2022

    Ich war auch da und stimme weitestgehend zu, wobei ich die Ancestry-Sachen sehr spannend fand (auch, wenn das in Deutschland (noch) nicht zulässig ist).
    Und ja, Essen und Kaffe waren wirklich unterirdisch.
    Aber insgesamt hat mir die Tagung doch gut gefallen.

  2. #2 Dr. Webbaer
    21/09/2022

    Hab selbst so zu tun, bin aber auch, genetisch sozusagen halb auch auf alliierter Seite gewesen :

    Faszinierend fand ich einen Vortrag aus München, der sich mit modernen forens.-genetischen Methoden zur Identifikation von mehr als 1 Mio. gefallener deutscher Soldaten (WWII) befasste, die nicht mehr anhand ihres Militärabzeichens identifiziert werden konnten, das die deutschen Soldaten damals trugen. Zu diesem Zweck wurde sogar eine neue Datenbank, die “German Genetic Database of Fallen Soldiers” gegründet.

    Dr. Webbaer war selbst Soldat und mag derartiges Versterben, das Gefallen-Sein meinend, nicht sonderlich.
    Vielen Dank auch für andere Ergänzungen.
    MFG
    WB

  3. #3 RPGNo1
    21/09/2022

    Einen Vortrag fand ich hingegen nicht nur fehl am Platze sondern regelrecht ärgerlich: “Ethics as Lived Practice: Anticipatory capacity and ethical decision- making in forensic genetics“. Die britische Sprecherin dozierte mit einer Attitüde ziemlich unappetitlicher, woker Selbstgerechtigkeit von oben herab, daß die forensische Genetik ja ganz toll und wichtig sei, ABER häufig von uns nur “dünne Ethik” (= kurzsichtige Fokussierung auf Verfahren und die Betrachtung von Privatheit als einziges ethisches Anliegen und Technologie als bloßes Werkzeug) praktiziert werde und Ethik bei uns nicht oft genug “gelebte Praxis” sei.

    Oh, das erinnert mich an die Diskussion zur Schließung der forensischen Genetik der Charité und die Eingaben seitens Frau Lipphardt und Hernn Moreau

  4. #4 Cornelius Courts
    22/09/2022

    @RPGNo1: “Oh, das erinnert mich an die Diskussion”

    Das nenne ich mal einen aufmerksamen Leser! 🙂

    “zur Schließung der forensischen Genetik der Charité und die Eingaben seitens Frau Lipphardt und Hernn Moreau”

    Da bist Du nicht alleine 😉

  5. #5 RPGNo1
    22/09/2022

    @CC

    Das nenne ich mal einen aufmerksamen Leser!

    Berufskrankheit! 🙂

    Was meinst du, wie oft ich in meinem Job eine Frage der folgenden Art erhalte: “Wir haben von Kunde X eine Frage zu ihrem Produkt Y erhalten. RPGNo1, du hast doch einen ähnlichen Fall im Jahr 2011 bearbeitet. Was hast du damals geantwortet?”

    RPGNo1 geht an die Arbeit und durchforstet die alten Ordner und archivierten Emails. 😀