Ebenfalls um die Detektion von Spermien ging es bei der sehr eindrucksvollen Präsentation von J. Kumme vom LKA Berlin, wo man eine sehr teure und aufwendige Anlage zur automatischen Mikrokskopabsuche von Ausstrichpräparaten angeschafft und validiert hatte. Die mikroskopische Suche in solchen Präparaten durch Menschen ist sehr zeitaufwendig und in gewissem Umfang fehleranfällig, allerdings ist die mikroskopische Detektion von Spermien ein sicherer Nachweis von Sperma und daher von großer forensischer Bedeutung. Die automatisierte Suche basiert hier auf einem aufwendig trainierten „deep neural network“ (DNN), also einer Methode des „maschinellen Lernens“, das anhand von hunderten von Beispielen sehr gut lernt, Spermien in einem Ausstrichpräparat zu erkennen.

Das LKA kann diese Methode nun in seiner Routinearbeit einsetzen und dadurch sehr viel Zeit sparen und die Dokumentation verbessern bei gleichzeitig hoher Ergebniszuverlässigkeit. (Etwas ähnliches hatten die Kollegen aus Zürich schon vor zwei Jahren publiziert [3])- Ziemlich cool!

Apropos Zürich: N. Hänggi hatte den letzten Wissenschaftsvortrag am Freitag und berichtete von den Ergebnissen von „RNAgE“, einem EU-geförderten Kooperations-Projekt unter der Leitung des Bundeskriminalamts zur Bestimmung des biologischen Alters anhand differentieller RNA-Expression, an dem neben den Zürichern und dem LKA Bayern übrigens auch wir (Annica und yours truly) beteiligt waren. In der Präsentation der Kollegin ging es um die sich ziemlich schwierig gestaltet habende Suche nach geeigneten RNA-Kandidaten aus Blutproben, aus deren gemeinsamem Expressionsmuster sich mittels geeigneter biostatistischer Algorithmen das biologische Alter der Person, von der das Blut stammt, bestimmen läßt (und ja, lieber Leser, gut aufgepasst, das geht auch und sogar wahrscheinlich etwas besser mit der Methylierungsanalyse, nur verbraucht diese sehr viel mehr Material, das man in typischen forensischen Szenarien oft nicht hat). Ein paar solcher Marker haben wir aber doch gefunden und unsere Biostatistikerin hat ein Vorhersagemodelle gebastelt, mit deren bestem wir in erster Näherung auf eine Schätzgenauigkeit von ca.+/- 4 Jahren kommen, wofür jedoch über 200 Gene einbezogen werden müssen, was das ganze sehr aufwendig macht [4]. Ist also noch einiges zu tun, aber es war auch schon von Beginn des Projekts an klar, daß es nicht einfach werden würde. Während der mehrjährigen Laufzeit sind wir als „RNAgE-Grüppli“ (wie die Zürcher uns getauft haben) jedenfalls echt zusammengewachsen und es wurde für uns sogar ein cooles „Gang-Shirt“ (und ja, die Black-Metal-Remineszenz ist durchaus beabsichtigt \m/) designt, in dem wir posiert haben:

das (wegen wegen einer Verkettung ungünstiger Ereignisse leider unvollständige (drei fehlen)) RNAgE-Grüppli

Nach der üblichen Freitagabend-Spurenworkshop-Sause mit Speis & Trank (diesmal im Casino der Uni Frankfurt), die ich traditionell hurtig verlasse, sobald zum Tanze etwas aufgespielt wird, was einige Leute “Musik” zu nennen den Humor haben, ging es am Samstagmorgen weiter mit dem Programm:

Zuerst stellten Mitglieder der Spurenkommission die Ergebnisse der Module (STRs, mtDNA, Biostatistik, vollkontinuierliche Modelle) des neuen TrACE-Ringversuchs vor (für FDP und Alter war leider keine Zeit mehr). Dafür, daß das ein erstes Mal war, war alles einigermaßen gut gelaufen und waren auch die Ergebnisse der teilnehmenden Labore recht zufriedenstellend gewesen. TrACE soll auch 2024 wieder angeboten werden, wir werden Verbesserungsvorschläge umsetzen und schauen, wie es läuft.

Ziemlich spannend am Samstag war dann noch der Fallbericht von B. Rolf von einem Privatlabor, in dem es um die Unterscheidung eineiiger Zwillinge ging, deren identisches DNA-Profil in Spuren aus einer Vergewaltigungsserie gesichert worden waren, ging. Eineiige Zwillinge sind genetisch (fast) identisch und lassen sich mittels normaler STR-Analyse bekanntlich nicht unterscheiden. Rolfs Gruppe, die inzwischen schon 11 solcher “Zwillingsfälle” bearbeitet hat, hatte jedoch schon vor 10 Jahren die erste Arbeit publiziert [5] (s. auch hier), die zeigte, daß man mittels ausreichend tiefer MP-Sequenzierung somatische Mutationen bei finden kann (die nach der Trennung der Embryonen passieren), die also nur bei einem der Zwillingspartner auftreten, so daß, wenn man eine solche Mutation wie in diesem Fall dann auch in Spurenmaterial an einem Tatort nachweisen kann (oder eben nicht), man die Spur einem der Zwillinge zuordnen kann.

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Kommentare (2)

  1. #1 RPGNo1
    22/03/2024

    Sehr nett! 🙂

    Danke für die spannende Zusammenfassung.

  2. #2 rolak
    22/03/2024

    Namensschild ist noch vom Vorredner .. ist ein gutes Zeichen

    Für mich auch, wenn sich Fremdorganisationen so hübsch und schadensfern irren 😉


    Wie bisher immer auch diesmal ein lehrreicher und unterhaltsamer ReiseReport!