Übrigens/natürlich war auch meine Gruppe wissenschaftlich wieder gut im Programm vertreten. Kathrin, die inzwischen meine Doktorandin auf dem DFG-geförderten Nukleinsäure-Projekt ist, stellte die (noch zu publizierenden) Daten ihrer Masterarbeit vor, im Rahmen derer sie eine Methode zur Identifikation forensisch relevanter Organgewebe erarbeitet hat, die wir inzwischen sogar nach DIN/ISO 17025 akkreditiert haben und in der Routinearbeit einsetzen können. Kathrins Methode baut auf einer >10 Jahre alten Methode von Lindenbergh et al. auf, hat aber viele Neuerungen und Verbesserungen.

Annica, Doktorandin im letzten Jahr, präsentierte eine Studie [6], die gewissermaßen ein “spin-off”-Produkt ihres Traces-of Time- (s. letztes Jahr) und des RNAgE-Projekts (s.o.) war und in der wir untersucht hatten, warum es so schwierig ist, RNA aus der Spurenart Speichel mittels MPS zu analysieren. Einer der Gründe ist, daß Speichel eine besonders große Menge Mikroorganismen enthält (z.B. Bakterien), deren RNA mit der Analyse menschlicher RNA interferiert. Hinzukommt, daß selbst in frischem Speichel die Degradation RNA ein echtes Problem darstellt.

Und dann hatten wir noch einen Medizinstudenten (!, das ist auf dem Spurenworkshop, wo eher Naturwissenschaftler anzutreffen sind, durchaus ungewöhnlich) dabei, der für seine Doktorarbeit >50 Studien zum „Shedder Status“, den man besser, wie er argumentierte, als „individuelle Abscheideneigung“ bezeichnen müsste, zu einer Metaanalyse zusammengefasst hat, um die Fragen zu beantworten, ob dieser Status bzw. diese Neigung überhaupt sinnvoll als Konzept fassbar ist (Antwort: ja!) und wie man sie charakterisieren (z.B. in wie viele Kategorien man sie einteilen) sollte, welche Eigenschaften sich auf Ihre Ausprägung auswirken und mit welchen Methoden man sie am besten erfassen kann (s. Bild oben). Zum Hintergrund: die individuelle Abscheideneigung, also die Neigung von Individuen, Hautzellen und -schuppen durch Kontakt mit Oberflächen abzuscheiden bzw. zu -streifen, spielt eine ganz erhebliche Rolle bei der Beurteilung von Spurenbildern im Aktivitätenkontext z.B., wenn DNA-Transfer eine Rolle bei ihrer Entstehung gespielt haben könnte. – Nicht nur war der Vortrag des Studenten gut – vor allem für ein erstes Mal auf einer solchen Tagung – seine Erkenntnisse sind auch so wichtig und interessant, daß wir sie veröffentlichen werden.

Übrigens war auch Jan, meine ehemaliger Doktorand, der an der Rechtsmedizin Kiel (von dort kam diesmal ein Vortrag zu einer vielversprechenden neuen Methode zur Extraktion von DNA auch aus sehr strapazierten Knochen) geblieben ist, wieder da und er hat immer noch einen exzellenten T-Shirt-Geschmack:

noch jemand Lust auf Pommes? \m/

So ging der 44. Spurenworkshop in Frankfurt zu Ende, der trotz schlechter Vorzeichen gelungen ist und wie immer viel Gelegenheit bot, Neues zu lernen, Bekanntes zu vertiefen und neue Ideen zum Ausprobieren zu entwickeln. Außerdem habe ich natürlich wieder viele nette Menschen, bekannte und neue, getroffen, was mich stets besonders freut. Nächstes Jahr geht es dann nach Salzburg. Ich werde da sein 🙂

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Referenzen

[1] Euteneuer, J., Moitinho-Silva, L., & Courts, C. (2024). Forensically relevant anatomical brain regions cannot be sub-differentiated by RNA expression analysis. Forensic Science, Medicine and Pathology, 1-6.

[2] Gosch, A., Bhardwaj, A., & Courts, C. (2022). TrACES of time: Transcriptomic Analyses for the Contextualization of Evidential Stains–towards estimating the time of deposition. Forensic Science International: Genetics Supplement Series, 8, 314-316.

[3] Golomingi, R., Haas, C., Dobay, A., Kottner, S., & Ebert, L. (2022). Sperm hunting on optical microscope slides for forensic analysis with deep convolutional networks–a feasibility study. Forensic Science International: Genetics, 56, 102602.

[4] Dørum, G., Hänggi, N. V., Burri, D., Marti, Y., Banemann, R., Kulstein, G., … & Neubauer, J. (2024). Selecting mRNA markers in blood for age estimation of the donor of a biological stain. Forensic Science International: Genetics, 68, 102976.

[5] Weber-Lehmann, J., Schilling, E., Gradl, G., Richter, D. C., Wiehler, J., & Rolf, B. (2014). Finding the needle in the haystack: differentiating “identical” twins in paternity testing and forensics by ultra-deep next generation sequencing. Forensic Science International: Genetics, 9, 42-46.

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Kommentare (2)

  1. #1 RPGNo1
    22/03/2024

    Sehr nett! 🙂

    Danke für die spannende Zusammenfassung.

  2. #2 rolak
    22/03/2024

    Namensschild ist noch vom Vorredner .. ist ein gutes Zeichen

    Für mich auch, wenn sich Fremdorganisationen so hübsch und schadensfern irren 😉


    Wie bisher immer auch diesmal ein lehrreicher und unterhaltsamer ReiseReport!