“Lieber reich und gesund als arm und krank”, pflegte mein Vater zu sagen. Wenn man den Sarkasmus dabei mal außer Acht lässt, wird man den Zusammenhang zwischen körperlichem und geistigem Wohlbefinden auch in einer modernen Industriegesellschaft unschwer nachvollziehen können. Dass materieller Wohlstand dabei nachrangig sein kann, behauptet nicht nur das alte Sprichwort (zumindest in seiner ursprünglichen Form, “lieber arm und gesund …”), dies belegt auch eine Pressemitteilung der University of Kansas, die sich wiederum auf eine Auswertungs des Gallup World Poll bezieht, die von der KU-Psychologiedozentin und Gallup-Mitarbeiterin Sarah Pressman auf der Jahrestagung der American Psychosomatic Society in Chicago präsentiert werden soll.


Die Aussage an sich würde wohl niemand bezweifeln: Physische Gesundheit ist eine der elementarsten Bedingungen fürs Wohlfühlen, dazu braucht man wohl keine groß angelegten Forschungsprogramme. Die Überraschung der Forscher (oder zumindest des Verfassers der Pressemitteilung), dass dies auch in den ärmsten Ländern der Welt gilt, wo die Menschen viel existenziellere Sorgen haben als das Streben nach Glück, ist meiner Ansicht nach dagegen schon überraschender. Dort ist Gesundheit eine Überlebensnotwendigkeit. In den modernen Gesellschaften wird Gesundheit hingegen nicht selten dem (vermeintlichen) Glück untergeordnet: “rekreativer Drogenkonsum” wäre hier nur ein Stichwort, Workaholismus ein anderes. Und nicht nur Extremsportler neigen dazu, ihre Knochen freiwillig für einen Moment der Euphorie aufs Spiel zu setzen.

Was mich bei der Studie – die leider bisher nicht im Volltext zu finden war, weder auf der Gallup-Seite, noch bei der Universiy of Kansas oder der American Psychosomatic Society – stört ist, dass sie eine Kausalität zwischen Glück und Gesundheit herstellt, genauer gesagt, dass sie die positiven Emotionen zur Ursache der physischen Gesundheit erklärt: “KU research finds human emotions hold sway over physical health around the world”, verkündet die Pressemitteilung, zu Deutsch etwa: “Menschliche Gefühle kontrollieren die physische Gesundheit weltweit” (das Paper selbst gibt sich hier etwas zurückhaltender und fragt nur “Are Positive and Negative Affect Independently Associated With Health in a Representative Sample of the World?”) Ohne die Methode zu kennen – aber basierend auf dem, was ich bisher über Meinungsumfragen im Allgemeinen und speziell die Gallup-Umfragen wusste – würde ich dennoch annehmen, dass lediglich eine Korrelation von Glücksempfinden und Gesundheit erfasst werden konnte; ob und wie das eine die andere bedingt, wäre damit noch nicht festgestellt.

Natürlich ist es “nur” eine Pressemitteilung, und die ist in der täglichen Informationsflut “water under the bridge”, wie ein englisches Sprichwort das schnell zu Vergessende bezeichnet. Aber den Satz

The research proves that positive emotions are critical for the upkeep of physical health for people worldwide, above all for those who are deeply impoverished.

finde ich dann doch zu sehr in die Irre geleitet und vor allem in die Irre leitend. Umgekehrt würde wohl eher ein Schuh draus – wenn die physische Gesundheit der Notleidenden gewährleistet ist, dann haben sie wenigstens eine Chance auf Glück.

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