Als ich hier in meinem Blog das erste Mal darüber berichtet habe, dass der Verzicht auf Tabletts in Kantinen und Mensen nicht nur die Anschaffungskosten derselben einspart, sondern auch die Verschwendung von Lebensmitteln reduziert, war ich selbst erst mal skeptisch. Doch nun hat diese Arbeitshypothese auch ein wissenschaftliches Rückgrat: Der eigentlich eher auf Korrallenriffe spezialisierte Umweltbiologie Kiho Kim von der American University in der US-Hauptstadt Washington hat gemeinsam mit der Doktorandin Stevia Morawski in der aktuellen Ausgabe des Journal of Hunger & Environmental Nutrition ein Paper darüber veröffentlicht: Quantifying the Impact of Going Trayless in a University Dining Hall (durch die Paywall kam ich selbst mit einem MIT-Bibliothekszugang nicht durch, zur Not tut’s auch diese Pressemitteilung).

Und dieser Impact ist in der Tat sehr deutlich: Durch den Verzicht auf die Tragebretter wurden in den beobachteten sechs Tagen von den beobachteten 360 Versuchsteilnehmern 27 Prozent weniger Geschirr verbraucht, was vor allem bei den Mengen an Geschirr und den daraus resulierenden Mengen an Spülwasser und -Mittel schon ein enormer Vorteil (eine Faustregel, die ich hier gefunden habe, schätzt den Wasserverbrauch in einem Selbstbedienungsrestaurant auf gut 40 Liter pro Quadratmeter Kantinenfläche und Tag). Aber darüber hinaus reduziert dieser Mangel an Tragekomfort die Nahrungsmittelverschwendung – also das Weggeworfene, nicht Aufgegessene – um 32 Prozent. Warum, das ist auch ohne lange Studie klar: Ein Tablett animiert geradezu, es vollzupacken – vor allem, wenn ein hungriger Studentenmagen dabei die knurrenden Töne angibt. Manchmal sind die Augen dann wohl größer als der sprichwörtliche Bauch; und die Tatsache, dass Essen in Kantinen entweder pauschal bezalt wird, oder aber so stark subventioniert ist, dass ein Schälchen mehr oder weniger den Lunch nicht nennenswert billiger oder teurer macht, lässt ein ansonsten gegen Verschwendung sehr wirksames Korrektiv – den Preis – wirkungslos werden.

Aber als Vater eines stets hungrigen Teenagers beschleicht mich da dennoch eine Sorge: Die “gesunden” Beilagen – der Salat, das Gemüse – werden ja oft in Kantinen in separaten Schälchen gereicht (naja, und dann, zugegebenermaßen, auch nie aufgegessen). Ich wäre also nicht überrascht, wenn sich durch diese scheinbar clevere Einsparung die Ernährungsausgewogenheit der Kantinenesser ungünstig verschieben würde. Mit der Abschaffung des Tabletts alleine wäre die Sache also nicht ideal gelöst – es muss dann auch das, ewas auf dem zu tragenden Teller liegt, ernährungsmäßig optimiert werden.

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Kommentare (9)

  1. #1 roel
    *****
    30. Januar 2013

    @Jürgen Schönstein Zur Zeit bist du ja äusserst produktiv. Aber irgendwie hält wordpress dein bzw euer und auch das Tempo der KommentatorInnen nicht mit. Dieser Beitrag ist jetzt noch nicht unter Neueste Einträge verzeichnet.

    Epi-goes-Gender findet man nur in der “Wechseln zu”-Auswahl im Blog-Index und anderswo fehlt ein Verweis. Open Skies findet man bisher ebenfalls nur als Kurzvorstellung auf der scienceblogs-Titelseite. Kommentare sind jetzt zwar durchnummeriert und mit Direktlink versehen, aber sie werden nicht immer zeitnah angezeigt.

    Ich weiß nicht, was in deiner Macht liegt, aber vielleicht kannst du wordpress mal darauf hinweisen.

  2. #2 Swantje
    https://www.urnen-design-sima.de/
    30. Januar 2013

    Beim Lesen der Ergebnisse war ich zuerst kritisch, weil auch der Ertrag durch die realisierbare ‘Tragemenge’ sinken müsste. Was der Konsument nicht durch die Kasse bringt, kann er kaum mitnehmen. Vor dem Hintergrund der Subvention ist das natürlich eine andere Sache.

  3. #3 Anwalts_Liebling
    30. Januar 2013

    gilt übrigens auch für Diäten (also abnehmen!). Wer einen grossen Teller nimmt, wird den auch füllen bis zum Anschlag. Kleine Teller dagegen sind schneller voll und subjektiv (das Hirn ist schon doof) wird dann auch der Teller leer-gegessen – aber die Menge ist deutlich kleiner -> weniger Kalorien usw. Ist eine geschickte Trickserei mit dem FDH-Verhalten (und bei mir selber hats funktioniert und tuts noch – in beide Richtungen). Auch da gabs mal eine Untersuchung und die lief unter dem Stichwort “Ändern des Essverhaltens”…

  4. #4 Spoing
    30. Januar 2013

    Die Mengen die von den Kunden in der Mensa teilweise weggeworfen wären sind schon widerlich.
    Ich bin auf keinen Fall jemand, der “von der guten alten Zeit” redet, aber das so viele Kommilitonen nicht auf essen regt mich jedes mal wieder auf. (Aus Erfahrung ist das mindestens jeder zehnte)
    OK es gibt kein Herstellungs- sondern ein Distributionsproblem und alles aufessen was es auf den Teller gibt ist auch eher ein Nachkriegstrauma als zwingend Sinnvoll. (Getreu dem Witz: Mutter sagte immer wenn ich nicht aufesse gibt es schlechtes Wetter; Und was haben wir jetzt fette Kinder und Klimaerwärmung) Aber wenn man sich beim Buffet so viel aufgibt das man jedes mal fast die Hälfte weg schmeißen muss, dann ist das kein vernünftiger Respekt und Umgang mit Verbrauchsgütern. (Komischer Weise sind auch sehr oft Konsumkritiker bei diesen Leuten an zu treffen)
    Ich glaube die ganzen Quersubventionen und die Romantisierung des Bauernstandes tragen dazu erheblich mit bei. Leider ist das nichts was man einfach ändern kann. Ist ein Tablettverzicht deshalb zu befürworten?
    Naja den Satz: “Nur weil die nicht Vernünftig mit Essen umgehen können, darf ich kein Tablett mehr benutzen?” kann ich mir selber schon kaum ausreden. Auch wenn die Wirkung nicht zu verachten ist bin ich doch hin und her gerissen.

  5. #5 Rennkuh
    30. Januar 2013

    Mit dieser Massnahme kann sicherlich der Materialverbrauch und die Wassermenge reduziert werden. Die Studie zeigt aber leider nichts über die Qualität der Nahrung. Es ist doch meistens der Salat, der in der Schlange des schlechten Gewissens wegen auf das Tablett geladen wird, der dann im Müll landet(Wie schon im Blog erwähnt). Durch diese Massnahme lässt sich wahrscheinlich nicht die Essqualität der Studenten verbessern.
    Vielleicht währe eine Kombination aus kein Tablett, kleine Tellern(Nach Anwalts_Liebling), und freien Nachschlag sinnvoll. So würde jeder seine persönliche Sättigungsmenge essen und müsste sich nicht mit Einheitsportionen fertigschlagen. Das würde halt ein höherer personeller aufwand geben.

  6. #6 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com
    30. Januar 2013

    Wenn das “gesund” vor Salat und Gemüse in höhnische Anfürhtungsstriche gesetzt wird – wie kann das dann eine Sorge ums Kind begründen? Wenn man der Verheißung misstraut, dann ist es doch wurscht – erst recht, wenn es eh weggeschmissen wird. Hier war nicht das Auge größer als der Magen, aber man wollte Sinnkuh melken und schlachten zugleich.

  7. #7 Jürgen Schönstein
    30. Januar 2013

    @Stefan W. #6
    Die Anführungszeichen um “gesund” kann ich damit begründen, dass es vor allem bei Salat-Angeboten in Kantinen durchaus mal Probleme mit dem Gesund-Sein geben kann (in den USA jedenfalls hatten wir schon öfter Salmonellen-Probleme, die durch falsch gedüngte und ungenügend gewaschene Rohkost verbreitet wurden); Gemüse leiden oft darunter, dass ihre Nährwerte weggekocht wurden. Womit ich nicht behaupte, dass Salate und Gemüse generell ungesund seien, sondern – und so wurde es ja auch verstanden – zum Ausdruck bringen wollte, dass die Esser diesen Angeboten gegenüber ein ambivalentes Verhältnis haben und sie eher aus Pflichtgefühl (“Iiss Dein Gemüse, es ist gesund!”) aufs Tablett heben denn aus ehrlichem Appetit.

  8. #8 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com
    30. Januar 2013

    @Jürgen: Ja, so habe ich es verstanden, aber dann besteht doch kein Grund zur Sorge. Das passt doch nicht zusammen.

  9. #9 Olaf aus HH
    Hamburg, D, Europa, Erde, ...
    4. Februar 2013

    Hier noch etwas zum Thema “Tablett” und welche Gefahren noch damit verbunden sein können… 😉