Manchmal überkommt mich ein unbezähmbarer Appetit auf ein Gebäck, das in meiner fränkischen Heimat (eigentlich überall in Süddeutschland) so selbstverständlich zu bekommen ist wie das sprichwörtliche tägliche Brot, dessen hier in den USA verbreitete Varianten jedoch ans Ungenießbare grenzen: Laugenbrezeln. Und weil es keine guten Brezeln zu kaufen gibt, muss ich sie halt selber backen:
Sind heute ein bisschen dunkler geraten als sonst, aber dazu gleich mehr. Die erste Frage, die mir – nicht erst jetzt, aber heute habe ich mir endlich mal die Mühe gemacht, dieser Frage nachzugehen – durch den Kopf ging war: Warum wird Gebäck eigentlich braun? Wenn man die Sachen zu lange im Ofen lässt, werden sie zu schwarzer Kohle, also könnte das Braun ja eine farbliche Zwischenstufe zwischen dem blassen Ungebackenen und dem schwarz Verkokelten sein – Kohle light, gewissermaßen? Bestimmt nicht, denn das würde wohl wenig anregend schmecken. Wie ich (Profis wissen das natürlich längst) dank Wikipedia auf die Schnelle lernen konnte, ist die Bräunung beim Backen das Resultat der so genannten Maillard-Reaktion, die als eine “nichtenzymatische Reaktion von Aminosäuren mit reduzierenden Zuckern” beschrieben werden kann, und die dafür sorgt, dass nicht nur unser Brot knusprig braun wird, sondern auch Steaks, Pommes frites oder Kaffeebohnen, beispielsweise. Mehr über die Maillard-Reaktion erzählt der Sciencebuster Werner Gruber hier:
Aber die Laugenbrezeln sind ja nicht einfach nur ein Gebäck: Da ist wirklich “Chemie” drin, in dem Sinn jedenfalls, den viele Laien mit Chemie assoziieren. Denn die entscheidende Zutat findet man nicht einfach so im Lebensmittelladen; als ich bei einem Deutschlandbesuch mal Brezeln selber backen wollte, musste ich sie in der Apotheke vorbestellen und konnte sie erst einen Tag später, unter Vorlage eines Ausweises und nach Unterschreiben längerer Formulare abholen: Natriumhydroxid (NaOH), auch Ätznatron genannt. In den USA finde ich diese Zutat, die hier als Lye (englisch für Lauge) verkauft wird, im Baumarkt – unter den Abflussreinigern:
Ist manchmal schon amüsant, wenn ich die VerkäuferInnen nach “reiner Lauge” (pure Lye) frage, und sie mir dann “etwas viel Besseres” (als Abflussreiniger, versteht sich) empfehlen – meine Antwort, “Nein danke, ich brauch’ das zum Backen” produziert dann immer einen sehr verstörten Gesichtsausdruck. Würde mich nicht wundern, wenn irgendwann mal jemand die Polizei auf mich hetzt …
Aber zurück zum Natriumhydroxid: Daraus mische ich eine normaler Weise dreiprozentige Lauge (die sich sehr seifig anfühlt, Gummihandschuhe sind ratsam), in der die Brezel-Rohlinge dann für etwa eine halbe Minute gebadet werden. Doch da ich für die Mischung keine Präzisionswaage verwende, sondern nur einfache Messlöffel, kann es manchmal sein, dass die Konzentration ein bisschen zu niedrig wird (dann gibt’s blasse Brezeln), oder auch etwas zu hoch – dann werden sie, wie heute, eher dunkelbraun. Denn die Natronlauge reagiert mit der Stärke und den Eiweißen des Teiges und färbt schon die Rohlinge sehr appetitlich Gelb; die Maillard-Reaktion tut dann ein Übriges. Vielleicht können chemisch besser versierte LeserInnen den Vorgang noch genauer erklären, aber ich begnüge mich hier schon mal mit dem Hinweis, dass es ohne Chemie kein Gebäck gäbe, vor allem kein leckeres Laugengebäck.

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