Etwa so unsichtbar wie ein schwarzes Loch, sollte ich ergänzen – denn wahrnehmbar ist sie, aber sie beruht auf dem Ansatz, dass das Objekt der Diskriminierung nicht wahrnehmbar sein soll. Dies ist ein weiteres Kapitel in der scheinbar endlosen Gender-Diskussion – dies nur als Warnung an all jene Leserinnen und Leser, die keine Lust mehr darauf haben, sich mit dem Problem, ob und wie Sprache zur Diskriminierung verwendet wird, auseinandersetzen wollen. All jenen jedoch, die es wollen, empfehle (im Sinn von: es wäre hilfreich zum Verständnis des Folgenden, nicht etwa im selbstgefälligen Sinn von “Prädikat: empfehlenswert”) ich erst mal zum Einlesen meine beiden jüngsten Beiträge: Generische Sprache, oder Das Aus für den “Schneemann”? und Die Mühe beim Sprechen. Die Diskussion ist zwar am Ende eher zu einem Privatdisput zwischen Martin Bäker und mir geschrumpft. Aber einen wichtigen Punkt, den Martin gewissermaßen als Überraschungs-Trumpf ausgespielt hat, will ich hier aber noch einmal besonders würdigen:
warum ist es nicht vollkommen egal, ob jemand, der im Weltall umherspaziert, männlich, weiblich oder transsexuell ist? Sollte es nicht egal sein? (Wie gesagt, bei Star Trek heißt es immer “der Admiral”, “er” und “Sir”, auc bei Admiral Nedjejev (Schreibweise?), obwohl das eine Frau ist.) Warum ist das so viel wichtiger als das Alter, die hautfarbe, der sonstige Beruf oder irgend eine andere Eigenschaft?
Ja, warum eigentlich? Vielleicht, weil es Admiral Nedjejev (ich habe keine Ahnung, wer das ist, und finde den Namen auch nicht im Internet) wichtig ist? Wer sagt, dass es einer Frau nichts bedeutet, eine Frau zu sein?
Es gibt viele Formen von Identität – ich selbst beispielsweise falle in die Gruppen männlich, Senioren (über 50), deutschsprachig, grauhaarig, Journalist, Nichtraucher, Atheist, Vater, Universitätsdozent etc. Welche dieser Identitäten für mich wichtig sind oder nicht, sollte niemand außer mir entscheiden dürfen. Warum ist sexuelle Identität so wichtig, wichtiger als Haarfarbe oder Einkommen? Weil wir nun mal sexuelle Wesen sind. Interessanter Weise ist gerade das Recht auf eine sexuelle Identität ein Gut, das durch den Kampf gegen Diskriminierung errungen werden soll. Wer’s nicht glaubt: Einfach mal LGBT googeln und anfangen zu lesen.
Davon abgesehen, dass gerade das Gendern von Dienstgraden im Deutschen eine Forderung für Gleichberechtigung ist und mehr als eine “Amtfrau” bisher dabei nichr rauskam, Admirale und Generale also wie im Englischen als “generisch” bewertet werden (was, wie ich nun zum wiederholten Male erklären muss, vor allem in US-Sprachraum ein enormer Streitpunkt ist – gerade weil diese Sprache nicht mal im Prinzip eine Chance bietet, eine Generalin zu werden), und somit das Problem an sich gar nicht existiert. Aber das ist nicht der Kernpunkt: das Problem bei dieser Form der “Gleichberechtigung” ist, dass es die Frauen unsichtbar machen soll. Wirklich, ist das so? Ja. Es ist eine Form des “Don’t ask, don’t tell”.
Und was ist das? Nichts anderes als die Forderung an die anders Seienden, ihr Anderssein doch bitteschön für sich zu behalten, uns also nicht zu zwingen, uns damit auseinander zu setzen. Erst waren Schwule in den USA beispielsweise generell davon ausgeschlossen, im Militär zu dienen. Dann wurde diese Diskriminierung zwar aufgehoben oder zumindest gelockert – aber um den Preis, dass sie ihre Identität verheimlichen mussten” “Ihr dürft schwul sein und als Soldaten dienen, so lange wir es nicht zur Kenntnis nehmen müssen.” Eine ähnliche Aufforderung zur Unsichtbarkeit erleben Schwarze und Frauen auch heute noch: So lange wir so tun können, als seiet Ihr keine Schwarzen, keine Frauen, so lange wir Eure Hautfarbe, Euer Geschlecht nicht zur Kennnis nehmen müssen, akzeptieren wir Euch. Das verlogenste “Kompliment”, das dann gerne gemacht wird ist: “Ich habe gar nicht bemerkt, dass Du eine Frau/schwul/schwarz bist.” Falls jemand glaubt, dass er damit bei den Angesprochenen punkten kann, darf er sich gewiss auf eine Überraschung gefasst machen…
Der Wunsch Martins, dass er doch bitteschön nicht darüber nachdenken mag, ob Admiral N. nun eine Frau oder ein Mann ist, ist einer, der ausschließlich durch seinen Sprachkomfort verursacht wird. Aber der ist nicht maßgeblich: Nicht wir haben zu entscheiden, wie eine andere Person ihre Identität begreift, sondern dieses Recht liegt allein bei dieser Person. Wie wir Personen anreden (oder über sie reden) ist, wie ich hier schon mal geschrieben habe, auch eine Frage des Respekts. Und woher weiß ich, wie diese Personen angesprochen werden wollen? Indem ich sie frage, oder ihnen von sich aus die Möglichkeit gebe, dies anzusagen. Wenn sich jemand als “Admiralin N.” vorstellt, dann kann ich sie auch als solche ansprechen – wenn sie “Admiral N.” bevorzugt (auch in ihren dienstlichen Unterlagen, Lebensläufen etc.), dann wird dies auch entsprechend publik gemacht. Und wenn’s mal einen Fehlgriff gibt und jemand versehentlich zum Admiral “Admiralin” sagt? Tja, dann macht das gar nicht so viel, wenn wir davon ausgehen, dass es keinen Wertunterschied zwischen den Geschlechtern gibt. Oder, um Iggy Pop zu zitieren: I’m not ashamed to dress ‘like a woman’ because I don’t think it’s shameful to be a woman.
Doch genau daran krankt ja die Diskussion um Stereotype und Diskriminierung oft. Wenn jemand gegen weiblich besetzte Stereotype ankämpft, weil diese diskriminierend seien – was sagt er (ich bleibe aus empirischen Gründen hier beim Maskulinum) dann eigentlich? Dass weiblich schlechter ist als männlich. Aber wenn es wirklich egal ist, ob jemand männlich oder weiblich ist, dann ist es auch egal, ob dieses Attribut kenntlich gemacht wird oder nicht. Dann spielt es eben genau keine Rolle, ob Frau Admiralin ihre Femininität auslebt oder nicht. Gleichberechtigung heißt eben nicht, dass Frauen, Schwule, Schwarze etc. nicht als solche wahrgenommen werden, sondern dass sie sie selbst sein können, ohne dass es irgend einen Nachteil für sie bringt. Wenn sie ihre Identität nicht mehr unsichtbar machen müssen, sondern ungehindert Frauen, Schwule, Schwarze, Transgender oder was auch immer sein können.
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