Peer-Review, also die Begutachtung wissenschaftlicher Arbeiten durch Fachkolleginnen und -Kollegen ist der “Goldstandard” der wissenschaftlichen Publikation (und Publikation wiederum ist das Wesen der Wissenschaft). Doch nicht jede Rezension oder Begutachtung kommt beim Begutachteten gleich gut an; um Druck auf die Gutachter zu vermeiden, bleiben sie in aller Regel anonym. Aber das macht sie nicht weniger menschlich. Und das bedeutet, dass sie selbst beim besten Willen nicht immer unvoreingenommen sein können – wenn das Paper beispielsweise vom verehrten Doktorvater stammt, wird das Urteil sicher anders ausfallen als wenn unter den AutorInnen Namen auftauchen, die einem schon immer ein rotes Tuch waren. Aus diesem Grund hat der nature-Verlag nun beschlossen, ein doppelt verblindetes Review-System zu testen: Die GutachterInnen für Nature Geoscience und Nature Climate Change werden in Zukunft nicht nur selbst anonym bleiben, sondern auch anonymisierte Arbeiten zum Lesen erhalten.

Ein Hauptmotiv sei es, wie das verlinkte Editorial in Nature Geoscience erklärt, damit der Voreingenommenheit gegen Wissenschaftlerinnen zu begegnen: Frauen werden in der Wissenschaft auch heute noch generell strenger begutachtet als gleich qualifizierte Männer. en Versuch ist es sicherlich wert. Und auch bei nature ist man sich bewusst, dass Fachleute auch bei namenlosen Arbeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit raten können, von welcher Institution das Paper eingereicht wurde – aber das heißt eben noch lange nicht, dass sie dabei auch die Namen der federführenden AutorInnen erraten können. Bei einer Umfrage unter den nature-Leserinnen und -Lesern zeigten sich nur 16 Prozent (beiderlei Geschlechter gleichermaßen hier vertreten) skeptisch – den Versuch ist es also definitiv mal wert.

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Kommentare (9)

  1. #1 ulfi
    30. Mai 2013

    Na, wird ja Zeit das Nature das langsam auch mal umsetzt. Vorreiter sind sie damit aber nicht.

  2. #2 Sven Türpe
    31. Mai 2013

    Andere sind weiter und thematisieren das Problem der Gutachteranonymität.

    Peer Review ist übrigens kein Goldstandard, sondern lediglich ein sozialer Filter für die aktuelle Kommunikation innerhalb einer Community. Langfristig hat Peer Review keinen Einfluss auf den kollektiven Erkenntnisprozess der Wissenschaft. Die Geschichte entscheidet über die Relevanz eines Beitrags, nicht die Gutachter einer Zeitschrift.

  3. #3 ulfi
    31. Mai 2013

    “lediglich ein sozialer Filter für die aktuelle Kommunikation innerhalb einer Community”.

    Nein. Die wichtigste Aufgabe eines Gutachters ist zu entscheiden, ob das Werk inhaltlich korrekt ist. Relevanz ist irgendwo an den hinteren Plätzen einzuordnen.

  4. #4 Thilo
    31. Mai 2013

    Vielleicht ist das ja in anderen Fächern unterschiedlich, aber in der Mathematik wäre eine solche Regelung jedenfalls nutzlos, weil es den Gutachtern einfach bekannt sein dürfte, wer zu den entsprechenden Themen arbeitet, auch ohne das der Name oben auf dem Paper steht. (In der Regel tragen Leute ja auch auf Komferenzen über ihre Arbeit vor. Allerdings dauert die Begutachtung in anderen Fächern auch nicht so lange wie in der Mathematik.) Von experimentellen Wissenschaften habe ich keine Ahnung, allerdings dachte ich, dass Leute dort vor dem Beginn der Arbeiten erstmal Projektanträge schreiben müssen und dann wird der Gutachter ja in der Regel aus den Projektanträgem schon erraten können, von wem die dann eingereichte Arbeit stammt.

  5. #5 Sven Türpe
    31. Mai 2013

    Die wichtigste Aufgabe eines Gutachters ist zu entscheiden, ob das Werk inhaltlich korrekt ist.

    Diese Entscheidung ist Gutachtern regelmäßig nicht möglich, und ist auch nicht ihre Aufgabe. Sie sollen und können lediglich entscheiden, ob ein Beitrag relevant und hinreichend sauber verfasst ist, um die Bearbeitung aktuller Themen in einer Disziplin voranzubringen.

  6. #6 Tantal
    31. Mai 2013

    Auch in experimentellen Naturwissenschaften weiss man meistens, wer im eigenen Spezialgebiet was macht, und häufig verweisen Artikel ja auch expliziert auf eigene frühere Arbeiten. Anonymisierte Autoren richtig zu erraten dürfte noch einfacher sein, als anonymisierte Gutachter. Und selbst da hat man manchmal Ideen. Trotzdem ein ehrenwertes Ansinnen.

  7. #7 Stefan
    31. Mai 2013

    Meines Wissens sollten die Gutachter durchaus auf Relevanz achten. U. a. sollen Gutachter auch explizit darauf hinweisen, wenn ein Artikel nicht zum Journal passt … in meinem Bekanntenkreis war es letztens der Fall, dass ein Gutachter dem Autor nahegelegt hat, in einem spezialisierteren Journal zu veröffentlichen, da dem Gutachter der Erkenntnisgewinn bzw. die Relevanz des papers zu gering war. So wandern dann paper von Nature zu Nature Cell Biology zum Beispiel.

    @Thilo: in den Biowissenschaften ist es meiner Erfahrung nach so, dass durchaus Projekte außerhalb von genehmigten Projektanträgen bearbeitet werden. Und nicht alle dieser dann veröffentlichten Projekte werden vorher auf Tagungen präsentiert. Und ob man die Autoren anhand des Themas sofort erkennt, hängt auch von der Größe der entpsrechenden Community ab. Es arbeiten mehr als zwei Leute an Zellzyklus und Krebs…also ich halte das für einen lohnenswerten Versuch.

  8. #8 CM
    31. Mai 2013

    @Thilo: Abgesehen von Sefans Einwand, der sehr berechtigt ist, ist es bei meist so, daß Anträge national (manchmal auch international, z. B. EU grants, US/Canadian grants, etc.) eingereicht werden, Gutachter für Paper aber international rekrutiert werden (auch nicht immer). Also gibt es i.d.R. nicht nur viele Leute im Feld, sondern kennen die Gutachter von Artikeln oft auch nicht die Projektanträge kennen.

    Das oben Gesagte ist allerdings stark vereinfacht, weil es das Problem – Gutachter kennen die Autoren – nicht auflöst und auch nur grob stimmig ist. Aber vielleicht hilft es sich ein Bild zu machen.

  9. […] Peer-Review, also die Begutachtung wissenschaftlicher Arbeiten durch Fachkolleginnen und -Kollegen ist der “Goldstandard” der wissenschaftlichen Publikation (und Publikation wiederum ist das Wesen der Wissenschaft).  […]