Eine halbe Stunde später sind die Schmerzen weg und ich kann etwas schlafen. Gegen mittag betritt ein sympathischer und sehr grosser Physio den Raum. Er versucht die Oma neben mir zum Aufstehen zu bewegen, was definitiv scheitert. Als nächstes kommt er zu mir ? Meint, ob ich es mir zutraue, aufzustehen und etwas zu sitzen. Frau K. verspricht mir als Belohung einen Kaffee. Ok, denke ich, probieren wie es. Zuerst die Füsschen zur Seite, dann greift der 1,95 m Bulle unter mich und hilft mir mich auf die Bettkante zu setzen. Oh mein Gott, allein das war schon Schwerstarbeit. Jetzt aufstehen. Ich wuchte mich mit Hilfe des Physio in die Höhe und fühle mich kurz danach, als käme ch nach 4 Mass aus dem Oktoberfest-Frisbee (Insider wissen, was ich meine). 3 Schritte bis zum Stuhl und ich sitze. Niemand, der noch keine derartige OP hatte, kann sich vorstellen, wie anstrengend das sein kann. Aber das Gefühl von Stolz überwiegt kräftig und ich fordere lauthals meinen Kaffee. Kurz darauf bringt mir Frau Keller den Kaffee und sagt mir, dass Bianca (meine Ex-Frau, Mutter meiner Kinder und beste Freundin) da wäre. Ich freue mich sakrisch, als sie auf die Intensiv kommt. Sie kriegt grosse Augen, als sie mich schon sitzen sieht, woraufhin mich eine unangemessen eitle Welle von Stolz überrollt. Gegen halb 2 ist wieder Schichtwechsel und Bianca muss gehen. Ich frage, ob sie mir noch Bonbons für den Hals bringen kann, was Frau K. verneint. Erst nach Schichtwechsel könne sie wieder kommen. Ich quengele, dass das doch in 5 Minuten erledigt sei, worauf Frau K. droht, mich wieder abzuschalten wenn ich jetzt nicht aufhöre. Tatsächlich wartet Bianca fast ne Stunde, bis sie mir die Bonbons bringen kann. Ein Schatz einfach.
Zwischenzeitlich kommt eine Sozialarbeiterin wegen der Reha reingeschneit. Sie will wissen, wo ich den hin will und dass ich für Dienstag Abreise vorgesehen bin. Hallo ? Ich lieg hier noch auf Intensiv und die wissen schon, dass ich nächsten Dienstag für die Reha bereit bin ? Ich frage mich, ob hier nicht Zweckoptimismus vorliegt, verdränge den Gedanken aber wieder.
Die Schwester kontrolliert regelmäßig den Harnabgang vom Blasenkatheter und wieviel Wundflüssigkeit aus den Drainagen abfliesst. Sie meint, das sehe super aus und vielleicht können wir heute schon die am Hals ziehen. Da ich durch die Drogen eh super positiv und für alles offen bin, grinse ich sie breit an. Kurz darauf ist Visite. Der Tross des Königs zieht durch das Reich. „Affentheater“, wie eine der Schwestern meint, triffst wohl besser. Aber immerhin erfahre ich im Vorbeiziehen des Trosses, dass der Eingriff sehr gut verlaufen und vor allem minimalinversiv war. Das ist ja geil ! Im Vorfeld hies es, das wäre nicht möglich. Super, meine Lebenskräfte kriegen nochmal einen Schub. Als dann noch die hübsche Dr. X sich kurz extra Zeit nimmt, meine Hand nimmt und mir sagt, auch der Ultraschall sah sehr gut aus, bin ich im siebten Himmel.
Irgendwann kommen 2 Stationsschwestern und nehmen Hr. H. gegenüber mit. Neidisch blicke ich ihm nach und frage Schwester K., wielange ich noch auf Intensiv bleiben müsse. Sie meint, gleich kommt der Arzt und zieht die Halsdrainage und danach werde ich auch abgeholt. Mann, das wird immer besser. Mein Ehrgeiz ist geweckt und ich nehme mir vor, aus dem Laden in Rekordzeit rauszukommen ;-).
Das Ziehen der Halsdrainage war Kinderkram und kurz darauf wurde ich wie versprochen abgeholt. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich Schwester Keller noch zum Abschied einen Schmatzer aufgedrückt, so musste ein „Danke für alles“ reichen.
Das Zimmer auf der sogenannten „Zwischenstation“ hatte einen Fernseher und ich teilte es mit einem armen Tropf, der schon seit 6 Wochen in dem Laden festhing. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass er schon mehrmals an der Pumpe operiert worden war und jetzt Probleme mit Wasseransammlungen in der Lunge hatte. Armes Schwein, dachte ich. Nichts desto trotz wollte ich meine neue Freiheit geniessen und erstmal ordinäres Privatfernsehen gucken. Klappte nur nicht. Entweder hatte mein Zimmernachbar Ton oder ich (in Kliniken nur Kopfhörer). Und weil uns das beide fuchste, machten wir die Schwester rebellisch und verlangten Aufklärung durch den Techniker. Es stellte sich alsbald heraus, dass es sich nur um einen Bedienungsfehler handelte und so schrie mein Zimmernachbar der gerade mit der Technik telefonierenden Schwester hinterher. Fehler, grosser Fehler. Innerhalb von Sekunden waren ca. 5 Personen in unserem Zimmer und wollten wissen, was hier für ein Notfall herrsche. Damit waren wir wohl beide unten durch, zumindest bis Schichtwechsel. Trotzdem konnte ich die Schwester noch überzeugen, dass der Zivi mir meinen Ipod aus meinen Koffer brachte. Mit Musik im Ohr und genügend Schmerzmittel intus verbrachte ich eine halbwegs erträgliche Nacht, obwohl meine Zimmernachbar immer wieder schmerzhafte Hustenattacken hatte. Einzig die Nachtschwester ging mir gehörig auf den Sender. War zwar auch ne äußerst hübsche, aber beim Checken des Harnabgangs rüttelte sie jedesmal derart heftig am Schlauch, dass ich den Katheter überdeutlich in der Röhre spürte. Ich wies sie jedesmal drauf hin, dass sie das unterlassen soll, aber entweder war sie doof oder es war die Rache für die Fernsehaktion vom Abend.
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