Donnerstag, den 10. März 2011:

Schwester Simone betritt das Zimmer und ich wache auf. Sie checkt mich erstmal durch. Blutdruck, Blutsauerstoff, Temperatur. Der Sauerstoff ist noch unten (92 %) und die Temperatur ist für meinen Geschmack auch zu hoch für die Uhrzeit (37,4°). Dafür passt der Blutdruck.

Danach gibt’s Frühstück. Ich hätte zwar auch gestern abend schon essen können, aber mein Appetit war gestern noch gegen 0. Man erklärt mir, wie ich mich selbst aus dem Bett ziehen kann und soll. Für diesen Zweck hat man eine kleine Strickleiter am Bettende befestigt. Daran soll man sich dann hochziehen. Ich probiers und entscheide für mich, dass ich auch so aus dem Bett komme. Einfach Joystick nehmen, Kopfteil ganz nach oben fahren, Bett nach unten kippen und raus geht’s. Nach ca. 10 min Frühstück und noch weiteren 10 min relaxtem Sitzen wird’s mir doch zu antrengend und ich leg mich wieder ins Bett. Ich soll meine Pillen nehmen. Meine Fresse, was ist denn das alles ? Ne komplette Handvoll an Zeuch. Danach muss ich noch Schleimlöser auflösen und trinken.

Kurz danach kommt die Krankentherapeutin mit einem Atemgerät. Ich soll da ungefähr 50 mal reinatmen. Ich fange an und muss zum ersten Mal husten. Oh Gott, tut das weh ! Nach der Übung muss ich immer wieder husten und versuche es zu kontrollieren, was mir ganz gut gelingt. Schliesslich löst sich der erste Schleimbatzen, welche Erlösung.

Im Laufe des vormittags komme ich mit Schwester Simone ins Gespräch und erfahre, dass sie nächstes Jahr nach Schweden auswandert. Sie eröffnet dort mit ihrem Mann einen Campingplatz. Ich bin beeindruckt und spiele mit dem Gedanken, nächstes Jahr in Schweden Urlaub zu machen. Während wir uns unterhalten, checkt Simone die Tüten für die Wundflüssigkeit und meint, die Bauchdrainage kann eigentlich auch raus. Ganz so relaxt wie gestern bin ich nun bei der Vorstellung nicht mehr, aber der Wunsch die blöden Schläuche aus meinem Bauch zu haben ist deutlich ausgeprägter. Ausserdem erfahre ich, dass ich wahrscheinlich heute noch auf Normalstation und damit in ein Einzelzimmer komme. Mit der Motivation, kann der Doktor kommen.

Gekommen ist dann eine junge und ausgesprochen arrogant wirkende Ärztin, die sich weder vorstellt, noch sich nach meinem Befinden erkundigt. Sie nimmt sich der Drainagen an und zieht die Dinger aus meinem Bauch. Das an und für sich fand ich noch nicht ausgesprochen schlimm, aber dafür das Zuziehen der Nähte. Die gute Frau dachte wohl, der kommt aus Bayern und ist eine alte Wursthaut, da müssen wir richtig anziehen. Ich sagte der Schwester danach, dass hier eine örtliche Betäubung nicht ganz verkehrt sei. Schwester Simone meinte, das bringe doch nichts, da die Drainagen ja im Bauchraum seien. Als ich ihr erklärte, ich meinte auch das Zuziehen der Naht, war sie einigermaßen verwirrt. Offensichtlich haben vor mir alle immer das Ziehen der Drainagen als schmerzhaft empfunden. Egal, die Dinger bin ich nun auch los und habe wieder etwas mehr Bewegungsfreiheit gewonnen.

Also Rollator geschnappt und erstmal eine Stationsrunde gedreht. Die Schwester sieht mich und meint, ich solle mich gleich mal auf die Waage stellen. 89,2 kg zeigt sie an, also alles grün. Danach wieder zurück ins Zimmer. Ich fühle mich, als ob ich 10 km gejoggt bin. Zwar nicht von der Puste her, aber mir ist leicht schwindelig. Trotzdem nehme ich mir vor, das sooft wie möglich zu wiederholen, schliesslich will ich bis spätestens Samstag (Kinder kommen) ohne den Rollator laufen können.

Gegen abend werde ich erneut abgeholt, es geht auf Normalstation ins Einzelzimmer, yippie. Ich verabschiede mich von Schwester Simone und verspreche, nächstes Jahr in Schweden Urlaub zu machen (na ja, schau mer mal).

Das Einzelzimmer ist ein Segen und die Schwestern sind auch alle sehr nett. Verkabelt muss ich trotzdem noch bleiben (EKG). Da ich aber eh nur auf’m Rücken liegen kann, stört mich das nicht weiter. Ich überlege, was jetzt noch alles Fremdes in mir drinsteckt. Ok, der Blasenkatheter….muss ich morgen mal ansprechen. Mir fällt ein Kabel auf, dass ich vorher noch gar nicht bemerkt hatte. Ach ja, der Schrittmacher ! Den hatte ich ja schon mit dem Rollator spazieren gefahren. Nach Rückfrage ist der nur für den Notfall da. Dann noch ne Infusionsnadel im linken und rechten Arm, links wird irgendwas dosiert ? Was das sei ? Ein Antiarrythmikum. Aha, jetzt bin ich viel schlauer (Heute weiss ich, dass es einfach ein Beta-Blocker war). Abends werde ich wieder durchgemessen und habe schon wieder Temperatur. Der Sauerstoff ist auch noch bei 93 %, obwohl ich ja immer noch den Schlauch in der Nase habe. Ich bin leicht beunruhigt und frage, ob das normal ist, kriege aber keine erleuchtende Antwort von der Schwester. Im Laufe des abends setze ich mich immer wieder auf um abzuhusten, da es so deutlich besser zu kontrollieren ist. Was für eine Plackerei. Egal, ich schaue noch Fernsehen (endlich ohne Rücksicht auf irgendwenn bzgl. Programm nehmen zu müssen) bis die Nachtschwester Kerstin (Hecht) mir meine rosarote Glückspille bringt.

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Kommentare (14)

  1. #2 rolak
    23. September 2014

    Schön die Situation im KH beschrieben – scheint universell zu sein. Kenne ich zwar hauptsächlich aus Besuchen, doch nach 40 Jahren war es heuer auch für mich wieder mal soweit, wenn auch nurr für eine Woche. Die allermeisten Patienten drehten wegen der widersprüchlichen und ungenügenden Informationen am Rad, die anderen waren entweder schon länger dort und abgestumpft oder ähnlich aufregungs-unempfindlich wie meine Wenigkeit.

    Gute Besserung!

    PS: ..und das mit dem KH-WLAN war ne Katastrophe…

  2. #3 Steffmann
    23. September 2014

    @rolak:

    Vielen Dank für das Lob und die Genesungswünsche. Ist ja nun 3,5 Jahre her und die Klappe vom Schwein funktioniert (übrigens ohne Medikamente) ganz wunderbar.
    Zu widersprüchlichen und ungenügenden Informationen : Ja, eine gute Organisation der Abläufe in einer Klinik zu etablieren ist dem Chaos nach zu urteilen, ähnlich komplex wie Teilchenphysik ;-).

  3. #4 Alderamin
    25. September 2014

    @Steffmann

    Schön geschriebener, witziger Artikel, danke dafür. Wäre auch was für den Wettbewerb gewesen.

    Ich muss sagen, dass ich an die bisherigen Operationen (Blinddarm als Kind, Mandeln und zwei Gewebeknoten, letztere ambulant) noch relativ unbeschwert rangegangen bin. Aber seit meine Tante nach einem Routineeingriff (Magenoperation zur Verhinderung von Reflux) wegen einer (vermutlich durch die Operation verursachten) Bakterieninfektion verstarb, ist mir mulmig beim Gedanken an zukünftige Eingriffe. Der Fall war untersucht worden, wurde aber als “natürlicher Tod” gewertet. Ich hätte da anstelle meines Onkels und meiner Cousine mehr gekämpft. Aber das hätte sie natürlich nicht wieder lebendig gemacht.

    Jedenfalls sind solche Eingriffe nicht ganz ungefährlich. Zum Glück ging bei Dir ja alles gut.

  4. #5 Steffmann
    25. September 2014

    @Alderamin:

    danke fürs feedback. Im Nachheinein betrachtet wären eine eklärende Einleitung und ein Nachblick als Schluss auch nicht verkehrt gewesen. Mir ist leider das meiste vom Tagebuch verloren gegangen.
    Was die mittlerweile berüchtigten Krankenhauskeime anbelangt, habe auch ich mir damals Sorgen gemacht. Aber der Eingriff war alternativlos, insofern galt: Augen zu und durch.

  5. #6 Theres
    26. September 2014

    Huch … der Bericht ist mir ja glatt entgangen!
    Ein Ausblick fehlt, @Steffmann, aber schön, beschrieben und der hätte in den Wettbewerb gepasst, finde ich auch. Schön auch dass es dir gut geht.

  6. #7 Steffmann
    26. September 2014

    @Theres:

    Vielen Dank auch Dir ! Aber nein, ich bin da schon einer Meinung mit Florian, als eigenständiger Artikel im Schreibwettbewerb hätte ich ihn mit den anderen rechtzeitig einreichen müssen. Und dann hätte es auch nur Sinn gemacht, wenn der sehr kompetente, aber nüchterne Blick auf so eine OP von Hr. Busse

    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/09/19/eine-exkursion-zu-einer-herz-operation/

    und meiner kurz hintereinander erschienen wären. Ich bin, ehrlich gesagt, sowieso überrascht, dass es überhaupt jemand liest ;-).

  7. #8 Wilhelm Leonhard Schuster
    26. September 2014

    Hallo Theres! Ich finde auch, daß es schade ist , daß der wunderbare Steffen ´sche Bericht ein wenig abrupt endet.
    Ich wäre doch, (wegen der lieben Bianca)!,
    schon ein wenig neugierig gewesen, wie es weitergegangen ist,
    mit dem Steffen.(Klingt irgend wie lieber, als Steffmann)

  8. #9 Steffmann
    27. September 2014

    @WFS:

    Sorry für die Abkürzung :-). Auch an DIch Danke !.

    Der laptop ist Wochen später ins digitale Nirwana eingegangen, alles was ich noch habe, ist ein Zwischenstand, den ich mir damals via e-mail geschickt hatte.

    Aber sei beruhigt, wie es mit der später gar nicht mehr so “lieben” Bianca weitergegangen ist, willst du auch gar nicht wissen. 😉

  9. #10 Steffmann
    27. September 2014

    @Wilhelm Leonhard Schuster:

    Ups, wenn man schon abkürzt, dann wenigstens richtig. Entschuldige.

  10. #11 Wilhelm Leonhard Schuster
    27. September 2014

    @Steffen – ist irgend Schade mit der (jetzt) nicht mehr lieben Bianca.
    Aber, so ist es halt, mit unseren “edlen wei(ß)(s)en”
    diese bleiben eben, “wie wir auch”, nicht ewig lieb.

    Ich selber, bin immer ein wenig neidisch,
    wenn mir ” 2 ” , glücklich erzählen, wie lange, sie sich doch schon: gegenseitig “ertragen” haben.

  11. #12 Steffmann
    27. September 2014

    @WLS:

    Och, bewerte das nicht über. Eigentlich ist es so, dass wir Männer nur eine begrenzte Phase zur Verfügung haben, um uns zu verlieben. Danach geht es einfach nicht mehr.

    Ich hoffe inständig, dass Du wenigstens einmal in deinem Leben diese Erfahrung gemacht hast ?

  12. #13 Wilhelm Leonhard Schuster
    27. September 2014

    @Steffen (Ich bleib halt dabei)
    Au weiha, erinnern Sie mich nicht an meine “Bianca”!
    Ich “unsterblich verliebt”! (Wertherjahre)
    (ca 15 Jahre Werbung,- ich: Trottel)(Sie, 14 bis ca 28)
    Das Mißtrauen spielt halt, bei den späteren Begegnungen,
    eine sooo große Rolle, daß Vertrauen, die Grundlage fürs Verlieben, es sehr schwer hat, sich bei älteren Partnern einzunisten.
    Nun, heute, ich, der jenseits von “Rot und Schwarz” lebte,
    kann, mit meinen jetzt fast 83 Jahren, nur noch schmunzeln
    über jene Wetterlagen des Gemütes.
    Aber wie sagte doch der Olle :
    Ihr herrlichen Augen, was je ihr gesehen, es sei wie es wolle : Es war doch so schön!

  13. #14 Steffmann
    29. September 2014

    @WLS:

    Lieber Wilhelm, sie wirken wie jemand, den man gerne mal auf einen Kaffee treffen würde :-). Bei mir waren es nur 10 Jahre, in denen ich mich nicht lösen konnte, aber ein gebrochenes Herz zählt nicht die Stunden……oh je, bevor wir jetzt in den wissenschaftlichen Tartaros verbannt werden, höre ich mal auf mit dem Geschmalze 😉