Beispiele für einseitige Flächen sind das Möbiusband (bekannt durch Escher’s Ameisenbild oder den ‘Frankfurter Koloß’ vor der Deutsche Bank-Zentrale) und die Klein’sche Flasche.
In bisherigen Artikeln hatten wir orientierbare (zweiseitige) Flächen besprochen.
Ein bekanntes Beispiel einer nicht-orientierbaren Fläche mit Rand ist das Möbiusband, das in diesem Jahr übrigens 150-jähriges Jubiläum seiner Entdeckung feiert. Populär geworden ist es vor allem durch Escher’s Ameisen-Bild.
Man beachte, daß der Rand des Möbiusbandes aus EINEM Kreis besteht (nicht aus zweien, wie man zunächst erwarten würde). Ich weiß nicht, ob zu Escher’s Bild oder Max Bill’s Möbiusband-Skulpturen (die bekannteste ist sicher der Frankfurter Koloß vor der Deutsche-Bank-Zentrale, dessen eigentlicher Titel übrigens ‘Kontinuität’ ist) inhaltliche Interpretationen bekannt sind. Eine recht offensichtliche Aussage hat das D-Symbol von Karl Siegel (1993) mit (erst auf den zweiten Blick erkennbar) nur einer Grenzlinie.
Wenn man an diesen (einen) Kreis eine Kreisscheibe anklebt, erhält man eine nicht-orientierbare Fläche ohne Rand, die projektive Ebene RP2. (Diese Konstruktion läßt sich in unserem dreidimensionalen Raum aber nicht ohne Selbstdurchdringung ausführen.) Die projektive Ebene ist ein wichtiges Hilfsmittel in der Algebraischen Geometrie.
Übrigens wurden Flachriemen häufig als Möbiusbänder hergestellt, weil einseitige Flächen nicht das Problem der ungleichmäßigen Abnutzung beider Seiten haben. (In einem ORF-Beitrag aus dem letzten Sommerloch wurde sogar behauptet, daß Audiokassetten Möbiusbänder verwenden, um beidseitige Bespielbarkeit zu ermöglichen. Das dürfte aber eine schlecht erfundene Falschmeldung sein.)
Innerhalb der Mathematik ist das Möbiusband übrigens nicht nur eine Kuriosität, sondern spielt eine fundamentale Rolle als Totalraum des ‘tautologischen Linienbündels’, mittels dem man sogenannte Stiefel-Whitney-Klassen definiert, die eine der fundamentalen Konstruktionen in der heutigen Geometrie und Feldtheorie sind.
In Teil 5 hatten wir an Hand eines Videos erklärt, wie man einen Torus bastelt: man nehme ein Parallelogramm und verklebe jeweils die gegenüberliegenden Seiten so, daß eine Seite im Uhrzeigersinn jeweils mit der anderen Seite entgegen dem Uhrzeigersinn verklebt wird.
Was passiert, wenn man für eines der beiden Seitenpaare beide Seiten im Uhrzeigersinn verklebt? Das Ergebnis ist die sogenannte Klein’sche Flasche (die sich aber nicht ohne Selbstdurchdringungen in den dreidimensionalen Raum einbetten läßt), wie das folgende Video zeigt.
Echte Klein’sche Flaschen aus Glas oder Wolle kann man bei Acme käuflich erwerben.
Es ist übrigens ein allgemeiner Satz, daß sich nicht-orientierbare Flächen (ohne Rand) nicht (ohne Selbstdurchdringung) als Teilmenge des 3-dimensionalen Raumes R3, sondern nur als Teilmenge des 4-dimensionalen Raumes R4 erhalten lassen. (Das Möbiusband widerspricht dem nicht, weil es ja einen Rand hat.)
Es gibt eine bekannte Klassifikation sowohl für kompakte, orientierbare Flächen, als auch für kompakte, nichtorientierbare Flächen.
Was heißt hier kompakt und orientierbar? (Und was heißt eigentlich Fläche?) Wir werden in den nächsten Teilen dieser Reihe diese und einige andere mathematische Begriffe exakt definieren. (Spätere Folgen werden trotzdem wieder so aufgebaut sein, daß man auch ohne die exakten Definitionen versteht, was gemeint ist.)
Für den Moment wollen wir nur vage andeuten, daß eine kompakte Fläche im Wesentlichen eine endliche Fläche ist, also z.B. nicht die ganze Ebene oder auch keine Fläche mit unendlich vielen Henkeln. Eine orientierbare Fläche ist eine Fläche, die zwei Seiten hat (jedenfalls wenn man sie sich im dreidimensionalen Raum vorstellt.)
Wenn wir dies einmal so zur Kenntnis nehmen, besagt der erwähnte Klassifikationssatz für kompakte, orientierbare Flächen, daß es an kompakten, orientierbaren Flächen eben nur die Flächen mit einer endlichen Anzahl von Henkeln gibt, die uns in vergangenen Teilen dieser Serie schon begegnet sind. (Bilder der vier ersten Beispiele findet man in Teil 6.)
In anderen Worten: jede kompakte, orientierbare Fläche erhält man durch Ankleben von Henkeln an die Sphäre. Die Klassifikation kompakter, nicht-orientierbarer Flächen sieht ähnlich aus: jede solche Fläche erhält man durch Ankleben von Henkeln an die projektive Ebene.
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