Berechnung von Preis-Gleichgewichten mit dem Brouwer’schen Fixpunktsatz.
Große Teile der heutigen Mikroökonomie basieren auf der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie. Der erste Versuch in der Neoklassischen Theorie, ein umfassendes Modell zur Bestimmung der relativen Preise in einer Ökonomie zu entwickeln, stammt von der Lausanner Schule um Léon Walras.
Das Walras-Gesetz besagt, daß in einem vollkommenen Markt Angebot und Nachfrage auf allen Teilmärkten sich in der Summe ausgleichen. Also zum Beispiel, daß eine zu hohe Nachfrage auf dem Warenmarkt zu einem zu hohen Angebot auf dem Geldmarkt führt.
Walras Arbeit “Principe d’une théorie mathématique de l’échange” von 1874 gilt als Begründung der Mikroökonomie. Natürlich ist das Gesetz eine extreme Vereinfachung und, wie es Scarf formuliert, die Wirtschaftswissenschaftler sind hauptsächlich damit beschäftigt, das Walras-Gesetz durch realistischere Annahmen zu ergänzen / zu ersetzen.
Statt allgemeiner Formulierungen ist es sicher einfacher, das Gesetz an einem trivialen Beispiel (aus dieser elementaren Einführung) zu erklären.
. Person 1 Person 2 |
Äpfel 8 4 |
Birnen 0 8 |
Zwei Personen erzeugen und konsumieren Äpfel und Birnen.
In dieser Woche hat die 1. Person 8 (Kilo, Tonnen oder was auch immer) Äpfel und keine Birnen erzeugt, die 2. Person hat 4 Äpfel und 8 Birnen erzeugt.
Außerdem haben beide feste Präferenzen für ihren Konsum: die 1. Person will 1/4 ihres Einkommens für Äpfel und 3/4 ihres Einkommens für Birnen ausgeben, die 2. Person will jeweils die Hälfte ihres Einkommens für Äpfel und Birnen ausgeben.
Gibt es ein Preisgleichgewicht? Das heißt, ist es möglich, Preise so festzulegen, daß Angebot und Nachfrage übereinstimmen?
In diesem Beispiel findet man die Gleichgewichts-Preise mit ein wenig Probieren: wenn man den Preis für 1 Apfel mit 1 Euro und den Preis für 1 Birne mit 2 Euro festsetzt, dann kann man ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage herstellen: die 1. Person verkauft 6 Äpfel an die 2. Person, und kauft von dieser 3 Birnen. Danach haben wir folgendes Bild:
. Person 1 Person 2 |
Äpfel 2 10 |
Birnen 3 5 |
und Angebot und Nachfrage befinden sich (nicht nur insgesamt sondern sogar für jede Person) im Gleichgewicht.
(Man kann leicht nachrechnen, daß sich ein solches Gleichgewicht tatsächlich nur dann herstellen läßt, wenn Birnen genau doppelt so teuer sind wie Äpfel.)
Wie gesagt, geht nach Walras Gesetz die Mikroökonomie im Idealfall von einem solchen Gleichgewicht aus. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob es überhaupt immer möglich ist, Preise festzulegen, mit denen man ein Gleichgewicht erreichen kann.
Mathematisch formuliert man das so. Es gibt n Güter mit Preisen p1,…,pn. (Diese Preise sollen natürlich erst errechnet werden, im Beispiel war n=2, p1=1, p2=2.)
In Abhängigkeit vom Preis ergeben sich Angebot und Nachfrage nach bestimmten Regeln, die von den Konsum-Präferenzen der einzelnen Konsumenten abhängen. Der Angebotsüberschuß für das Gut i, der sich bei Preisen p1,…,pn ergeben würde, ist eine (von den Preisen aller Güter abhängende) Funktion xi(p1,…,pn). (Falls xi negativ ist, handelt es sich natürlich um einen Nachfrageüberschuß.)
Im Beispiel ergab sich letztlich x1=(8-2)+(4-10)=0 und x2=(0-3)+(8-5)=0. In der Regel wird man aber keine Preise finden, für die der Angebotsüberschuß jeder einzelnen Person 0 ist, sondern man sucht lediglich nach Preisen, so daß sich insgesamt Angebot und Nachfrage ausgleichen. Man sucht also eine Lösung von
p1x1+…+pnxn=0.
Man kann nun leicht nachrechnen (vgl. Scarf, S.1014), daß diese Gleichung äquivalent ist zur Gleichung f(p)=p für die Funktion
fi(p)=(pi+max(0,xi(p)))/(1+max(0,x1(p))+…+max(0,xn(p))),
wobei p=(p1,…,pn) und f=(f1,…,fn).
(Weil es natürlich nur auf das Verhältnis der Preise ankommt, kann man sich darauf einschränken, Lösungen in der Einheitskreisscheibe Dn zu suchen.)
Damit hat man die Berechnung eines Preis-Gleichgewichts zurückgeführt auf die Bestimmung eines Fixpunktes der im vorigen Absatz definierten Funktion f:Dn–>Dn. Und die Existenz eines solchen Fixpunktes (für jede stetige Funktion f) ist nun gerade der Brouwer’sche Fixpunktsatz.
Für n=2 (also das Beispiel mit den Äpfeln und Birnen) hatten wir den Brouwer’schen Fixpunktsatz letzte Woche bewiesen. Der Beweis im allgemeinen Fall ist sehr ähnlich, aber etwas komplizierter (benutzt Homologiegruppen statt der Fundamentalgruppe).
Walras (der Brouwer’s Fixpunktsatz natürlich noch nicht kennen konnte) hatte seinerzeit mit vagen mathematischen Begründungen erklärt, daß es immer Gleichgewichtspreise gibt. Für eine exakte Begründung braucht man aber den Fixpunktsatz. (Tatsächlich hat Uzawa 1962 bewiesen, daß Brouwer’s Fixpunktsatz und die Existenz von Preisgleichgewichten in beliebigen Austauschwirtschaften logisch äquivalent sind.)
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