“Schach-Olympiade: Iwantschuk flüchtete bei Doping-Kontrolle” titelte Zeit-Online am Montag. Der Weltranglisten-Dritte Wassili Iwantschuk soll bei der Schacholympiade (Mannschafts-WM) den Dopingtest verweigert haben.
Was ist passiert?
Dopingproben im Schach sind vor einigen Jahren eingeführt worden, weil der Weltschachbund FIDE Schach als olympische Sportart etablieren will. (Wofür kurzfristig aber gar keine realistischen Aussichten bestehen.) Bei vielen Aktiven besteht gar kein Interesse, Schach als Sportart bei den Olympischen Spielen einzuführen. Weshalb dann auch kein wirkliches Verständnis für die aus diesem Grund eingeführten Doping-Kontrollen vorhanden ist.
Die Ukraine sah bei der Manschafts-WM bis zur letzten Runde wie ein sicherer Medaillenkandidat aus, verlor aber das letzte Spiel 0,5:3,5 und wurde dadurch nur 4. Ausgerechnet nach diesem größtmöglichen Mißerfolg wurde der Weltranglisten-3. Wassili Iwantschuk (39, Bild unten) dann auch noch von Dopingkontrolleuren angesprochen.
Ein Augenzeuge berichtet, daß Iwantschuk wutenbrannt auf eine Beton-Säule eintrat, mit der Faust auf die Tische des “Food service counter” schlug und schließlich die Dopingtester einfach stehen ließ. Was auch viel plausibler klingt als die Zeitungs-Überschrift “Iwantschuk flüchtete bei Doping-Kontrolle”. (In einem Interview auf sport.ru sagt Iwantschuk: “Das scheint alles purer Wahnsinn, aber solche Spektakel passieren in unserer Welt. Ich bin einfach aus Enttäuschung über meine Niederlage gegangen und habe nicht auf einen Mann gehört, den ich das erste Mal in meinem Leben sah und dessen Namen ich bis heute nicht kenne. Sie sehen, was für eine Komödie das war.”)
Inzwischen hat die FIDE entschieden, die Ukraine nicht zu disqualifizieren und ihr keine Punkte abzuziehen. (Es läuft aber ein Verfahren gegen Iwantschuk mit dem Ziel einer 2-jährigen Sperre.) Damit wird es jetzt meiner Meinung nach aber wirklich problematisch: Wenn es im Schach keine Doping-Kontrollen gäbe, würde sich wohl niemand dran stören. Wenn man aber Doping-Kontrollen durchführt und anschließend nur halbherzige Konsequenzen zieht, dann schafft man damit Präzedenzfälle, auf die Doping-Sünder anderer Sportarten sich in Zukunft womöglich berufen werden.
Es hatte letztes Jahr schon einmal einen Fall gegeben (cf. mein Aprilscherzartikel). Eine österreichische Spielerin hatte Dopingtester nicht zu einer “Trainingskontrolle” in ihr Haus gelassen. Wahrscheinlich hielt sie die Leute für eine Drückerkolonne oder Pharma-Vertreter 🙂 Die Strafe: 2 Jahre Sperre. Dem Vernehmen nach soll Iwantschuk jetzt ebenfalls 2 Jahre gesperrt werden, allerdings nur für offizielle FIDE-Turniere wie Weltmeisterschaften etc. Was in der Sache sinnvoll sein mag, aber natürlich wieder einen gefährlichen Präzedenz-Fall für andere Sportarten schafft.
Das vernünftigste wäre wohl, Schach eben nicht als Sport anzusehen. (Spaniens Spitzenspieler Alexej Schirow, der sich 2000 in Sydney für Schach als olympische Sportart exponiert hatte, bezeichnet dies heute als ‘Fehler seines Lebens’.)
Die jetzige Lösung, wonach Schach sich zwar den im Sport üblichen Doping-Regularien unterwerfen muß, diese aber nur halbherzig umgesetzt werden, untergräbt letztlich die Autorität der Anti-Doping-Behörden auch bei den Sportarten, wo Doping wirklich eine Rolle spielt.
Ach so, noch zum sportlichen Ergebnis der Schacholympiade: Sieger wurde Armenien vor Israel und den USA. Wie gesagt, die Ukraine wurde nur 4. Bei den Frauen gewann Georgien vor Ukraine und USA.
“Dopingsünder” Wassili Iwantschuk (Quelle: Wikipedia)
Kommentare (53)