Nachteilig an einer künstlichen Begradigung bzw. zu straffen Flussregulierung ist, dass sich stromabwärts die Überschwemmungsgefahr verstärkt. (Wikipedia)
In TvF 56 und letzte Woche hatten wir über Geodäten geschrieben, lokal kürzeste Verbindungskurven wie zum Beispiel Geraden in der (euklidischen) Ebene oder Großkreise auf der Einheits-Sphäre.
Bekanntlich gibt es in der (euklidischen) Ebene zu je zwei Punkten eine eindeutige Geodäte, die die beiden Punkte verbindet.
(Auf der Sphäre stimmt das nicht: es gibt viele Geodäten, die Nordpol und Südpol verbinden.)
Mehr noch: in der Ebene kann man jede Kurve mit festgehaltenen Endpunkten ‘straffziehen’, d.h. in eine gerade Strecke deformieren, sozusagen ‘begradigen’.
Wie den Roten Main im Bild unten (rechts eine begradigte Strecke in Bayreuth).
Der präzise mathematische Begriff für eine ‘stetige Verformung’ von Kurven (hier mit festgehaltenen Endpunkten) ist Homotopie:
man hat eine Familie H(t,s) von Kurven γ(t), die stetig von einem Parameter s abhängt:
γ0(t)=H(t,0) und γ1(t)=H(t,1) sind dann, per Definition, homotop.
(Falls bei der Homotopie die Endpunkte nicht festgehalten werden, spricht man von einer ‘freien Homotopie’.)
Wie gesagt, in der euklidischen Ebene ist jede Kurve γ homotop zu der Gerade durch die Endpunkte. Das ist anschaulich klar, die genaue Formel für die Homotopie ist H(t,s)=(1-s)γ(t)+s((1-t)γ(0)+tγ(1)).
(Für s=0 ist H(t,0) die Kurve γ,
für s=1 ist H(t,1) die Kurve (1-t)γ(0)+tγ(1), d.h. die Gerade durch γ(0) und γ(1).
Ähnlich funktioniert es in allen einfach zusammenhängende Flächen mit Krümmung ≤ 0, z.B. in der hyperbolische Ebene (TvF 56): zu je zwei Punkten gibt es eine eindeutige Geodäte, die die beiden Punkten verbindet, und jede Kurve ist homotop zu einer Geodäten, läßt sich sozusagen “straffziehen”.
Für andere (nicht einfach zusammenhängende) Flächen mit Krümmung ≤ 0 stimmt das aber nicht.
Wenn die Fläche ‘topologisch komplizierter’ wird, kann es trotz negativer Krümmung mehrere Geodäten mit demselben Start- und Endpunkt geben. Zum Beispiel im Bild rechts: die vier farbig eingezeichneten Kurven sind Geodäten der Brezel (für eine hyperbolische Metrik) mit demselben Start-und Endpunkt. Es gibt sogar unendlich viele Geodäten, die in diesem Punkt starten und enden. Eine Geodäte kann sich nämlich beliebig oft um die Henkel der Brezelfläche winden. |
Das “Straffziehen” funktioniert aber trotzdem:
Auf einer Fläche mit Krümmung ≤ 0 ist jede Kurve homotop zu genau einer Geodäten. D.h. jede Kurve läßt sich (bei festgehaltenen Endpunkten) in eine (und nur eine) Geodäte ‘verformen’.
(Dagegen ist auf der Sphäre (Krümmung > 0) zwar natürlich jede geschlossene Kurve homotop zu einer Geodäte (auf der Sphäre sind ja sowieso alle Kurven homotop, siehe TvF 30), aber diese Geodäte ist nicht eindeutig.)
Insbesondere ist jede geschlossene Kurve auf der Brezel homotop zu einer Geodäten mit demselben Start- und Endpunkt.
Diese Geodäte muß aber nicht periodisch sein, wie das Bild oben zeigt: die Geodäten kehren zwar zum Startpunkt zurück, schneiden sich selbst dort aber evtl. unter einem Winkel, der nicht 180o ist.
Allerdings ist jede geschlossene Kurve frei homotop zu einer eindeutigen periodischen Geodäte, diese periodische Geodäte hat evtl. einen anderen Startpunkt.
Insbesondere entspricht, auf einer Fläche mit Krümmung ≤ 0, jedes Element der Fundamentalgruppe (TvF 31) einer eindeutigen periodischen Geodäte. (Wichtig für viele mathematische Anwendungen der hyperbolischen Geometrie.)
Wie beweist man die Eindeutigkeit der Geodäten? Letztlich folgt diese daraus, daß in einer Fläche mit Krümmung ≤ 0 Dreiecke dünner sind als in der euklidischen Ebene, wie im Bild unten. Dazu nächste Woche.
https://www.learner.org/courses/mathilluminated/units/8/textbook/04.php
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