Zahlentheorie, quadratische Formen und Orbits auf homogenen Räumen.

In den nächsten Wochen wollen wir andeuten, wie man Selbstabbildungen von Flächen mit Hilfe hyperbolischer Geometrie besser verstehen kann.

Heute noch kurz einen anderen Aspekt zu Selbstabbildungen f:F–>F einer Fläche F, den wir schon am Schluß von TvF 127 erwähnt hatten: Abbildungstori.

Den ‘Abbildungstorus’ einer Abbildung f:F–>F bekommt man, indem man das Produkt Fx[0,1] von F mit dem Intervall [0,1] nimmt und die beiden ‘Ränder’ Fx0 und Fx1 mit der Abbildung f verklebt. Im Bild unten wird dies gemacht für F den Torus mit Rand und f die ‘Katzenabbildung’. (Der Abbildungstorus, den man für die ‘Katzenabbildung’ bekommt, ist überraschenderweise homöomorph zum Komplement des Achterknotens.)

Fx[0,1] ist auf offensichtliche Weise ein Faserbündel über [0,1] (mit Faser F) und der Abbildungstorus ist dann eine Faserung (mit Faser F) über dem Kreis, den man bekommt, wenn man die beiden Enden des Intervalls [0,1] miteinander verklebt.

Neben dieser Zerlegung in Fasern Fx{t} hat man aber auch noch eine “Blätterung” mit 1-dimensionalen Blättern, die transversal zu den Fasern sind. Nämlich, Fx[0,1] läßt sich auf die offensichtliche Weise in Strecken {p}x[0,1] (für die verschiedenen Punkte p in F) zerlegen und nach Anwendung von f können sich diese Strecken entweder schließen (dann bekommt man Kreise) oder nicht (dann bekommt man Geraden). Man bekommt also eine Zerlegung des Abbildungstorus in Kreise und Geraden, die aber lokal immer wie ein Produkt aussieht. (Diese Eigenschaft, daß die Zerlegung lokal wie ein Produkt aussieht, ist die Definition des Begriffes Blätterung. Zum Beispiel ist jedes Faserbündel eine Blätterung.)

Ein einfacheres Beispiel ist vielleicht das unten abgebildete. Hier ist f:S1–>S1 die Drehung des Kreises um 1800. (Der Einfachheit halber ist der Kreis in den ersten beiden Bildern als Strecke gezeichnet, bei der man sich also jeweils das obere und untere Ende verklebt denken muß.)

Die transversale Blätterung ist eine Blätterung durch Kreise.


Gezeichnet ist oben nur ein Kreis (in rot). Wenn man mehr Blätter zeichnet, bekommt man ein Bild von unten.

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In diesem Fall handelte es sich um eine Drehung um 180o=2π/2, weshalb sich die Blätter nach zwie Umläufen wieder schließen. Bei einer Drehung z.B. um 120o=2π/3 oder 90o=2π/4 hätten sich die Blätter nach 3 bzw. 4 Umläufen wieder geschlossen.
Anders wäre es bei einer Drehung um ein irrationales Vielfaches von 2π: dann würden sich die Blätter nie schließen, in diesem Fall wären die Blätter also keine Kreise, sondern Geraden. Außerdem ist es in deisem Fall so, daß die Blätter “dicht” liegen: der Abschluß eines Blattes ist bereits der gesamte Torus.

Man kann diese letzten Aussagen in eine gruppentheoretische Sprache übersetzen: der Torus T2 ist T2=R2/Z2 und wir haben eine Wirkung einer Untergruppe R von R2 auf dem Torus (“fließen entlang der Blätter”) und die Orbits (= die Blätter) sind dann entweder abgeschlossen oder dicht, d.h. der Abschluß eines Orbits ist entweder der Orbit selbst oder der Orbit der gesamten Gruppe R2.

Es gibt einen sehr viel allgemeineren Kontext, in dem sich Blätter ähnlich leicht beschreiben lassen, nämlich die (1990 von Marina Ratner bewiesene) Raghunathan-Vermutung. Diese besagt folgendes: sei G eine Lie-Gruppe, Γ ein Gitter in G und H eine unipotente Untergruppe von G. Die Orbits der Wirkung von H auf G/Γ haben dann als Abschluß wieder den Orbit einer (evtl. größeren) Untergruppe von G.

Dieser Satz ist sicher einer der (in den verschiedensten Gebieten) meist-angewandten Sätze der reinen Mathematik. Raghunathan hatte die Vermutung ursprünglich aufgestellt, weil sich daraus die Oppenheim-Vermutung über quadratische Formen ergibt.

Diese besagt folgendes: Sei b:R3xR3–>R eine indefinite Bilinearform, die kein rationales Vielfaches einer ganzzahligen Bilinearform ist, z.B.
b((x1,y1,z1),(x2,y2,z2))=x1x2 + y1y2 – πz1z2.
Dann kann es zwar offensichtlich (wegen der Irrationalität) keine ganzen Zahlen x,y,z mit b((x,y,z),(x,y,z))=0 geben, aber laut Oppenheimer-Vermutung gibt es zu jedem ε>0 ganze Zahlen x,y,z mit Ib((x,y,z),(x,y,z))I<ε.

Die analoge Aussage für Bilinearformen auf dem R2 ist eine elementare Übungsaufgabe: wenn π eine irrationale Zahl ist, dann gibt es (zu jedem positiven ε) ganze Zahlen x,y mit Ix2-πy2I < ε. Im Fall von 3 (oder mehr) Dimensionen gibt es aber keinen elementaren Beweis. Die Oppenheim-Vermutung folgt dort aus der Raghunathan-Vermutung angewandt auf G=SL(3,R), Γ=SL(3,Z), H=SO(2,1).

Der Zusammenhang zwischen Ratner’s Theorem (=Raghunathan-Vermutung) und Oppenheim-Vermutung ist wie folgt. Es gibt bekanntlich reelle Zahlen x,y,z mit b((x,y,z),(x,y,z))=0. Sei A eine Matrix in SL(3,R), die (1,0,0) auf (x,y,z) abbildet. SO(b) ist eine zu SO(2,1) konjugierte Untergruppe von SL(3,R) und hat also ebenfalls abgeschlossene Orbiten in SL(3,R)/SL(3,Z). Aus der Dichtheit des Orbits folgt, dass es B in SL(3,Z) und U in SO(b) gibt, so dass UA nahe an B ist. Der Vektor B(1,0,0) hat ganzzahlige Einträge. Weil U die quadratische Form b invariant läßt, ist b(UA(1,0,0),UA(1,0,0))=0 und damit b(B(1,0,0),B(1,0,0)) nahe an 0.
Der für die Oppenheim-Vermutung benötigte Spezialfall der Raghunathan-Vermutung wurde schon 1987 von Margulis bewiesen.

Wie gesagt, die allgemeine Version von Ratner’s Theorem ist einer der meist-angewandten mathematischen Sätze, in Zahlentheorie, elliptischen Kurven, Lie-Gruppen etc.pp. (In meiner Doktorarbeit hatte ich einen einfachen Spezialfall auch mal auf ein topologisches Problem angewandt.)

Um hier noch ein letztes Mal einen Bezug zu den aktuellen Fieldsmedaillen (nämlich der von Elon Lindenstrauss) herzustellen: ein scheinbar elementares zahlentheoretisches Problem, daß sich aus Ratner’s Theorem nicht herleiten ließ, war die Littlewood-Vermutung. Diese läßt sich zwar ebenfalls in eine Frage über Orbits auf einem homogenen Raum übersetzen, aber die Antwort folgt eben nicht aus der Raghunathan-Vermutung, sondern benötigt einen neuen Beweis, der (für “viele” Fälle) von Einsiedler-Katok-Lindenstrauss geführt wurde.


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