Vektorfelder und ihre Nullstellen.
Vektorfelder kommen überall vor, in der Physik etwa als elektrische oder Magnetfelder, in der Mathematik vor allem zur Beschreibung zeitunabhängiger gewöhnlicher Differentialgleichungen – eine gewöhnliche Differentialgleichung ist bekanntlich eine Gleichung der Form x'(t)=f(t,x(t)), wobei man sich zur geometrischen Veranschaulichung t als Zeit- und x als Orts-Koordinate denkt (und die rechte Seite f eine gegebene Funktion ist); bei einer zeitunabhängigen Gleichung hängt f nicht von t ab, die Gleichung hat also die Form x'(t)=f(x(t)). In jedem Punkt x(t) muß die Ableitung der Kurve x der gegebene Vektor f(x(t)) sein. Anschaulich: f ist ein Vektorfeld und die Tangente jeder Lösungskurve ist überall gerade der Vektor f(x).
Das Beispiel unten zeigt das Vektorfeld f(x1,x2)=(-x1,-x2). Die Lösung der Differentialgleichung x'(t)=f(x(t)) ist x(t)=e-tx(0). Die Lösungskurven sind also die Geraden durch den Nullpunkt, wie man auch anschaulich sofort sieht. (Offensichtlich sind die Geraden durch den Nullpunkt stets tangential zu f(x).)
Offensichtlich sind Nullstellen eines Vektorfeldes von besonderem Interesse: sie sind gerade die stationären Punkte der Differentialgleichung (d.h. die konstanten Lösungskurven). Und manchmal (wie im Bild oben) konvergieren Lösungen gegen stationäre Punkte. (Das wäre jetzt ein anderes Thema und ein weites Feld.)
Der Zusammenhang mit der Topologie ist nun, daß zwar nicht die Anzahl der Nullstellen, aber die Summe ihrer Indizes eine topologische Invariante ist. (Wir definieren gleich, was der Index einer Nullstelle ist.) Man kann also auf einer gegebenen Fläche zwar verschiedene Vektorfelder mit unterschiedlichen Anzahlen von Nullstellen haben, die Summe der Indizes der Nullstellen ist bei verschiedenen Vektorfeldern auf derselben Fläche aber immer gleich.
Index einer Nullstelle definieren wir am besten an Bildern:
Die Bilder zeigen typische Beispiele für das Aussehen eines Vektorfeldes in der Umgebung einer Nullstelle. Wir sagen, daß in den ersten beiden Beispielen die Index der Nullstelle +1 und im dritten Beispiel der Index der Nullstelle -1 ist.
Die allgemeine Definition: man nehme einen Kreis um die Nullstelle (so daß keine weiteren Nullstellen im Inneren liegen), in jedem Punkt des Kreises gibt das Vektorfeld eine Richtung an (also einen Punkt auf dem Einheitskreis). Man bekommt also eine Abbildung f:S1–>S1 und deren Abbildungsgrad (TvF 189) ist, per Definition, der Index der Nullstelle.
Im ersten Bild ist f(z)=eiπz, im zweiten Bild f(z)=eiπ/2z, beide Abbildungen haben Abbildungsgrad deg(f)=1. Im dritten Bild ist f (ungefähr) die komplexe Konjugation, der Abbildungsgrad ist -1.
Wir behaupten nun, daß auf einer geschlossenen Fläche die Summe der Indizes der Nullstellen für jedes Vektorfeld dieselbe ist, also nur von der Topologie der Fläche abhängt.
Das unten abgebildete Vektorfeld auf der Sphäre hat zum Beispiel zwei Nullstellen, im Nord- und Südpol, beide vom Index 1.
Die Summe der Indizes ist 2. Also gerade die Euler-Charakteristik der Sphäre, und das ist auch kein Zufall, sondern folgt aus dem Satz von Hopf-Poincaré. (Dazu nächste Woche.)
Es wird sich herausstellen, daß für jedes Vektorfeld auf der Sphäre die Summe der Indizes gleich 2 ist. Insbesondere muß jedes Vektorfeld Nullstellen haben – das ist der Igelsatz, den wir letzte Woche besprochen hatten. Andererseits muß nicht jedes Vektorfeld unbedingt genau 2 Nullstellen haben. Ein Vektorfeld kann auch 3 Nullstellen vom Index und 1 Nullstelle vom Index -1, oder 5 Nullstellen vom Index 1 und 3 vom Index -1, oder …
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